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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

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Voepel, Otto: Was die Bayerische Gewerbeschau in München dem Architekten bietet
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https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0015
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der GiSenbearbeitung, So
dem Caien das Verständnis
für die formbehandlung des
Ulateriales erleichternd.

Wie fehr der moderne
Induftriebetrieb dem rein
handwerksmäßigen über-
legen ilt, fobald es lieh um
Herstellung non UlaSfen-
erzeugnitfen handelt, zeigt
deutlich die Gruppe der
ITleta 11 g eg enftä nd e.

Hier hat die Heranziehung
des beratenden und ent-
werfenden Künstlers durch
die Industriebetriebe Sehr
erfreuliche GrgebniSSe ge-
zeitigt. Beleuchtungskörper,

Heizmäntel finden mir in
ganz vorzüglicher Durch-
bildung. Besondere fr- Theodor Veil, ITlünchen
wähnung nerdient eine

feuersichere Türe aus gehämmertem fifen non Reinhold KirSch.

ftroas dürftig ift die Gruppe für Baukeramik beschickt. Hier
märe roohl mit den reichen mitfein moderner Glafurtechnik, non
denen die übrige, So Schön oertretene keramiSche Industrie beredtes
Zeugnis gibt, mehr zu erreichen geroefen. Immerhin finden mir
einige gute lllajoliken und Terrakotten, originelle Ofenkacheln und
Kachelöfen in gut durchgebildeten formen.

Dm reichhaltigsten il't naturgemäß der Innenausbau und die
ITlöbelfabrikation oertreten. Im GegenSaß zur Dusftellung im
Jahr 1908 hat man darauf
oerzichtet, ganze Räume
auszuStellen; das einzelne
Stück Soll für Sich Selber
Sprechen. Huch hier erwarte
man nicht Überraschungen,

Sondern, was mehr heißen
will, lediglich erStklaSSige
Hrbeit und eine Sicher-
heit der formgebung, die
in uns allmählich das
beruhigende Gefühl heroor-
ruft, daß nun endlich die
Periode des Taffens, Ver-
fuchens hier wenigstens
überwunden iSt. einfachSte
Gebrauchsmöbel für Küche
und Bureau, oolkstümlich
bemalte ITlöbel in ganz
entzückender Husführung
(wie Sie mangels alter Tra-
dition in keiner anderen
Gegend Deutschlands her-
geftellt werden können),
elegante Salonmöbel in
edelstem ITlaterial; Sie alle
zeugen oon der führen-
den Stellung ITlünchens
auf dieSem Gebiet. Ja, So-
gar als JTlaSSenmare für
den Baubedarf hergeStellfe
Typentüren finden wir hier
in So guter Husführung, daß
man Sie unbedenklich für
einfachere IHietshäufer,

Schulen und dergl, em-
pfehlen kann.

Jeden einzelnen der
in Sonderabteilungen oer-
tretenen Zweige des Kunft-
gewerbes finden wir dann
noch einmal in dem bunten
Durcheinander, das die
einzelnen fach Schulen
Bayerns als Probe ihrer
feiStungen auf allen diefen
Gebieten ausftellen; und
in diefer Abteilung finden
wir dann den SchlüSSel zu
der unbestrittenen Vorherr-
schaft Bayerns: die Grzie-
hung der Schaffenden in
ganz heroorragend or-
ganisierten und geleiteten
Kunftgewerbef ch ulen.
Diele Arbeiten aus der
fachSchule für Porzellan-
Raum für Damenmoden induftrie in Selb, für

Glasindustrie in Zwiefel,
aus den HolzSchnißfchulen in Partenkirchen, Berchtesgaden, Ober-
ammergau und Zwiefel, für Keramik in Candshut, für Korbflechterei
in Tichtenfels, aus der KunStgemerbeSchule in niiinchen (an der
Adalbert Aiemeyer und Richard Berndl erfolgreich wirken) Sind
qualitatio wohl das BeSte, was die Ausstellung bietet; und Sie
geben die Gewähr, daß das bayrifche KunStgewerbe auch in Zukunft
— wenn diefe Schüler AleiSter und Betriebsleiter Sein werden —
Sein hohes lTioeau behaupten wird.

So bietet die Gewerbefchau dem Architekten eine unend-
liche fülle oon Anregun-
gen, teils in den ausge-
stellten Gegenständen Selbst,
teils in der oorbildlichen
Art, wie Sie dargeboten
werden. Ganz zu Schweigen
oon den interessanten Son-
derftudien, zu denen Sich
hier Gelegenheit bietet. Um
nur ein Solches Gebiet zu
nennen: der Ornamentiker
findet in faft allen Gruppen,
auch in den oben nicht be-
sonders erwähnten für Tex-
tilindustrie und Buchkunst,
in der Ausschmückung der
Räume Selbst, auf Schritt
und Tritt reiches, zu neuem
Gestalten anregendes ma-
terial. Und er bemerkt mit
freudiger Genugtuung, wie
Sich auch auf dem Gebiete
des flächenfchmucßes all-
mählich die Seitherige Gigen-
brödelei und Willkür oer-
liert und eine gewiSSe har-
monische Ginheitlichkeit der
AufiaSSung, ein Parallelis-
mus des Strebens bemerk-
bar wird, der in uns die
Hoffnung erweckt, daß wir
oielleicht doch einmal in
absehbarer Zeit zu einer
einheitlichen Ausdrucks-
form im Schaffen des
20. Jahrhunderts, zu einem

Paul Tudwig Trooft (B.D.A.), ITlünchen

RepräSentationsraum in Halle III Stil gelangen werden.

flrchitektonüche Rundfchau 1913
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