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Arndt, Paul
Studien zur Vasenkunde — Leipzig, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.33498#0092
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tümlichkeiten konventionell festgehnlten ha,t. Ist doch auch in
der Zeichnung dcr gebundene Stil keincswegs konscquent duich-
geführt, sondern gewahren wir namentlich in der Bildung der
Augen, welche bald en face, bald im Prohl wiedergegeben sind,
ein merkwiirdiges Schwanken. Jedenfalls verrät der ganze Geist,
welcher in der Darstellung herrscht, eine eminent charakteristi-
sche Richtung und eine Fähigkeit zu individualisieren, welche,
soweit gegenwärtig unsere Kenntnis der griechischen Kunst reicht,
nicht auf die letzten Jahrzehnte des 5. Jahrh., sondern auf be-
trächtlich spätere Zeit hinweisenat AIso gerade das Gegenteil von
dem, was Furtwängler sagt, welcher das Gefäss in die Nähe eines
der Hauptmeister des streng-rotf. Stiles rückt. Wer hat Recht?
Ich glaube: beide und doch keiner. Wir mögen Furtwängler die
Verwandtschaft der Malerei mit solchen des Rrygos wohl zu-
geben, diirfen aber andererseits gewiss nicht die Richtigkeit der
Helbigschen Beobachtungen leugnen, wenn schon sein Ausweg
einer merkantilen Tradition entschieden abzulehnen ist. Die Lö-
sung? Unsere Schale stammt aus späterer Zeit, als sie vorgiebt,
und Brygos auch: damit sind alle Schwierigkeiten auf das Ein-
fachste beseitigt.
37. Ich kehre zu Lysipp zurück. Schwerlich vor seiner Zeit,
vielmehr sicher in der nachpraxitelischen Epoche, müssen die Ori-
ginale der in mehreren Wiederholungen (z. B. Glyptothek Nr. 98)
erhaltenen Silensstatuen mit dickem Bauch und zierlichen Füssen
entstanden sein. Bei ihnen sehen wir zuin ersten Male in grie-
chischer Plastik die Angabe der Ilaare an Brust, Bauch und
Beinen. Dieser Realismus, der dem halbtierischen Charakter
dieser Dämonen wohl entspricht, hndet sich bei Wesen höherer
Gattung in jencr Zeit noch nicht. Unter den Werken der ersten
pergamenischen 8ehule hat nur der Gigant der Attalidengruppe
Haarc an Brust und Achselhöhlen, ebenso wie der ungefähr der-
selben Zeit angehörige Marsyas in Berlin: beides ebenfalls Wesen
nicht rein menschlicher oder göttlicher Art. Demnach muss, um
nur besonders auftallende Beispiele zu erwähnen, die behaarte
Brust des gigantenbekämpfenden Poseidon auf der Vase des Aristo-
phanes und Erginos (Berlin 2531), die Furtwängler der ))älteren
Ilälfte des schönen StilsK zuschreibt, wenn das Gefäss wirklich
in dieser Zeit und nicht 100 Jahre später entstanden wäre, unser
 
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