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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 23.1907

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Heft 4
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Sutter, Conrad: Die Architektur auf der Deutschen Kunstaustellung in Köln 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.44950#0047

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1907

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 4


Der Frauen Rosenhof.
Deutsche Kunstausstellung in Köln 1906.

Architekt: Professor J. M. Olbrich
in Darmstadt.

Ausblickstellen in der Mauer die Durchsicht gestatten, schimmert
die glühende Pracht eines Rosengartens hervor, die sich ganz
unten in einem Parterre am Wasser noch einmal wiederholt.
Wie hinter Klostermauern versteckt ahnt man den geheimnis-
vollen Bau, dessen hohe Dächer hervorragen und beschirmen
»der Frauen Rosenhof«. Hohe Baumgruppen überragen und
schließen das Werk ein, das Professor Jos. M. Olbrich hier
hat erstehen lassen.
Über einen brückenartigen Verbindungsgang gelangt man
zum Eingang, der von kleinen Gartenanlagen flankiert ist. Die
Brückenbrüstung hat eine eigentümlich massive Wirkung, weil
die Steinglieder, die die Deckplatte tragen, einmal in der Längs-
richtung und dann nach der Tiefe gerichtet, abwechselnd ge-
stellt sind. Die Pforte ist im weißgefugten unregelmäßigen
Mauerwerk aus roten Sandsteinbossen offen gelassen und vom
schweren, abgestuften Dachgesims überdeckt. Zu beiden Seiten
der Pforte sind außen, nahezu die Breite der Mauerpfeiler füllend,
in heller Umrahmung Mosaiken eingelassen.
Man tritt in eine langgestreckte, dunkel erscheinende Halle
— wie in einen Kreuzgang —, auf deren Boden das Sonnen-
licht die Form der offenen Rundbogenstellung zeichnet, über
deren Brüstung hinaus man in die rote Glut des Rosengartens
schaut. Ein holzüberdecktes Gebälk, von schweren Balken-
durchzügen getragen, bildet die Decke. — Sollten solche Gänge
zum Allerheiligsten der Gralsburg führen? — Mit dem Über-
schreiten der Grenze sind wir von der Außenwelt abgeschlossen,
wir sind umfangen von der Stimmung des Bauwerks; wie in
einer andern Welt schreiten wir im Zauber der Umgebung
dahin. Wenn aus dem Garten das sehnsüchtige Lied der
Nachtigall ertönte oder zum Klang der Laute holder, fein-
tönender Frauengesang, so wäre das keine Überraschung mehr,
sondern erschiene als folgerichtige Ergänzung des Stimmungs-
zaubers, der unsre Sinne gefangen hält. —
Wir überschreiten die Schwelle zum großen Hauptraum
durch die Eichenholztür mit kristallenen Scheiben. Ein mächtig
wirkender quadratischer Raum ist überdeckt, indem sich an zwei
gegenüberliegenden Seiten hohe Balken treppenartig überkragen,
bis sie in der Mitte ein längliches, flach abgedecktes Feld übrig
lassen. Auf dem unregelmäßigen Sechseck der Giebelseite ist auf
dumpfgetönter, grünlichgrauer Wand der Rosenbusch im großen
Medaillon stilisiert. Die Wände umziehen auf Schrankhöhe helle
Täfelungen, an und in welche Vitrinen angebaut und eingelassen
sind. In diesen webt ein geheimnisvolles Licht aus unsicht-
baren Fenstern und läßt die dort aufgestellten Kleinodien
— nach Olbrichs Entwürfen — aufleuchten. Der Boden des
Raumes ist in einem mittleren Achteck über zwei Stufen hin-
unter vertieft und dort mit einem kostbaren rotgewebten
Teppich belegt. Dem hohen, weitgespannten Fenster gegen-
über steht frei im Raum noch eine große Vitrine in jener
seltsam weichen Gestaltung und Behandlung des lackartig

überzogenen Holzes, darinnen Seltenheiten der Ju-
welierkunst, die Olbrichs reiche Phantasie er-
funden hat.
Ja, Phantasie — die schöpferische Phantasie
dieses eigenartigen Künstlers umgibt uns auf Schritt
und Tritt; sie spinnt uns in eine Märchenstimmung
ein, ob wir im hohen, halbdämmerigen Raum sind
oder zwischen schwerem Mauerwerk wieder ins
Freie treten, — in den Rosengarten, den ein Um-
gang umschließt, von wo wir aus einem pergola-
artig überdeckten Pavillon hinausschauen auf das
Wasser, in dem sich die Mauern spiegeln und die
weißen Schwäne lange Furchen ziehen.
Wir sehen ein äußerlich fast schlichtes, rauh-
gefügtes Bauwerk vor uns, einfach in den Mitteln,
einfach in der baulichen Entwicklung, ein großes
weitgespanntes Ziegeldach, das auf einem kräftigen
Gesims ruht, ein paar Bogenöffnungen, geradlinige
Türausschnitte, das sind die allgemeinen Requisiten.
Ein Bau wie aus mittelalterlichen Mauern gefügt
und doch so modern, so ganz aus dem Empfinden
einer gesteigerten neuzeitlichen Geschmackskultur.
Wie ist das erreicht? Es ist die aufs feinste abgewogene
Verwendung der künstlerischen Mittel in Form und Farbe, es
ist die Wirkung der rhythmischen Steigerung der Raumkunst
im Innern und im Äußern.
Das Gesetzmäßige in diesem Meisterwerk ist die Stimmung,
die uns vom Einfachen über das Reiche zum Schlichten führt.
Zuerst scheint es, als ob Olbrich einen neuen Weg ein-
geschlagen habe, und doch ist es der alte Meister mit seiner
reichen Erfindungsgabe und dem starken Vermögen, seinen
Werken jenen ganz besonderen, ihm eigenen Stimmungsgehalt
zu geben. —
Wir haben gesehen, in welcher Mannigfaltigkeit die vier
Meister der Baukunst ihre Gaben in dieser Ausstellung aus-
gebreitet haben. Wie keiner dem andern in seinem Werke
gleichkommt, und doch allen ihren Werken gemeinsam ist,
daß sie, einerlei auf welchem Boden der Tradition sie erstanden
sind, den eigenen künstlerischen Ausdruck, die künstlerische
Form für unsre Zeit finden. Darum hat die Ausstellung in
Köln unsrer Baukunst einen vollen künstlerischen Erfolg ge-
bracht. o


Grundrisse der Villa des Herrn Kommerzienrat Israel, Architekten: Hart & Lesser
Bendlerstraße 38 in Berlin. in Berlin.

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