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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 24.1908

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11. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.27776#0093
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1908

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11

Durchgangshalle beim Haupteingang.

Architekten: Gebr. Rank in München.

hat, da schon einmal zugegriffen werden mußte, gleich einen
ganz gehörigen Griff in seine Finanzen getan. Das Resultat
rechtfertigt ihn, denn was in der Umgebung der ehernen Riesen-
jungfrau auf der »Wies’n« in relativ kurzer Zeit ge-
schaffen worden ist, geht weit über die bisher üb
liehen Begriffe von Ausstellungsbauten hinaus. Lehnt
sich auch manches von den kleineren Objekten, wie
Verwaltungsgebäude, Polizeihaus, Postbureau u. s. w.
an Beispiele älterer Art in äußerst geschickter Be-
handlung an und kommt bei diesen kleineren Erschei-
nungen jene gewisse kleinstädtische Behaglichkeit
wieder zum Ausdruck, die in den Großstadtstraßen
längst dem Ausdrucke des Verlangens nach größt-
möglicher Rentabilität hat weichen müssen — bei
den Gebäuden, die dem innersten Wesen der ganzen
Unternehmung zu entsprechen haben, bei den riesigen
Ausstellungshallen ist es der knappe, klare Ausdruck
der Sachlichkeit, der dem Ganzen ein eigenartiges
Gepräge von Straffheit verleiht, ohne daß dabei die
künstlerische Seite der Aufgabe irgendwie zu kurz
gekommen wäre. Sie ist vollauf erreicht ohne Säulen-
stellungen, ohne Anlehnung an dieses oder jenes
monumentale Motiv! Gott sei Dank, nicht die Spur
von Motivkrämerei alles schlicht und einfach und
groß, wie es Beton und Eisen erlauben. Keinerlei getönte Gips-
abgüsse, an geeigneter Stelle eingesetzt, alles in großen Massen,
in ruhigen, ungeknickten Linien: künstlerische Behandlung des
Nutzbaues, der Stil aus Zweck und Material entwickelt, die

Gebäudemassen außerordentlich gut in der Anord-
nung, überall wohlerwogene Rücksichtnahme auf
architektonische Bildwirkung, die sich am richtigen
Ort zu wirklicher Größe steigert, während sie bei
enger begrenztem Raume intimer Reize voll ist. Der
Architekt, von dem der preisgekrönte Entwurf zu
der ganzen Anlage und ihre mit wenigen Abände-
rungen erfolgte Ausführung herrührt, Bauamtmann
Bertsch in München, hat damit einen Wurf getan,
der ihn an die Seite der Vortrefflichen auf Münchens
baulichem Gebiete stellt. — Der Platz war hinsicht-
lich seiner Lage äußerst günstig, indes durften die
in ihren Dimensionen immerhin sehr beträchtlichen
Gebäudekomplexe, die auf einer gegenüber dem
Vorterrain etwa 8—10 m höheren Bodenstaffel liegen,
mithin leicht dominierend werden konnten, in keinerlei
Kollision geraten mit dem Abschlüsse der Theresien-
wiese: Bavaria und Ruhmeshalle. Sie mußten völlig
zurücktreten. Das ist so gut wie nur möglich gelöst.
Längs dem alten Isarufer, d. h. längs dem Hange,
auf dem die Ausstellung liegt, führt eine breite Straße.
Wo diese an die Portalbauten gelangt, ist sie ganz wesentlich
verbreitert, die Umfassungslinie der Ausstellung in weitem Bogen
zurückgeführt, die Portalbauten selbst sind, wie das damit in

Das Theater-Cafe.

Architekt: Professor Paul Pfann in München.

Brunnen vor dem Verwaltungs-
gebäude.

Bildhauer: Eduard Beyrer
in München.

Verbindung stehende reizende einstöckige Verwaltungsgebäude,
durch davorgestellte Baumgruppen maskiert.

In angemessenem Abstand von diesem Baukomplex erst
erhebt sich die am weitesten nach der Stadt zu liegende große
Halle. Das Dach ragt, von weitem gesehen, in kaum auffal-
lender Weise über die davor liegenden Baumwipfel empor,
keinesfalls auch nur im geringsten störend gegenüber dem in
klassischen Formen gehaltenen Monument, das König Ludwig I.
am Steilhange im Westen der Theresienwiese errichtet hat.
Auf der andern Seite wirkt das mächtige Dach der großen
Bierhalle etwas aufdringlich. Nun — das tun die Wirtshäuser
in München ja überhaupt, indes ist die Lebensdauer dieses von
den gesamten Großbrauern in Betrieb gesetzten Massenvertil-
gungstempels hoffentlich keine auf unendliche Zeiten bemessene,
wie ja auch alle die ihn umgebenden Gebäude des Vergnügungs-
parkes wieder vom Erdboden verschwinden werden. Ein ge-
rade sehr anziehendes Bild bieten sie in ihrer Gesamtheit, ob-
schon manche äußerst talentvolle Leistung sich darunter findet,
nicht gegenüber dem künstlerischen Ernste, der sich durch all
das zieht, was jenseits des dazwischenliegenden Parkes an
eigentlichen Ausstellungsgebäuden steht. Schade, daß fast all
diese Unternehmungen eines lärmenden Schaubudenjahrmarktes
bedürfen, um auf die Kosten zu kommen! Vielleicht reift die
Zeit auch einmal in Bezug auf den Umfang der Ausstellungen
etwas gemäßigtere Anschauungen. Die Münchner Ausstellung,
so vortrefflich sie in sehr vielen Beziehungen ist, leidet viel-
leicht ein klein wenig unter ihrer Ausdehnung.

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