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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0054
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft ö

Das Rudolf Virchow-Krankenhaus. — Speisezimmer für Kranke.

die Mittel der Kunst den Zweck der Bauten fördern. Dann

hängt auch die Schönheit der Bauten weder vom Material, noch
vom Ornament ab, sondern von der Führung der Linien, von
der gefälligen Gruppierung und traulichen Gestaltung.

Solche künstlerische
Durchbildung erfordert
keine außergewöhnlichen
Mittel, keinen besonderen
Aufwand, aber die ganze
liebevolle Hingabe des
Künstlers, der nicht äußer-
liche Kunstformen hinzu-
tut, sondern die beste
praktische Form zur
Kunstform zu vervoll-
kommnen weiß.

In diesem Sinne hat
Ludwig Hoffmann die
Gesamtanlagen der bei-
den großen Heilanstalten
künstlerisch entworfen
und ihre Durchführung
im einzelnen geleitet. Das
beweisen die hier wieder-
gegebenen Bilder.

Das Rudolf Virchow-Krankenhaus

ist an der nördlichen Weichbildgrenze Berlins zwischen den Industrie-
vierteln Moabit und Wedding auf einem 257194 qm großen Gelände am
Spandauer Schiffahrtskanal erbaut, das — eine Sandfläche ohne Baum und
Strauch am Anfang der Jungfernheide — bisher als Artillerie-
exerzierplatz gedient hatte. Der Hauptzugang zu dem ein un-
regelmäßiges Sechseck bildenden Gelände liegt im Osten am
Augustenburger Platz. Mit Rücksicht auf die vorteilhafteste
Ost-West-Lage der Zimmer in den 21 großen Krankenpavillons
ist daher die aus dem Lageplan (S.43) ersichtliche Gesamtanord-
nung getroffen.

Von dem am Haupteingang gelegenen Hauptgebäude er-
streckt sich eine große Längsachse diagonal von Ost nach West
durch das ganze Grundstück. Diese wird ungefähr in der Mitte
gekreuzt durch eine von Nord nach Süd gerichtete Querachse.

Diese beiden Hauptachsen trennen die Pavillons in vier Gruppen:
nördlich der Längsachse liegt die Abteilung für innere Krank-
heiten (500 Betten), südlich die für chirurgische Krankheiten
(564 Betten); beide sind durch die Querachse in die Abteilungen
für Männer und Frauen getrennt. Auf der breiten Querachse liegt
zwischen den Pavillons für chirurgische Krankheiten das Opera-
tionshaus, mit den beiden nächstgelegenen Pavillons der Männer-
und Frauenseite durch geschlossene und heizbare Gänge ver-
bunden. Südlich vom Operationshaus steht das Röntgenhaus,
nördlich davon die Apotheke.

Auf der andern Seite der Längsachse steht zwischen den
Pavillons für innere Krankheiten das Badehaus mit mediko-
mechanischem Institut, dahinter nach Norden zu das Maschinen-
und Kesselhaus mit 50 m hohem Wasserturm, Eisbereitungs-
anlage, zwei Dampfschornsteinen u. s.w., rechts und links davon
die Koch- und Waschküche mit Bleichplatz und Remisen für
Speisen- und Wäschewagen.

In der südlichen Verlängerung der Querachse liegen, zu

einer in sich geschlossenen Gruppe vereint, die sämtlich ein-
geschossigen Gebäude für ansteckende Krankheiten (178 Betten),
an der Südecke des Grundstücks zunächst das Aufnahme- und
Quarantänegebäude, parallel dazu das Gebäude für Diphtherie-
kranke und senkrecht dazu westlich zwei Pavillons für männ-
liche, östlich zwei Pavillons für weibliche Kranke.

Am Haupteingang befinden sich in der eingeschossigen
Front links vom Torbau die Verwaltungsräume, die Registra-
turen, die Kasse und die Telephonzentrale, rechts ein großer
Warteraum mit je einem Untersuchungszimmer für Männer und
Frauen, Vernehmungsräume, Wärter- und Wärterinnenzimmer.
Das Pförtnerhaus selbst enthält im Obergeschoß eine Wohnung
für den verheirateten Pförtner und eine Stube für zwei unver-
heiratete Boten.

Die beiden an den Vorderbau anschließenden viergeschossi-
gen Flügel enthalten das Ärzteheim (Ai) und das Schwestern-
heim (A-2). Im 140 m langen, dreigeschossigen Hauptbau mit
den vier nach rückwärts sich erstreckenden Flügeln sind die
gynäkologische (As) und die Abteilung für Geburtshilfe (A4)
mit zusammen 220 Betten untergebracht, im Mittelbau ein
großer Versammlungs- und Repräsentationssaal, daneben ein
Vortragssaal.

Mit dem Hauptgebäude durch gedeckte Gänge verbunden
sind nördlich das Kasino der Ärzte (Ar,), südlich ein kleinerer
Bau, der Laboratorien, Wohnungen für Ärzte und Sammlungs-
räume enthält. Vor diesen Bauten stehen nach der Straße zu
die Wohnhäuser für die Direktoren (B). Zu ihnen führen be-
sondere Eingangspforten.

Zu beiden Seiten der großen Hauptgebäudegruppe steht mit der Front
an der Föhrerstraße das Haus für haut- und geschlechtskranke Frauen
(146 Betten) und an der Amrumerstraße das Haus für haut- und geschlechts-
kranke Männer (374 Betten), beide mehrstöckig und mit besonderem Zu-
gang; letzteres von zwei Beamtenwohnhäusern (Bi) flankiert.

Westlich von der Gruppe
für ansteckende Krankheiten
befindet sich das Obduktions-
haus, das vom staatlichen
Institut für Infektionskrank-
heiten unterhalten und benutzt
wird.

Am Ende der 425 m lan-
gen, mit vier Reihen von
Bäumen bepflanzten Haupt-
allee der Längsachse steht im
Westen das anatomisch-patho-
logische Institut (M), daran
anschließend die Leichen-
kapelle (Mi). Zu ihr gelangen
die leidtragenden Angehörigen
durch eine mit Trauerweiden
eingefaßte Trauerallee vom
Eingang an der Sylterstraße
her (vergl. Abb. S. 42).

Südlich von dieser Gruppe,
etwas weiter abgerückt von
den übrigen Krankenpavillons,
ist ein Haus für unruhige
Kranke (F) mit 18 Betten er-
baut. Äuf der Nordseite
schließen sich an das anato-
misch-pathologische Institut
der Stall für Versuchstiere (O)
und das Desinfektiqns- und Verbrennungshaus (P) an.

An der Nordgrenze des Grundstücks führt eine rund 650 m lange
Straße für den vom inneren Krankenverkehr völlig getrennten Betriebs-
verkehr von der Amrumer- zur Sylterstraße. An ihr liegen außer den

Das Rudolf Virchow-Krankenhaus.

Das Rudolf Virchow-Krankenhaus. — Krankensaal eines Pavillons.

Speisezimmer für die Pfleger.

(Im Haus für männliche Hautkranke. Dachgeschoß.)

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