tisches Bedürfnis“.10 Kunstwerke, die nachweis-
lich von Nicht-Mohammedanern und für Nicht-
Mohammedaner geschaffen wurden, lassen sich
durchaus als Werke der islamischen (türkischen,
iranischen, arabischen usw.) Kunst interpretie-
ren, obwohl (gerade weil?) hier kein direkter
Bezug zum Glaubensbekenntnis besteht.
Die Wandlung von der Indifferenz zur Oppo-
sition gegenüber der Kunst, besonders bildlicher
Art, die folglich in der Mitte des 8. Jahrhunderts
zur religiösen Uminterpretation des Lebens des
Propheten und zum Verbot der Darstellung von
Menschen und Tieren führte, hat kulturelle und
soziologische, konkret und historisch beweisba-
re Ursachen, auf die wir hier nicht ausführlich
eingehen müssen. Der Hauptstoß ist nicht ge-
gen das Kunstwerk und den Wunsch, ein „schö-
nes“ Ding zu besitzen, als vielmehr gegen den
Maler als Schöpfer von tatsächlichem oder po-
tentiellem Leben und so als den Konkurrenten
von Gott gerichtet. Insofern ein ähnliches Ver-
bot auch in den Schriften der jüdischen Religi-
onsausleger vorkommt, tauchte in der Vergan-
genheit auch des öfteren die Theorie eines grund-
legenden semitischenWiderstands gegen Bilder
und Abbildungen auf. Die archäologischen Aus-
grabungen besonders aus der letzen Zeit wider-
legten definitiv diese mythologisch-rassistischen
und ideologischen Vermutungen und regten an,
die „Lösungen“ in den konkreten historischen
Umständen und nirgendwo anders zu suchen.11
Trotz der Wörter des Alten Testaments: „Du
sollst dir kein Gottesbild machen, keine Darstel-
lung von irgend etwas am Himmel droben, auf
der Erde unten oder im Wasser unter Erde“, ist
die prinzipielle ideologische Toleranz und
Gleichgültigkeit gegenüber der Kunst besonders
am Beispiel der jüdischen Religion zu bewei-
sen. Das mosaische Verbot richtet sich gegen die
Idole polytheistisch orientierter Gesellschafts-
ordnungen. Dort, wo diese nicht die Religion und'
Stammeinheit des Volkes gefährdet, und wo ein
Rückfall in den Götzendienst nicht bevorsteht,
ist die Freiheit der Kunst und des Handwerks
sogar von strengen Religionshütern gewährlei-
stet. Die Ausgrabungen der Synagoge in Dura-
Europas mit ihren figurativen Darstellungen
wirkten 1932 mindestens so revolutionär wie
1890 die Entdeckungen der Wandmalereien von
Qusair Amra in bezug auf die islamische Kunst.
Unter dem Einfluß dieser neuen Kenntnisse hat
der Wiener J. Strzygowski („Orient oder Rom“),
wie bekannt, die frühchristliche Bildkunst aus
der älteren jüdischen abgeleitet. Obwohl heute
auch die israelitischen Gelehrten selbst die Hy-
pothesen Strzygowskis ablehnen,12 ist unbestreit-
bar, daß trotz der Strenge ihrer Religion die Ju-
den die wichtigsten Beiträge der alt-ägyptischen,
syro-phönizischen, griechischen und dann hel-
lenisch-römischen Weltkultur der Geschichte
vermittelten. Nur in Ausnahmefällen (so im 1./
2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, in Alexan-
dria u.a.) bestanden die Rabbiner auf dem bibli-
schen Bilderverbot.
Am deutlichsten ist der gleichgültige Zugang
von Mohammedanern und Juden zur bildenden
Kunst mit dem von Bettelmönchen und dann
Protestanten, in erster Linie lutherischer Prägung,
zu vergleichen. So oder so bilden auch die nicht-
christlichen monotheistischen Religionen nichts
grundsätzlich Neues gegenüber der schon be-
schriebenen Problematik der Kunst- und Religi-
onsphänomenologie der Antike und des histori-
schen Katholizismus.
2. Der Prüfstein der modernen Kunst
Die Selbständigkeit der Frage der Phänome-
nologie von Kunst taucht in vollem Ausmaß nur
in der ziemlich veränderten Fragestellung der
Kunstkultur seit Ende des 18. Jahrhunderts von
neuem auf. Die Kirche hat in dieser Zeit schon
aufgehört, das Experimentierfeld der Gesamt-
kunst zu sein, und die Lücke, die durch die Ab-
wesenheit von öffentlichen Aufträgen entstanden
ist (neben der Kirche ist auch das Schloß schon
nicht mehr in der Lage, als Kulturträger weiter
aufzutreten), bringt eine völlig neue soziologi-
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lich von Nicht-Mohammedanern und für Nicht-
Mohammedaner geschaffen wurden, lassen sich
durchaus als Werke der islamischen (türkischen,
iranischen, arabischen usw.) Kunst interpretie-
ren, obwohl (gerade weil?) hier kein direkter
Bezug zum Glaubensbekenntnis besteht.
