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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 23.1907

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Heft 5
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Lübke, Georg: Die Bemalung alter Fachwerkbauten
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Beschreibung der Abbildungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44950#0053

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1907

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 5

Manch einer wird das in sich harmonische, etwas ange-
stäubte und rostige Grau des Straßenbildes dem disharmonischen
bunten Bilde, welches durch teilweise Bemalung der Häuser
in den Straßen entsteht, vorziehen. Geht doch bei jedem Neu-
anstrich mit dem Ruß und Staub ein Kennzeichen des jahr-
hundertelangen Bestandes, ein Stück historischer Weihe verloren.
Man soll daher nicht ohne Not an dem bisher Gewordenen
rühren und Neuanstriche nur dann vornehmen, wenn der Zu-
stand der Fenster, Läden oder Türen und ihrer Beschläge oder
die drohende Zerstörung des Holzwerkes den schützenden An-
strich gebieterisch fordern.
Auch ist zu bedenken, daß selbst dann, wenn es uns
gelingt, den ursprünglichen mittelalterlichen Anstrich des alten
Hauses ganz echt wiederherzustellen — was leider bei unsrer
spärlichen Kenntnis der alten Anstriche keineswegs sicher ist —,
gar oft das neugewirkte alte Prachtgewand dem nüchternen
zarteren Farbensinn unsrer Zeit gar wenig entspricht.
Wäre es darum nicht richtiger, den Neuanstrich der alten
Häuser, wenn er nötig wird, ganz nach dem modernen Ge-
schmack, ohne Rücksicht auf die geschichtliche Bemalung her-
zustellen, je nach dem Wechsel der schnell sich ändernden
Handschuh- oder Kleidermode?
An Versuchen in dieser Richtung hat es nicht gefehlt.
Sie sind zum Teil sogar sehr harmonisch ausgefallen, und wenn
wir von modernen Neubauten sprächen, würde ich unbedenklich
jedem das Recht zusprechen, sein Haus nach seinem höchst-
eigensten Geschmack zu bemalen.
Bei alten Bauten liegt für mich die Sache anders. Hier
muß zunächst untersucht werden, wie die Bemalung bei der
Entstehung des Hauses gewesen ist, und dann diese gewissen-
haft, so gut es möglich ist, wiederhergestellt werden.
Würde etwa jemand auf die Idee kommen, den reich be-
malt gewesenen Tempel zu Ägina in zarten modernen Tönen
wiederherzustellen? Oder ein pompejanisches Haus, eine
altchristliche Kirche in modischen Farben neu zu bemalen?
Würde jemand eine mittelalterliche Bildsäule anders als nach
den an ihr gefundenen Resten der alten Farbe neu herstellen?
Wenn aber in allen diesen Fällen die alte Tönung maßgebend
ist, so kann meiner Ansicht nach kein Zweifel sein, daß auch
die Neubemalung unsrer Fach werke im alten Sinne erfolgen muß.
Für historische Innenräume ist längst allgemein der Grund-
satz anerkannt, daß die Neubemalung sich der alten Farben-
gebung anzuschließen hat. In einer Hinsicht freilich besteht
ein Unterschied in der Neubemalung der Innenräume und dem
Neuanstrich der Häuser.
Bei den Innenräumen ist es mit Recht üblich geworden,
die Neuausmalung künstlich etwas alt zu machen, durch sanfte,
verschossene Farbengebung den Raum mit den späteren Ein-
bauten, die ebenfalls mit den Farben ihrer Entstehungszeit be-
malt werden, gewissermaßen in einen historischen Schleier zu
hüllen, der grelle Mißstimmungen ausgleicht.

