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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

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Haeuselmann, Johann Friedrich: Die Baukunst in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0046
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Hälfte des Jahrhunderts
die Bahnhofanlage bis an
die Grenze diefes Stadt-
teiles gezogen rourde, roar
Stuttgart einer cueiteften
Gnfroicklung erfchloffen,
roas zeitlich mit dem
fliedergang derSchroefter-
ftadt im Reckartal, der
Bäderftadt Cannftatt, zu-
fammenfällt. Das mag
kommunalpolitifch für
Stuttgart roohl einen
Grfolg bedeutet haben,
ftädtebaulich bedeutete es
nichts meniger, als das nun rafch anfeßende Wachstum der Stadt
über die Hänge bis auf die Höhen zu beroältigen. Schon über die
erffen Kinderjahre diefer Gnf-
roicklung brach das allgemeine
Bauelend nach 1870 herein. So
entfaltete fich in der Bebauung
der Stuttgarter Hänge einmal
das ganze ftiliffifche Unuer-
mögen, in roürdiger Weife ge-
fördert durch den Ginfluß des
Baugefeßes. Wir kennen eine
BauordnungausdemJahre 1665.

Diefe roiederum ift mit Refkrip-
ten oerfehen,daruntereinefeuer-
polizeiuerordnung uon 1808, die
teilroeife in die Bauordnung oom
Jahre 1873 übergegangen find,
namentlich diefe feuerpolizei-
oerordnung fcheinf roie ein roter
faden durch das fpätere Bau-
gefeß zu ziehen. Die Bebau-
ung der Hänge und Höhen mit
ITliethäufern magzunächft über-
haupt unmöglich erfcheinen.

Indes ift es nicht fo fehr das
Wefen des tTliethaufes, das eine
künfflerifcheBebauungoonBerg-
roänden ohne roeiteres aus-
fchließen mul}. Die Abhänge
an den italienifchen, füdfran-
zöfifchen und fpanifchen Bergen
tourden auch mit Wohnhäufern
bebaut! Dies allerdings in einer
Zeit, da eine hohe Kunftblüte
bis in die kleinften Äderchen
fortroirkte; fo uermochte fich denn die Bebauung diefer Abhänge als
Bild uoll reizooll malerifcher Wirkung darzuffellen. Auch für Stutt-
gart märe dies möglich geroden, roenn die Triebkraft eine begna-
dete, künfflerifchegecoefen
märe. In Wahrheit find
dann einmal die geraden
Strafen über die Hänge
gezogen morden, und das
Baugefef] entfaltete feine
herrlichfte Blüte, denBau-
roich. Gs kommen die
langroeiligen Unterneh-

merfteinkäften, mit den
nor den Backfteinkörper
geklebten Hauftein- und
Pußfaffaden, der regel-
mäßigen Wiederkehr der
Grker, der mißlichen Aus-
bildung der in der fern-
anficht des Abhanges in
erfter Cinie heroortreten-
den Rückfronten mit Gifen-
oeranden dazu, um das
unglückliche Bild diefer
Höhenbebauung ooll zu
machen.

Die erffen \7erbeffe-
rungen fußen auf dem Sfadterroeiterungsplan Theodor non fifchers.
Gs ift auf Grund desfelben ficher manches oerhütet morden; die kiinftle-

rifche Ginficht allerdings ift noch
keinesroegs Gemeingut geroor-
den. Das neue Baugefeß uon
1911 kommt nun einer freieren
Bebauung immerhin efmas ent-
gegen. nachdem dies oorher
fchon infolge zufälliger Beftim-
mungen gelegentlich oon ein-
fichtigen Prioafarchifekten er-
reicht morden roar, find jeßt
bei roeifen Zroifchenabftänden
nur Reihenhäufer bis 40 m
möglich. Diefe länglichen Bau-
körper an den nun geroundenen
Straßen, alles in beroußt male-
rifcher Abfichf an die Bergroand
gefeßf, dürften fortan über die
Unglückszone hinaus immerhin
freundlichere Bilder für die
ITtiethausoiertel erzeugen. Gin
großer Teil der Hänge ift aller-
dings mit Tandhausbebauung
überzogen. Wenn auch in der
herrlichen Blütenpracht der
Hänge ältliche faffaden unfer-
gehen, ift gerade darin der neu-
zeit am Südabhang eine mit
dem Reichtum des llafurgeroan-
des ausgeglichene Bebauung ge-
lungen. Am nördlichen Abhang
ftehen die Häufer Glfäßer und
Hummel (Tafel 118 — 121), be-
redte Zeugen für eine künft-
lerifch mögliche Bebauung der Bergroände. für die Höhen haben fchon
oor Jahren oon fifcher, Gifenlohr und Haug abftandsroeife mächtige
gedrückte Baukörper geroünfcht. Aus früheren Zeiten fteht auf
einem der öftlichen Aus-
läufer die Villa Berg, und
Cudroig Gifenlohr hat den
nördlichen Bergrücken be-
reits mit zroeien folcher
Bauten gefchmückt.

Das 19. Jahrhundert
mar eben auch für Stutt-
gart mit politifcher Arbeit

Theodor uon fifcher Anficht oon der Das Kunftgebäude

(B.D.A.), JTlünchen Schloßgartenftraße in Stuttgart

lJidda Rümelin, ITlünchen

Holzfchnißereien als Türfüllungen am Kunft-
gebäude in Stuttgart

flrchitektonifche Rundlchau 1913
Seite 36
 
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