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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 27.1911

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Heft 12
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Hoffmann, Richard: Typen bayerischer Dorfkirchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35084#0153

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1911, 12.

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Seite 143.

geradesogut Schloßtürme oder Stadt-
befestigungs- oder Tortürme sein.
Das wäre in Südbayern und nament-
lich in den altbayerischen Gebieten
undenkbar. Dort ist der Kirchturm eben
einzig und allein als Kirchturm ge-
kennzeichnet. Für Franken eigen-
tümlich sind Türme mit spitzen, acht-
seitigen Helmen, die aus Aufschieb-
lingen heraus sich entwickeln. Nicht
selten begnügte man sich bei statt-
licheren Dorfkirchen nicht mit einer
Turmspitze, sondern umgab den Haupt-
helm mit vier kleinen Ecktürmchen,
im Volksmunde die Evangelisten ge-
nannt. Eigenart fränkischer Kirchtürme
ist ferner die Verkleidung mit Schiefer,
namentlich an der Glockenstube. Der
fränkische Schiefer unterscheidet sich
wesentlich von dem unschönen soge-
nannten Schablonenschiefer, der —
leider in Altbayern nicht selten üblich




Kapelle zur Herrgottsruh in Mindelheim.
von Dorfkirchen sind, so viel des kunsthistorisch Interessanten, des
künstlerisch Schönen und des Lehrreichen für den Vertreter der
Denkmalpflege sowohl wie für den neuschaffenden Architekten ent-
halten sie.
Die Denkmalpflege wird ihre größte Aufmerksamkeit auf die Er-
haltung jener hohen Werte verwenden, welche selbst die einfachsten
Dorfkirchen besitzen. Mit schonendster Rücksichtnahme soll sie bei
notwendigen Änderungen vorgehen, immer darauf bedacht, das gute
Alte gegen jeden störenden Einfluß zu schützen.
Den neuschaffenden Architekten wird das eingehende Studium
der alten Dorfkirchen vor allem das Geheimnis ihres unvergleichlichen
Reizes enthüllen: es besteht in dem feinen Takt und sicheren Ver-
ständnis, womit der Baumeister sich innerhalb der bescheidenen
Grenzen des Ortsbildes gehalten und dem landschaftlichen Charakter
Rechnung getragen hat. Eine Dorfkirche darf eben nicht die ver-
kleinerte Ausgabe irgendeiner Stadtkirche sein. Vorbildlich ist ferner
das große Geschick, mit welchem Um- und Erweiterungsbauten aus-
geführt sind und das Alte soweit möglich erhalten und das Neue
mit schonender Rücksichtnahme auf harmonische Gesamtwirkung dem
alten Bestände angepaßt worden ist. Diesen künstlerischen Takt lassen
die Werke der Gegenwart leider noch allzuoft vermissen.

Kirche in Oberoffendorf, B.-A. Riedenburg.
und bei Dacherneuerungen gerne an-
gewendet — in den meisten Fällen
in seiner glatten, flächigen Art un-
malerisch und monoton wirkt. Der
fränkische Schiefer ist aber plastischer,
setzt sich schuppenförmig aneinander
und bringt infolgedessen auch Leben
und Stimmung in den Bau.
Der Turm der protestantischen
Kirche in Unterhohenried im Be-
zirksamt Haßfurt in Unterfranken ist
ganz echt fränkisch: achtseitiger Spitz-
helm mit Aufschieblingen, die Glocken-
stube mit Schieferverschalung. Da-
neben zeigt der Turm der katho-
lischen Kirche die gleichfalls in Franken
beliebte Art der Kuppelbekrönung,
und zwar in einer Form, die in Süd-
bayern fremd ist und mit vielen
Schloß- und Tortürmen übereinstim-
mende Motive aufweist.
So einfach und schlicht die
wenigen hier geschilderten Beispiele


Protestantische Kirche in Unterhohenried, B.-A. Haßfurt (dahinter die katholische).
 
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