anstrich als notwendig heraus-
stellen, da wenige Jahre ge-
nügen, den glänzendsten An-
strich unter der Einwirkung von
Ruß, Staub, Regen, Sonne und
Frost erblinden zu lassen. Ich
habe mich daher bis jetzt nicht
entschließen können, den Neu-
anstrich alter Bauten künstlich
alt machen zu lassen, und
möchte als Grundsatz empfeh-
len: den Neuanstrich der alten
Fachwerkbauten möglichst im
ursprünglichenTone, für den sie
geschnitzt sind, und im vollen
Glanze herzustellen und einige
Jahre gar zu neuen Aussehens
ruhig mit in den Kauf zu neh-
men. Es genügen wenige Jahre,
um die nötige Patina zu erzeu-
gen und dem Hause sein ehr-
würdiges Greisengesicht zu-
rückzugeben.
Dem Einwurfe, daß das
alte lebhafte Farbengewand der


Mittelschule an der Friedenstraße in Halle a. S.
4. Seitenansicht.
Architekt: Stadtbaurat Carl Rehorst
in Halle a. S.

Bauten unserm Empfinden fremd und zu bunt ist, möchte ich
entgegenhalten, daß es unserm etwas mattherzigen Farben-
empfinden, das sich z. Z. zumeist den zarteren Farbenstimmungen
des Empire anschließt, nur nützlich sein kann, wenn es hier
und da durch kräftigere Farbengebung etwas aufgerüttelt und
zu frischerer Tatkraft angeregt wird. Warnen möchte ich vor
allzu greller Bemalung. Helle, leuchtende Farben dürfen nur
in kleinen Flächen verwendet werden. Die Schwierigkeit, etwas
Gutes zu schaffen, ist hier wie bei dem Entwerfen von Glas-
fenstern und Teppichen groß, und erst längere Übung verleiht
eine gewisse Sicherheit. Darum eignet sich nicht jeder Stuben-
maler zum Anstreichen alter Häuser.

Dringend erwünscht ist es, daß recht viele Architekten recht
gründliche Untersuchungen der alten Bemalungen vornehmen
und dem Gegenstände eine liebevolle Aufmerksamkeit widmen.

Beschreibung der Abbildungen.


Tafel 33 u. 34. Mittelschule an der Friedenstraße in
Halle a. S. — 1. -3. Ansicht von Nordwesten. Zwei Portale. —
Architekt: Stadtbaurat Carl Rehorst in Halle a. S.
Die Eingemeindung der Vororte Giebichenstein, Trotha und Cröllwitz,
welche der Stadt Halle a. S. im Jahre 1900 eine Vermehrung der Einwohner-
zahl um rund 30000 Seelen brachte, erforderte die schleunige Errichtung
eines größeren Schulbaues im Norden der sich in ausgesprochener Süd-
Nordrichtung auf dem rechten Saaleufer hinziehenden Stadt. Einen dem
Architekten besonders willkommenen Bauplatz gab der eine der drei da-
selbst gelegenen Porphyrhügel — bot sich so doch Gelegenheit, ein für die

Meinungsverschiedenheiten herrschen bei Innen-
räumen nur insofern, als zwischen Fachgenossen nicht
leicht eine volle Einigung zu erzielen ist über die Dich-
tigkeit des Schleiers, in den der Raum gehüllt werden
soll. Je nach Temperament und Charakter wird der eine
eine kräftige, energische, der andre eine mehr sanfte,
zart hingehauchte Farbengebung vorziehen.
Anders liegt die Sache beim Außenanstrich, der
nicht allein um der farbigen Wirkung willen, die das
Haus im Straßenbild ausüben soll, hergestellt wird,
sondern auch wesentlich zum Schutze des Holzwerkes
dient. — Sobald der bauliche Zustand des Hauses einen
Neuanstrich erfordert, muß dieser erfolgen. Würde man
nun auch hier von vornherein den Anstrich mit einer
Patina versehen, ihn künstlich alt und grau machen, so
würde zunächst die volle Wirkung der Schnitzereien
und architektonischen Gliederungen nicht erzielt werden.
Diese sind vom Zimmermann und Bildhauer, der sie
fertigte, auf bestimmte Farbengebung hin geformt, dar-
über hege ich nicht den leisesten Zweifel. Sodann aber
würde sich nach verhältnismäßig kurzer Zeit ein Neu-


Mittelschule an der Friedenstraße in Halle a. S.
5. Aula gegen .Westen.

Architekt: Stadtbaurat
Carl Rehorst in Halle a. S.

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