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Ars: časopis Ústavu Dejín Umenia Slovenskej Akadémie Vied — 48.2015

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Pelc, Milan: Der Manierismus zwischen gegensätzlichen Urteilen: der Fall Grgo Gamulin
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https://doi.org/10.11588/diglit.52446#0185

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ter Josef Stalins und einer der führenden Ideologen
der sowjetischen Kulturpolitik.8 Das von ihm und
anderen sowjetischen Theoretikern für die darstel-
lenden Künste und Literatur postulierte Dogma
eines sozialistischen Realismus wurde im Jugosla-
wien der unmittelbaren Nachkriegszeit von einer
nicht unbedeutenden Reihe von Intellektuellen und
Kunstkritikern propagiert. Nach dem sowjetischen
Vorbild betrieb die Kommunistische Partei in allen
jugoslawischen Teilrepubliken ihre Propaganda
und Zensur durch Agitprop, in deren Händen die
Kontrolle über das gesamte Kulturleben lag. In Kro-
atien war die Agitprop-Kontrolle bis in die frühen
1950er Jahre hinein wirksam.9 Nach dem Untergang
des kommunistischen Regimes haben sich manche
der ehemaligen Vertreter doktrinärer Engstirnigkeit
gefragt, wie solch eine ideologische Blendung der
intellektuellen Elite, die an einen kulturpolitischen
Messianismus grenzte, überhaupt möglich war.10
Einer der führenden Kunstideologen im Sinne der
kommunistischen Doktrin in Kroatien war in den

8 BOTERBLOEM, K.: The Life and Time of Andrei Zhdanov
1886-1948. Ithaca-New York 2004; BAUDIN, A.: „Why is
Soviet painting hidden from us?“ Zhdanov Art and its Inter-
national Relations and Fallout 1947—1953. In: LAHUSEN,
Th. — DOBRENKO, E. (Hrsg.): Socialist Realism withoutShores.
Durham-London 1997, S. 227-256.
9 SARIC, T: Djelovanje Agitpropa prema književnom radu i
izdavaštvu u NRH1945-1952 [Die Wirkung der Agitprop auf
das literarische Leben und das Verlagswesen in der Volksre-
publik Kroatien 1945—1952]. In: Radovi — Závod hrvatsku
povijest [Schriften des Instituts für kroatische Geschichte], 42,
2010, S. 387-424. Zur Kunst und Kunstkritik dieser Zeit vgl.
KOLESNIK, Lj.: fmedu Istoka i Zapada. Arvatska umjetnost
i likovna kritika 50—ih godina [Zwischen Osten und Westen.
Kunst und Kunstkritik in den 1950er Jahren in Kroatien].
Zagreb 2006, besonders S. 111-122.
10 „Das, was unsere alltägliche Realität war, erscheint heute
jungen Menschen und sogar uns selbst als eine erfundene
Welt.“ So schrieb die bekannte Kunsthistorikerin der Nach-
kriegszeit und Anhängerin der kommunistischen Doktrin im
ehemaligen Jugoslawien, Vera Horvat Pintaric, in: HORVAT
PINTARIC, V: Svjedok u slici. Nove figure nove stvarnosti u eri
moderne [Der Zeuge im Bild. Neue Figuren für neue Reali-
täten in der Ära der Moderne]. Zagreb 2001, S. 7. In einem
späteren Interview findet sie Rechtfertigung im „Glauben an
die gerechten Ziele, oder was wir uns darunter vorstellten“:
HORVAT PINTARIČ, V: Antike i eseji [Kritiken und Essays].
Zagreb 2012, S. 527.

ersten Nachkriegs jähren gerade Grgo Gamulin.11 Als
ein aktiver und überzeugter Vorkämpfer der Ästhetik
des sozialistischen Realismus schrieb er eine Reihe
von Aufsätzen und Kunstkritiken, in denen er sich
für die sozialistischen Werte im Kunstschaffen ein-
setzte. Soweit man das aus heutiger Sicht feststellen
kann, tat er dies größtenteils aus persönlicher Über-
zeugung, teilweise aber auch — wie viele andere — aus
Konformismus, vielleicht sogar aus Angst.
Nach der Resolution des Informbüros im Juni
1948 kam es zum Ausschluss der Kommunistischen
Partei Jugoslawiens aus dem Bund der unter sowjeti-
scher Führung stehenden kommunistischen Parteien
und zum Bruch Josip Broz Titos mit Josef Stalin.
Bis 1952 vollzog sich in Jugoslawien eine vollstän-
dige Abkehr von der sowjetischen Doktrin, wobei
die Kulturideologen ihre Loyalität gegenüber der
jugoslawischen Kommunistischen Partei zu bewei-
sen suchten. Es waren gefährliche Zeiten. Auf einer
Adria-Insel namens Go/i otok (kroatisch für „kahle In-
sel“) ließ Tito 1949 ein Deportationslager erbauen, in
11 GALJER,J.: Likovna kritika uhïrvatskoj 1868— 1951 [Kunst-
kritik in Kroatien 1868—1951], Zagreb 2000, S. 314-335;
KOLEŠNIK 2006 (wie Anm. 9), S. 38 f. Dass Gamulin
die programmatischen Schriften Zdanovs gut gekannt
hat, bezeugen die Belege in seiner Abhandlung zur Prob-
lematik der sozialistischen Kunsttheorie: GAMULIN, G.:
Opča teorija umjetnosti kao teorija socijalističkog realizma
[Allgemeine Kunsttheorie als Theorie des sozialistischen
Realismus], In: Zbornik radova, Sveučilište u Zagrebu, Filo^pfski
fakultet [Schriften der Universität Zagreb. Philosophische
Fakultät]. Zagreb 1951, S. 155-185. Dazu vgl. besonders
MAROEVIČ, T: Ideje socrealizma u kritičkoj praksi Grge
Gamulina. Několiko primjera iz vruéih, militantnih godina
(1945—1950) [Ideen des sozialistischen Realismus in der
kunstkritischen Praxis von Grgo Gamulin. Einige Beispiele
aus den heißen, militanten Jahren (1945-1950)]. In: Desniäni
susreti 2009. Zbornik radova [Treffen zu Ehren von Vladimir
Desnica 2009. Berichte]. Zagreb 2011, S. 28-42. In Serbien
(mit Einfluss auf ganz Jugoslawien) diktierten die Kulturpo-
litik v. a. Milovan Dilas (1911—1995) und Radovan Zogovic
(1907-1986), beide gebürtig aus Montenegro. In Slowenien
war Boris Ziherl (1910—1976) der führende Parteiideologe.
Vgl. MUROVEC, B.: „Anyway, the question of person-
nel is rather difficult ...“. Some Observations on Political
Influence on Art (History) in Slovenia. In: Acta FListoriae
Artis Slovenica, 19, 2014, Nr. 1, S. 143-154. Jedem dieser
Kulturideologen wurde in den 1950er Jahren sein eigenes
politisches Schicksal zuteil.

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