Die Wandlung von der Indifferenz zur Oppo-
sition gegenüber der Kunst, besonders bildlicher
Art, die folglich in der Mitte des 8. Jahrhunderts
zur religiösen Uminterpretation des Lebens des
Propheten und zum Verbot der Darstellung von
Menschen und Tieren führte, hat kulturelle und
soziologische, konkret und historisch beweisba-
re Ursachen, auf die wir hier nicht ausführlich
eingehen müssen. Der Hauptstoß ist nicht ge-
gen das Kunstwerk und den Wunsch, ein „schö-
nes“ Ding zu besitzen, als vielmehr gegen den
Maler als Schöpfer von tatsächlichem oder po-
tentiellem Leben und so als den Konkurrenten
von Gott gerichtet. Insofern ein ähnliches Ver-
bot auch in den Schriften der jüdischen Religi-
onsausleger vorkommt, tauchte in der Vergan-
genheit auch des öfteren die Theorie eines grund-
legenden semitischenWiderstands gegen Bilder
und Abbildungen auf. Die archäologischen Aus-
grabungen besonders aus der letzen Zeit wider-
legten definitiv diese mythologisch-rassistischen
und ideologischen Vermutungen und regten an,
die „Lösungen“ in den konkreten historischen
Umständen und nirgendwo anders zu suchen.11
Trotz der Wörter des Alten Testaments: „Du
sollst dir kein Gottesbild machen, keine Darstel-
lung von irgend etwas am Himmel droben, auf
der Erde unten oder im Wasser unter Erde“, ist
die prinzipielle ideologische Toleranz und
Gleichgültigkeit gegenüber der Kunst besonders
am Beispiel der jüdischen Religion zu bewei-
sen. Das mosaische Verbot richtet sich gegen die
Idole polytheistisch orientierter Gesellschafts-
ordnungen. Dort, wo diese nicht die Religion und'
Stammeinheit des Volkes gefährdet, und wo ein
Rückfall in den Götzendienst nicht bevorsteht,
ist die Freiheit der Kunst und des Handwerks
sogar von strengen Religionshütern gewährlei-
stet. Die Ausgrabungen der Synagoge in Dura-
Europas mit ihren figurativen Darstellungen
wirkten 1932 mindestens so revolutionär wie
1890 die Entdeckungen der Wandmalereien von
Qusair Amra in bezug auf die islamische Kunst.
Unter dem Einfluß dieser neuen Kenntnisse hat
der Wiener J. Strzygowski („Orient oder Rom“),
wie bekannt, die frühchristliche Bildkunst aus
der älteren jüdischen abgeleitet. Obwohl heute
auch die israelitischen Gelehrten selbst die Hy-
pothesen Strzygowskis ablehnen,12 ist unbestreit-
bar, daß trotz der Strenge ihrer Religion die Ju-
den die wichtigsten Beiträge der alt-ägyptischen,
syro-phönizischen, griechischen und dann hel-
lenisch-römischen Weltkultur der Geschichte
vermittelten. Nur in Ausnahmefällen (so im 1./
2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung, in Alexan-
dria u.a.) bestanden die Rabbiner auf dem bibli-
schen Bilderverbot.
Am deutlichsten ist der gleichgültige Zugang
von Mohammedanern und Juden zur bildenden
Kunst mit dem von Bettelmönchen und dann
Protestanten, in erster Linie lutherischer Prägung,
zu vergleichen. So oder so bilden auch die nicht-
christlichen monotheistischen Religionen nichts
grundsätzlich Neues gegenüber der schon be-
schriebenen Problematik der Kunst- und Religi-
onsphänomenologie der Antike und des histori-
schen Katholizismus.
2. Der Prüfstein der modernen Kunst
Die Selbständigkeit der Frage der Phänome-
nologie von Kunst taucht in vollem Ausmaß nur
in der ziemlich veränderten Fragestellung der
Kunstkultur seit Ende des 18. Jahrhunderts von
neuem auf. Die Kirche hat in dieser Zeit schon
aufgehört, das Experimentierfeld der Gesamt-
kunst zu sein, und die Lücke, die durch die Ab-
wesenheit von öffentlichen Aufträgen entstanden
ist (neben der Kirche ist auch das Schloß schon
nicht mehr in der Lage, als Kulturträger weiter
aufzutreten), bringt eine völlig neue soziologi-
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