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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0023

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vergleichbares Tuch, mit dem die Venatores die Tiere in der Arena reizen sollten. Es unterliegt also keinem
Zweifel, daß auf diesem Sarkophag der allgemeine Typus der Hippolytossarkophage den Wünschen eines
Mannes angepaßt wurde, der von Beruf Venator war und daher einen besonderen, persönlichen Bezug
zu dem Jagdbild in mythischem Gewand herstellen konnte.

Bei der Umgestaltung des den Hippolytossarkophagen zugrundeliegenden Typus für den Sarkophag eines
Venators ist nun nicht einfach die Amme in Diana und Hippolytos in den Venator umgewandelt worden,
wie zuletzt noch Pelikan42 annahm, denn die Amme legt Hippolytos die Hand nicht auf die Brust, und
Hippolytos drückt immer seinen Abscheu vor dem Liebesantrag der Stiefmutter aus, indem er entweder
den rechten Arm in einem beschwörenden Abwehrgestus erhebt43 oder ihn mit einer beteuernden Gebärde
vor die Brust legt44. Mit gesenktem linken Arm hält er die Lanze, während der Venator sich mit der
erhobenen Linken auf die Lanze stützt und den rechten Arm mit dem sagum herabhängen läßt. Auch das
Standmotiv des Venators ist ein völlig anderes als das des in Abscheu sich aufrichtenden Hippolytos. Mit
zur Seite gesetztem linken Spielbein läßt der Venator den Körper S-förmig zu Diana hinschwingen in
einer Haltung der Zuneigung, wie man sie bei den Paaren auf Hochzeitssarkophagen43 beobachtet. Diese
Haltung drückt die enge Verbundenheit des Venators mit seiner Schutzgöttin Diana aus. Nicht vom Hippolytos-
typus wurde dieser Venator abgeleitet, in der gleichen Stellung begegnet vielmehr Adonis vor Aphrodite etwa
auf dem Sarkophag im Museo Gregoriano Profano des Vatikan46 (Taf. i ,4). Hier legt ihm die thronende Göttin
auch die Hand zum Abschied auf die Brust, so wie die stehende Diana auf dem Venatorsarkophag. Die
Darstellung in der linken Hälfte dieses Sarkophages ist also eine der seit jeher in der römischen Sarkophagkunst
beliebten Kontaminationen, mit Hilfe derer neue Bildtypen geschaffen werden47.

Bemerkenswert ist, daß auch in der Jagdszene der rechten Seite eine kleine Veränderung gegenüber den
Hippolytossarkophagen48 angebracht wurde, von denen der Venatorsarkophag abhängt. Auf jenen stürmt
der Eber am rechten Rande aus einer Höhle oder einem Waldstück hervor, das durch einen Baum im
Vordergrund angegeben ist. Der hintere Teil des Ebers ist durch den Baumstamm oder den Höhlenrand
überschnitten und verdeckt, aber es ist immer vollkommen deutlich, daß der Eber den heranreitenden Jüngling
wütend angreift. Nur auf dem Sarkophag im Louvre49 scheint der Eber sich erst im Augenblick, in dem
der Jäger auf ihn zureitet, zu erheben. Ähnlich scheint das auch auf dem Sarkophag in Benevent50 gewesen

42 Pelikan (1965) 104.

43 Robert, ASR III 2 Nr. 165. 167. 168. 169. 170. 173.

44 Robert, ASR III 2 Nr. 164. 166. 171.

43 Vgl. die Zusammenstellung bei L. Reekmanns, La <dextrarum
iunctio> dans l'iconografie romaine et paleocretienne, BlnstHist-
BelgRom 31, 1958, izff. und B. Andreae, Processus Consularis,
in: Opus Nobile. Festschrift U. Jantzen (1969) 8.

4" Robert, ASR III 1, izff. Nr. 21 Taf 5. - Matz (1958) \ ^(. 168 Ca
Taf. 29a. 30a. - Helbig4 I Nr. 11 20. - Th. Kraus, Das römische
Weltreich, PropKg II (1967) 240 Taf. 240. - Andreae (1973) 313.
488 Abb. 583. - Sichtermann-Koch (1975) 19f. Nr. 7 Taf. 10,2;
12-15. - Lawrence (1976) 178 Anm. 33. - Jung (1978) 3 5 5 ff.
Abb. 16. - K. Fittschen, Sarkophage römischer Kaiser oder vom
Nutzen der Porträtforschung, Jdl 94, 1979, 578 f. Abb. 1.4.

