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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 14.2003

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[Rozprawy]
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Woldt, Isabella: Lord Shaftesbury und die Künstler
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https://doi.org/10.11588/diglit.28200#0138
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LORD SHAFTESBURY UND DIE KUNSTLER

135

Das Manuskript belegt, daB Shaftesbury sich in den Plasticks auf die
konkreten Beispiele kiinstlerischer Arbeit konzentriert. Sein Urteil ist
immer wieder zwiespaltig - wahrend er den Kiinstler fiir einige Werke
schatzt, verurteilt er ihn wiederum fur andere Arbeiten. Ahnlich geht er
bei Annibale Carracci vor. Er móchte ihn mit Respekt in bezug auf seine
Leistung in der Galleria Farnese in Rom behandeln, denn hier, so Shaf-
tesbury, erkennt er die Reflexion des Kiinstlers iiber antike Formen und
das Studium der Arbeiten von Raffael (Abb. 19)97. Er tadelt Carracci aber
fiir die theatralische und gekiinstelte Darstellung in seinem Gemalde
Christus und die Samariterin am Brunnen (Abb. 20)98. Das Gemalde
zeigt Jesus, der am Brunnen - an dem einst Urvater Jakob auf Rachel
traf - auf die Wasser holende Frau aus Samaria trifft. Er vergleicht das
Wasser des Brunnens mit dem Wasser des Lebens und dem Symbol der
Taufe (Joh. 4, 7-29). Das Geschehen ist zentral dargestellt, beide Figuren
- Jesus links sitzend und die Samariterin rechts stehend - sind um den
Brunnen, der in der Mitte plaziert wurde, versammelt. Jesus, die Frau
aufmerksam anschauend, gestikuliert mit den Handen, wobei der Zeige-
finger seiner rechten Hand zur geoffneten Handflache der linken in Rich-
tung auf die Frau weist". Diese, in Gedanken yersunken, schaut nicht zu
Jesus, sondern hinunter zum Wasserbehalter, den sie mit den Finger-
spitzen der linken Hand beriihrt. Die Szene ist auf einer Anhohe pla-
ziert, die Landschaft erstreckt sich in weite Ferne, aus der die Apostel
herankommen. Lediglich ein Baum direkt hinter der Frau und dem
Brunnen verhindert, daB der Betrachter glaubt, die Szene sei nicht auf
der Erde, sondern im Himmel. Im Vergleich zu zeitgenóssischen Gemal-
den mit diesem Gegenstand, wie z.B. Veroneses Bild100, erscheint die
Szene altertiimlich und klassisch101, Shaftesbury jedoch bezeichnet die
Handlung, trotz der eigenen klassischen Tendenzen, ais theatralisch. Er
yergleicht die Gesten mit den ausschweifenden Gebarden eines Geistli-
chen auf der Kanzel („Pulpit Action”) und mit der Geste in dem Bild
eines Kiinstlers aus dem katholischen Ausland, wo der Dargestellte mit
einem Finger seine Brust beriihrt, wahrend andere Finger sich in einer

97 In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Shaftesbury Carraccis Gemalde
Herkules am Scheideweg, welches einen Teil der Galleria bildete, gesehen hat. Denn dieses
Thema bildet das Zentrum seiner Abhandlung iiber das Historiengemalde in der Notion.
98 SE, 1,5, S. 210.
99 Hochstwahrscheinlich stellte Carracci hier den Moment der Geschichte dar, ais
Jesus ihr die funf Ehemanner die sie bereits hatte, aufzahlt.
100 Abbildung in F. Klauner, Die Gemaldegalerie des Kunsthistorischen Museums in
Wien. Vier Jahrhunderte europdischer Malerei, Salzburg, Wien 1978, S. 277, Abb. 138.
101 Ebd. S. 274 f.
 
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