Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 29.1913

DOI Artikel:
Klapheck, Richard: Aus Rheinland und Westfalen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27734#0054
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Heimatfchutyntereffen haben auch auf die priuafe Bautätigkeit
Einflufj geroonnen. Jm Dienfte eines harmanifchen Ausbaues
der Stadt ift der Stadtbaurat gleichzeitig die Bauberatungsftelle.
Doch ganz inoffiziell, oon felbft geroorden durch das Vertrauen
einer bauluftigen Beoölkerung. Und das
ift gerade das Erfreuliche!

ITlan hat aber in Bielefeld nicht den
Eindruck, dafj man hier um jeden Preis
Heimatfchut] treibt, ich meine jenen Heimaf-
fchul3 der Schulmeiffer und Schwärmer, die
eigentlich das Gute der Heimatfchu^beroe-
gung nur in Verruf bringen. Die feilroeife
alfersfchroachen Giebelhäufer aus fach merk
find auf die Dauer ja doch nicht zu halten.

Sie find ein Teberoefen roie der ITlenfch,
deffen Uhrroerk eines Tages ftilleftehen muf3.

Wichtiger als der alte, fich felbft und anderen
zur £aft fallende ITlenfch ift für die Gegen-
coartderriachcDuchs und dieGefinnung diefes
Flachrouchfes. fTloderne Bauaufgaben, aus
uollkommen modernen Zroeckforderungen
ermachfen, mallen fich dem Tandfchaffs-
und Stadt- und Sfrafjenbilde anpaffen;

Handfchaft und Kunft, den ITlenfchenfchlag
und feine Betätigung roieder zu jener un-
lösbaren Harmonie zu oerbinden, jenem fo
felbffoerltändlichen, arganifch und natürlich
Geroachfenen, roas ja der Reiz der alten
Städte ift, das ift die Tätigkeit des Biele-
felder Heimatfchu^es.

Jn feinen neuen Stadtteilen zeigt nun
natürlich Bielefeld das übliche Strafjenbild
der neunziger Jahre des oergangenen Jahr-
hunderts. Der Eingang oom Bahnhof in
die Stadt ift ebenfo unerfreulich roie in
den meiffen Städten, das übliche Tohuroa-
bohu, diefer ITlangel an Anpaffung und
Zufammenhang. Die neueften Stadtteile
fuchen aber mit Gefchick einen Anfchlufj
an die Altftadt zu gewinnen, und in die
Stadt der neunziger Jahre find neue künft-
lerifche Akzente komponiert, die roie ein
Hoffnungsfchimmer in einer unerfreulichen
Umgebung aufleuchfen und für die Zu-
kunft ihre Rachbarfchaft nach fich gehalten
roerden.

Es find Rormaluhren und Wartehäus-
chen für die Strafgenbahnen, Umformer,

Schulen, feuerroachen und Polizeigebäude. Das oorliegende Heft
bringt eines diefer Polizeigebäude mit Dienffräumen im Unter-
gekhofs, oben eine Beamtenroohnung (Tafel 141). Verftändnisuoll
grüfjf diefer neue Giebelbau aus dem Bielefeld der neunziger Jahre
hinüber zu dem giebelreichen Altbielefeld, das fich mit feinen male-
rifchen Strafjenbildern und Gäfjchen zu füllen der Sparenburg an-

fiedelte. Das farbenfrohe Element der Altftadt lebt roieder auf
mit feinen trauten Giebelfolgen.

Vor allem aber hat Bielefeld in feinen neuen ITlilchhäuschen,
Bedürfnisanffalten und Wartehäuschen, die hier und da auf Plänen

und Promenaden oerteilt oder roie Garten-
häuschen in die Gartenmauer einer Strafjen-
flucht eingebaut find, ein neues belebendes
Element erhalten (Tafel 144). Es find
reizoolle, befcheidene, kleine und freund-
liche Gebäude mit offenen Säulenftellungen,
dem helleuchtenden Ziegeldach, das das
Grün der Bäume liebeooll befchattet. Ein
praktifcher Kopf roie der des Stadfbaurats
oon Bielefeld hat auch den milchausfchank
und die Telephonzelle für die Befriedigung
menfchlicher Bedürfniffe als nafroendig er-
achtet. Die Bielefelder öffentlichen Be-
dürfnisanftalten miiffen daher oielen Herren
dienen.

Die Bielefelder ftädtifche Bauoerroal-
fung hat einen oorbildlichen Hinroeis ge-
geben, roie man den Schmierigkeiten, die
die oerfchiedenen Behörden mit eigener
Bauoerroaltung für einen einheitlichen Aus-
bau einer Stadt mit fich bringen, begegnen
kann, für den Poft-, den JTlilitär-, den
Juftizfiskus find ja meilt nur llütjlichkeifs-
forderungen bei Heuhaufen maßgebend und
nicht die Anpaffung an den baulichen
Eharakter einer Stadt. Daher tragen heute
noch immer die ffaatlichen Behörden neben
dem Unternehmertum die Hauptfchuld an
der „Verfchandelung oon Stadt und Hand“,
dem JTlange] einer einheitlichen Bebauung.
Der Stadtbaurat oon Bielefeld hat mit
diplomatifcher Gefchicklichkeit die Schmierig-
keiten im Intereffe des Stadtbildes zu be-
ledigen geroufjt: Die Stadt hat dem JTlilitär-
fiskus den Bau der Offizier-Speifeanffalf ab-
genommen, der nun bei ihr zur miete roohnf
in dem fchönen Gebäude, das fich dem be-
roegten Gelände zu füfjen der Sparenburg
anzupaffen roeifj. Und ebenfo uerdankt
Bielefeld feinem oerdienftlichen Stadtbaurat
jene fuffermauer oon impofanfer Wirkung,
die das bergifche Tandfchaftsbild abfchliefjf
und anfänglich Bauaufgabe des Eifenbahn-
fiskus roar (Tafel 145)!

Die bisherige Tätigkeit des Stadtbaurates Schult; in Bielefeld hat in
der Anlage des Sennefriedhofes ihren Höhepunkt gefunden, die auf der
Diiffeldorfer Ausftellung das Hauptobjekt in der Abteilung Grün-
anlagen roar. Diefe geradezu oorbildliche Rlufteranlage oerlangt nach
einer eingehenden bildlichen und textlichen Darftellung, die die „Archi-
tektonifche Rundfchau“ in einem ihrer nächften Hefte bringen roird.

friedrich Schult],
Stadtbaurat
in Bielefeld

friedrich Schult], normaluhr in

Stadtbaurat fchmiedeeifer-

in Bielefeld nem Gehäufe

normaluhr in
fchmiedeeifer-
nem Gehäufe

flrchitektonifche Rundtchau 1915
Seife 44
 
Annotationen