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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 23.1907

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Heft 9
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Haupt, Albrecht: Von germanischer Baukunst, [4]; II. Ältester Holzbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.44950#0086

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1907

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 9


Steinkonsole im

fernen

zwei

27. Am Eingang zur Chornische in Sta. Cristina de Lena,

29. S. Miguel de Lino.

30. Museum in Leon.

28. Rathaus
in Sachsenberg.



Zeit
westgotisch-spanische
Steinbrocken mögen
das weiter bestätigen
(Abb. 31—34).
Als letztes und
vielleicht interessante-
stes Beispiel sei noch
einer höchst merkwür-
digen Konsolenform
gedacht, die in
in

Germanen in
Stein übertra-
gen überall vor-
kamen.
Ein Stück
einer Stockwerk-
brüstung aus
der alten Kaiser-
stadt Königs-
lutter aus der
»Renaissance«-
dazu ein paar

eine Skizze von der
Ecke des Junker¬
hauses zu Göttin¬
gen (Abb. 35) lie¬
fern, wo dieselbe
Anordnung, und
zwar auch als Kon¬
sole oder Auskra¬
gungsstütze, nur mit
einem Kopf im Me¬
daillon, genau eben¬
so auftritt. Ist das
nicht merkwürdig?
Und hat etwa der
Göttinger Zimmer¬
mann von jener fast
1000 Jahre älteren
sonst unbekannten
Spanien etwas gewußt?
Gibt es eine wunderbarere Illustration
zu der Gewißheit des Fortlebens der Idee
und des künstlerischen Gedankens über die

-J ' j 25. Grebenstein und Gemünden.
'■ (1594,)
—ykwestgotischen Kirchen,
I1 1 Sta. Maria de Naranco bei
Oviedo und in Sta. Cri¬
stina de Lena, auftritt, wenn man diese
in ihrer Art einzige Hängeform als
Konsole bezeichnen darf (Abb. 34).
In meinem früheren Aufsatze gab
ich bereits eine Skizze aus der erst¬
genannten Kirche, die die Anwen¬
dung sehr deutlich zeigt. Das Tonnen-
gewölbe liegt auf einem rein holz¬
mäßig als Balken profilierten Stein¬
gesims auf und wird durch Gurt¬
bögen quer geteilt. Diese Gurtbögen
stützen sich jedesmal auf einen
etwas vortretenden Klotz im Ge¬
simse, und unter diesem hängt nun
wie an einem Stück Stoff oder geschnitzten Brett ein rundes
Medaillon, beides mit gewundenen Stäben eingefaßt. Ger-
manische Reiter und springende Tiere, auch Lindwürmer und
Drachen beleben die Flächen der hängenden Teile, die die
Zwickel zwischen den unteren Wandbögen ausfüllen.
Von jeher hat diese eigenartige Zierform die höchste Auf-
merksamkeit der Kunstfreunde und Historiker erregt. Eine
Erklärung dafür weiß man in Spanien nicht. Da wir diese
Bauwerke als germanisch ansehen gelernt haben, finden wir in
jener Form eine Nachbildung der altnordischen Goldbrakteaten,
die als Hängeschmuck, mit doppelt geflochtenem Golddraht
eingefaßt, getragen wurden. — Und doch — es ist auch dies
eine echte Zimmermannsform. Den deutlichsten Beweis mag

Menschen und
Geschlechter eines Stammes hinaus und
durch die Jahrtausende hindurch?
Nicht minder erfreulich mag dem
Freunde germanischer Art in der
Kunst das übrige an dieser Haus-
ecke sein. So vor allem das echte
Bandwerk in der Brüstung, genial
in richtigen Balken hergestellt. Das
'■ / Ganze von knorrigster Gewalt und
recht nordisch-germanischer Energie. —
Gar vielerlei erzählen uns die ältesten
oft unscheinbaren Steintrümmer aus fer-
nem Jahrtausend von unsern längst von
der Woge des Völkermeeres verschlungenen
germanischen Stammverwandten, wenn wir
sie nur genauer anschauen und sie vor allem
vergleichen mit den uns am nächsten liegenden
und so wohlvertrauten Werken unsrer deutschen Väter. Natür-
lich nur mit denen, die ihres eigenen Geistes und ihrer Art
sind, nicht etwa solchen, die ihre Formen importierter auslän-
discher Kunst
entlehnten oder
diese nachzu- . k
bilden versuch-
w li seneri
dann mit Stolz u r ■ '" \ '
und Freude, daß
wir Germanen
auch in der Vergangen¬
heit, die so ganz ab¬
hängig erschien vom
Auslande, keineswegs
arm sind an eigenster
Kunst, die nur uns an¬
gehört, in der nichts
geborgt ist. In heutigen
Tagen, wo wir manches¬
mal schmerzlich bemer- \
ken, wie wenig wir doch
tatsächlich gemein haben
mit so manchem Volke,
das wir von jeher be¬
wundern, wo wir mehr
und mehr nur auf uns
selbst gestellt werden,
darf uns das Bewußt¬
sein eigenen Besitzes,
desVorhandenseins ech¬
ten Germanentums auch

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