47 Wie in der Werkstatt, aus welcher der Venatorsarkophag stammt,
mit verschiedenen Figurentypen experimentiert wurde, zeigt ein
Sarkophag im Museo Nazionale Romano, Inv. 1044. C. Robert,
ASR III 2, 2i8f. Nr. 179', Abb. - Vaccaro Melucco (1963/64) 27
Anm. 42. - Inst.Neg.Rom 33.1564, von dem leider nur das
linke Drittel erhalten ist. Man sieht hier wie auf dem Venator-
sarkophag den Verstorbenen in der »Adonishaltung« bei Diana
stehen, aber im Gegensatz zu dort ist er bärtig und nur mit
einem über die Schulter geworfenen Mantel bekleidet: Er kann
also weder Adonis, noch Hippolytos, noch einen Venator darstel-
len, sondern gibt vielmehr eine individuelle Persönlichkeit der Zeit
in heroischer Attitüde wieder. Wegen des Fehlens der Hauptszene
entgeht uns die genaue Bedeutung. Die Werkstattzusammengehö-
rigkeit des Fragmentes im Museo Nazionale Romano und des Ve-
natorsarkophages geht trotz der Bestoßung des Reliefs aus der
Gleichartigkeit der Gewandbehandlung bei der Diana hervor und
wird durch eine durchaus charakteristische F,inzelheit bestätigt:
Beim Jäger auf dem Fragment im Thermenmuseum ist der Bauch-

nabel durch einen ganz kurzen, nach unten durchgebogenen Bohr-
kanal angegeben, die gleiche Bohrung, diesmal nach oben durchge-
bogen, findet sich auch trotz der Gewandung auf dem Bauch des
Venators im Palazzo Lepri-Gallo (Taf. 1,1). An der Entstehung
der beiden Sarkophage in der gleichen Werkstatt kann man nicht
zweifeln. Das Porträt des Jägers auf dem Fragment im Thermenmu-
seum läßt sich datieren. Es steht noch in der Tradition der spätesten
Bildnisse des Septimius Severus und läßt sich einerseits mit dem
des Macrinus (217/18 n.Chr.), Wiggers-Wegner (1971) 131 ff. 138f.
Taf. 32. 33. - Bergmann (1977) it)R. und andererseits mit dem
des Pupienus vergleichen (238 n.Chr.), Wiggers-Wegner (1971)
241 Taf 76 b. Ihre nächste Parallele finden der Haarkontur und
die gestrichelten Bohrkanäle in Haupt- und Barthaar im Kopf
des mit einer Art Idealporträt ausgestatteten Arztes auf dem Ado-
nissarkophag im Museo Gregoriano Profano des Vatikan, Sichter-
mann-Koch (1975) 19L Nr. 7 Taf. ioff. bes. Taf. 15.- Jung (1978)
3 5 5 ff. Abb. 16, dessen Datierung um 220 n.Chr. unbestritten ist.
Die Frisur der Frau mit ihren im Nacken eingerollten Haaren
bietet einen Terminus post quem um 220 n.Chr. Diese Mode
kommt mit Julia Aquilia Severa, der zweiten Gattin P^lagabals,
um 220 n.Chr. auf (K. Wessel, Römische Frauenfrisuren von der
severischen bis zur konstantinischen Zeit, AA 1946/47, 66 Abb. 2).
Das stimmt auch mit dem Stil dieses Sarkophags und des Venator-
Sarkophags überein, der bald nach dem ins 2. Jahrzehnt des 3. Jahr-
hunderts datierten lateranensischen Hippolytossarkophag
(Kat. 233, Taf. 45,1-2) entstanden sein muß. Der dritte Sarkophag
dieser Werkstatt mit ähnlicher Darstellung ist der Löwenjagdsarko-
phag in Barcelona (Kat. 8, Taf. 1,2).

48 Robert, ASR III 2, 2o2ff. Nr. 164-173.

49 Robert, ASR III 2, 2ioff. Nr. 170.

50 Robert, ASR III 2, 210 Nr. 169.

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