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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 27.1911

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Heft 10
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Von der 4. Tagung des Deutschen Werkbundes
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https://doi.org/10.11588/diglit.35084#0129

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1911, io.

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Seite 119


Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911.
Gebäude für Nahrungs- und Genußmittel.

Architekten: Baurat H. Viehweger & Berthold
in Dresden.

der Heimatschutz wichtige Hilfe geleistet,
indem er gezeigt habe, daß das Bauschaffen
der letzten 50 Jahre verfehlt war; aus dem
Heimatschutzinteresse gehe auch besseres
Architekturverständnis hervor. Jetzt, wo wir
mancherlei Ansätze und Erfolge zu verzeichnen
haben, sei besonders darauf zu achten, daß
die Novitätensucht nicht abermals auf Abwege
führe. Das Wiedergewinnen einer architek-
tonischen Kultur sei die Grundbedingung für
ein Wiederaufleben der Künste überhaupt.
Architektur aber ist vor allem Zucht, Ord-
nung und Organisation. In den sozialen und
wirtschaftlichen Organisationsbestrebungen der
Neuzeit liegt die Hoffnung, daß auch eine
architektonische Organisation wieder erreicht
werden kann. Erst wenn Deutschland hierin
zu geklärten Zuständen gelangt ist, kann es
hoffen, unter den vielen Aufgaben, deren
Lösung die Welt uns zutraut, auch die zu
lösen, dem Zeitalter das verloren gegangene
Gut der architektonischen Form wiederzu-
gewinnen.
An diesen Vortrag knüpfte dann am fol-
genden Tage eine Besprechung ästhe-
tischer Fragen der Gegenwart an,
die unter Leitung von Geh. Hofrat Cornelius
Gurlitt wertvolle Ausführungen brachte, zu-
nächst eine bündige Aussprache über die an-
geblichen Gegensätze in den Bestrebungen

Von der 4.Tagung des Deutschen
Werkbundes.
Der Deutsche Werkbund hat seine 4. Jahresversamm-
lung am 9.—11. Juni in Dresden abgehalten.
Nach Besichtigung der Hygiene-Ausstellung, des
neuen Städtischen Schlachthofes und des eben eröff-
neten Krematoriums von Prof. Fritz Schumacher hielt
Geheimrat Dr.-Ing. Muthesius in der öffentlichen
Sitzung den Hauptvortrag: „Wo stehen wir?“ Er
schilderte, wie die kulturelle Entwicklung seit dem
18. Jahrhundert rein wissenschaftlich geworden ist
und die ungeheuren Ergebnisse der Technik die ge-
samte Geistesarbeit so völlig in Anspruch genommen
haben, daß die Gefühls- und Empfindungswerte völlig
vernachlässigt wurden, das Schönheitsgefühl verloren
gegangen ist. Erst in den letzten 20 Jahren hat sich
ein Ausgleich angebahnt durch das Streben nach
künstlerischer Kultur. Aber der damit errungene Er-
folg ist heute noch mehr theoretisch als praktisch,
angesichts des Tiefstandes unserer gesamten Kultur.
Es genügt nicht, Qualitätsware zu schaffen, wenn die
Form fehlt. Eine architektonische Kultur, der bleibende
Gradmesser für die Kultur eines Volkes, fehlt noch
ganz. Es ist ebenso dringend nötig, den baukünst-
lerischen Nachwuchs besser zu schulen, als das all-
gemeine Verständnis zu wecken. Für letzteres habe


Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911.
Gebäude für Kleidung und Körperpflege (Detail).

Architekt: Oskar Menzel, B.D.A.,
in Dresden.

Internationale Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911. Architekt: Alexander Höhrath, b.d.a.,
Gebäude für Hygiene im Verkehr. in Dresden.


des Werkbundes und des Heimatschutzes. Prof. Fuchs
in Tübingen führte aus, daß solche Gegensätze in
Wirklichkeit nicht bestehen. Man müsse unterscheiden
zwischen den selbständig schaffenden Künstlern und
der großen Zahl mittelmäßiger Kräfte. Ein selbständiges
künstlerisch reifes Werk füge sich immer seiner Um-
gebung ein, und der Heimatschutz habe nirgends
gegen die Ausführung solcher gewirkt. Aber für die
mittelmäßigen Kräfte sei der Anschluß an die be-
währte Überlieferung immer empfehlenswerter als die
unvollkommene Nachahmung des Neuen (oder wie
Muthesius es im Schlußwort faßte: Die Norm besser
als der nicht individuelle Individualismus). Werkbund
und Heimatschutz sollten gegen die gemeinsamen
Feinde zusammenstehen, die ihnen aus wirtschaftlichen
Interessen entgegenarbeiten.
Besonders eingehend wurde über die Ausbil-
dung der Architekten gesprochen. Prof. Schmidt
in Aachen wies darauf hin, daß die künstlerische Aus-
bildung der Architekten an den technischen Hoch-
schulen zu kurz kommen müsse, weil der Lehrplan
durch wissenschaftliche Anforderungen überlastet ist.
Gurlitt bezweifelte, daß eine Besserung durchführbar
sei, wenn nicht das System selbst geändert werde
und der Staat sich zwei Sorten Beamte zu erziehen
suche, Verwaltungsbeamte und Künstler, oder besser nur
Verwaltungsbeamte, und die künstlerischen Aufgaben
freien Künstlern übertrage. Das Grundübel sei die
 
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