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Hier war es dem Künstler gegönnt, seinen Werken die höchste Weihe
der Kunst zu gehen, hier hörte er auf, bloss als ängstlicher Diener der
Nützlichkeit für das physische Bedürfniss zu sorgen, und konnte auch auf
die Veredlung der Menschen wirken. In solch' glücklichen Zeiten, wo
dem Künstler keine Mittel fehlten, ihm aber auch durch Gesetze nicht
gestattet war, dem Spiel der Phantasie sich Preis zu geben, konnte der
Genius des Schönen und Erhabenen jeden bedeutenden Schritt im Menschen-
leben mit seinen Kunstwerken bezeichnen, und dadurch seinen Zeitgenossen
eine freundliche Erinnerung der spätesten Enkelwelt gewähren.

Unter Alexander dem Grossen erhielt sich noch die schöne reine Bau-
kunst, sie ging zwar zuletzt mehr in das Prachtvolle und Ueberflüssige
über, aber man traf immer das Mittel zwischen Einfachheit und Ueber-
ladung. Man suchte Verzierungen nur da anzubringen, wo durch ihre
allegorische Darstellung der Zweck und Charakter des Gebäudes mehr
ausgedrückt werden konnte. Diese Verzierungen gingen durch alle Theile
eines Gebäudes, doch war immer die Schönheit dem Zweck angemessen.

Aber nicht länger sollte die erhabenste Stufe der Kunst erhalten werden,
unter seiner Begierung verband sich noch Kraft mit Güte und Einsichten.
Er erbaute nicht nur prachtvolle Gebäude, sondern legte in allen Län-
dern, die er durchzog, neue Städte an; worunter achtzehn waren, die
seinen Namen trugen, von welchen aber Alexandrien in Egypten die
berühmteste war. Diese Stadt wurde unter der Leitung des Dinocrates
aus Macedonien angelegt, von einem Künstler, der durch einen glücklichen
Zufall die Liebe zu seinem Fache befriedigt sah. Ein • entsprechender
Beweis, welch' hoher Zeitgeist die Künstler damals belebte, und wie
günstig sie beurtheilt wurden, ist die Stelle aus dem Vitruv, die ich hier
als Beispiel anzuführen mir erlaube (Vitruv lib. II, prsedit.).

« Alexander bemerkte unter dem Volk den Fremdling Dinocrates aus
Macedonien in einer ganz fremden Tracht, und fragte ihn, wer er seye.
Ich bin, antwortete der Baukünstler, Dinocrates aus Macedonien; ich
bringe die Entwürfe und Zeichnungen, die deines Ruhmes würdig sind.
Ich habe den Berg Athes in Gestalt einer männlichen Bildsäule vorgestellt,
welche iu der linken Hand eine grosse Stadl hält, in der rechten aber
 
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