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Instytut Historii Sztuki <Posen> [Hrsg.]
Artium Quaestiones — 25.2014

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Rozprawy
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Helten, Leonhard; Kunst, Hans-Joachim [Gefeierte Pers.]: Um 1300. Neue Formen der Repräsentation im Kirchenbau: Hans-Joachim Kunst zum 85. Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.42379#0015
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UM 1300. NEUE FORMEN DER REPRÄSENTATION IM KIRCHENBAU

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likation am Limburger Dom19. Und das aufwendige Strebewerk der Pari-
ser Kathedrale stand noch dem jungen Pieter Cornelisz. Hooft vor Au-
gen, als er am 18. Februar 1599 auf seiner Reise durch Frankreich nach
Italien auf der île de la Cité mit der Nüchternheit eines echten nieder-
ländischen Kaufmannssohns in sein Reisetagebuch notierte: „Hier op is
gebouwt de kerck de nostre Dame, een stuck werx sijnde, dat niet schoon,
maer wter maete groot is ende veel gecost moest hebben (...)”2°. (Hierauf
ist die Kirche Notre-Dame gebaut, ein Bauwerk, das nicht sehr gepflegt,
aber ganz außergewöhnlich groß ist und viel gekostet haben muß. L.H.)
Der Strebebogenkranz ist sicherlich der prominenteste genuin basilikale
Bauteil einer Furche, der Verzicht darauf mag andere Bautypen begüns-
tigt haben. Ganz anders die neuen großen Maßwerkfenster: mit der neu-
en standardisierten Vergrößerung über vier- und sechsbahnige hohe
Fenster ermöglichte gerade die Hochführung der Seitenschiffwand bei
identischem Grundriß eine ungleich größere repräsentative Wirkung so-
wohl im Inneren der Kirche, aber auch des Außenbaus, wie der Vergleich
des Meißner Langhauses mit den beiden basilikalen Rekonstruktions-
zeichnungen für die erste Langhausplanung nach Edgar Lehmann und
Ernst Schubert sofort erhellt21.
Die Rekonstruktion in spätromanischen Stilformen geht von einem
sechsteiligen Gewölbe aus und bescheidenen spitzbogigen Fensteröff-
nungen in den kleinteiligen Wandflächen von Seitenschiff und Oberga-
den, in denkbar größtem Kontrast zur monumentalen Architektur des
Domchores. Auch wegen der bereits angelegten kräftigen Strebepfeiler
verwerfen Lehmann und Schubert diese Rekonstruktion ebenso wie jene
in frühgotischen Formen und mit Strebewerk, und zwar wiederum wegen
der Fenster, die hier vierbahnig angelegt die Kämpferlinie nur knapp
über der Fenstersohlbank ansetzen lassen. Mit den Worten von Leh-
mann und Schubert: „Die Rekonstruktionszeichnungen beider Möglich-
keiten (...) zeigen deutlich deren Unerfreulichkeit”.

19 W. Metternich, Der Dom zu Limburg an der Lahn, Darmstadt 1994, S. 154f. Um-
gekehrt werden Abweichungen auf lange fortwirkende unterschiedliche Bautraditionen
zurückgeführt, so im Verhältnis der Kathedrale von Reims zum Verdener Dom noch bei
Kunst, der zunächst konstatiert: „... nur die Reimser Chorkonzeption kann der künstleri-
sche Ausgangspunkt für die Verdener Chorlösung gewesen sein”, Kunst 1969 [1], S. 50,
um dann fortzufahren „Allein durch das Fehlen des Kapellenkranzes wird deutlich, daß
die Verdener Chorlösung zugleich eine Vereinfachung im Sinne der deutschen Tradition
der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts darstellt”. Kunst 1969 [1], S. 54f.
20 Zitiert nach W.H. Vroom, De financiering van de kathedraalbouw in de middeleeu-
wen in het bijzonder van de dom van Utrecht, Maarssen 1981, S. 15.
21 Lehmann/Schubert 1968 [11], S. 50f., Abb. 15 u. 16.
 
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