6. Jan Matějko: König Stephan
Bataty bei Pskow, 1872. Repro:
POPRZF-CKA, M.: Arcydziela
malarstwa polskiego. Warsza-
wa 1997.
nationalkonservative Historiographie wählte zum
ideologischen Patron Staňczyk, einen Hofnarren
aus den Zeiten Sigismunds des Ersten (des Alten),
der nationale Klugheit symbolisierte. Staňczyk war
auch eine Lieblingsfigur Matejkos, der ihm auf den
Bildern die eigenen Gesichtszüge verlieh.
Der große Maler (von winziger Körpergröße — er
war ungefähr so groß wie Adolph Menzel) wurde
1838 in Krakau, der alten Hauptstadt Polens, geboren
und starb 1893 ebenda. Seine Familie stammte aus
Prag. Mit seinen Bildern erzählte er nicht nur die
wichtigsten Ereignisse der polnischen Geschichte,
er legte die historischen Prozesse auch aus und
unterschied sich damit von Hans Makart, der seine
großformatigen Gemälde gleich lebenden Bildern
inszenierte. In der Malerei Matejkos erreichen die
geschichtsphilosophischen Tendenzen polnischer
Geschichtsmalerei ihren Gipfelpunkt. Es ist erstaun-
lich, dass die historische Exaktheit für Matějko zweit-
rangig gewesen zu sein scheint. Obgleich die von ihm
benutzten Requisiten oft aus verschiedenen Epochen
stammen, sind sie wesentliche Bedeutungsträger. Wir
sehen auf seinen Bildern sowohl alte Tracht, die er
genau studierte, als auch zeitgenössische Kleidung,
beispielsweise die des Krakauer Volkes oder der
Gebirgsleute, und neben historischen Waffen sind
ebenso zeitgenössische Metzgerbeile zu sehen.
Weiterhin ist noch zu erwähnen, dass Matějko die
Modelle für seine Bilder unter seinen Bekannten
auswählte, die diese Möglichkeit, an der Entstehung
eines nationalen Kunstwerks teilzunehmen, als große
Ehre betrachteten.
Obgleich Matějko in seinen großformatigen
Kompositionen von einem bestimmten Ereignis
ausging, hat die Erzählung immer eine Vor- und eine
Nachgeschichte.
Die Kritik machte Matějko oft den Vorwurf,
dass seine Geschichtserzählung historisch ungenau
sei. Er benutze historisch falsche Requisiten, stelle
Personen dar, die bei dem gezeigten Geschehen
nicht anwesend waren bzw es gar nicht gewesen
sein konnten.
Das Gemälde KönigStephan Batory bei Pskow (1872)
beispielsweise, das viele Autoren für eines der bes-
ten Gemälde Matejkos halten, bringt Episoden aus
dem polnisch-russischen Krieg um Kur- und Liv-
land und Weißrussland aus den Jahren 1578 — 1582
zusammen [Abb. 6]. Auf dem Bild ist einerseits die
Gesandtschaft der Moskauer Bojaren dargestellt, die
der König 1580 bei Wielkie Luki empfing, aber es
ist auch der Nuntius Antonio Possevino verewigt,
der in den Waffenstillstandsverhandlungen ab 1581
vermittelte (der Krieg wurde im Januar 1582 mit Un-
terzeichnung des Friedensvertrags in Jam Zapolski
beendet). Die Chronisten und Daten ignorierend,
baute Matějko eine Synthese des Konflikts mit
Russland. Die einzelnen Personen sind auf dem
Bild die Träger von verschiedenen Ideen. Der Maler
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