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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0057

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2.2.1. DER LÖWENJAGDSARKOPHAG IN KOPENHAGEN

Sinn der Darstellung aufmerksam gemacht213. Hat er seine Aufmerksamkeit auf diese Weise geschärft, dann
versteht er auch besser den vielschichtigen Sinn der ganzen Szene, in der man nichts und schon gar nicht
die offensichtlichen Eigenheiten für bedeutungslos halten darf. »Der Römer will mit dem Relief möglichst
viel sagen! «216

Auffällig ist, wie unbeteiligt Feldherr und Virtus hier nebeneinander stehen217. Ihre Haltung müßte Pose
sein, wenn es sich bei dem Sarkophag nicht um ein Grabmal handelte, oder deutlicher gesagt, um ein
Denkmal für den Toten, den seine Begleiter unverwandt anblicken und zu dem Eros aufschaut. Der Sarkophag
ist kein in Stein umgesetzter Sarg mehr, er ist ein Monument, und alles an ihm ist monumental. Auch
die entrückte Haltung des Heros, der im Todeskampf den Tod überwand. Die Liebe zu Virtus war es,
die ihm den Lebenssieg sicherte. Den Idealtypus der Virtus mit den Zügen einer verstorbenen Frau auszustatten
war eine vom Künstler nicht gewollte Banalisierung des Gedankens. Er versuchte, subtilere Ideen in seiner
Bildersprache anschaulich zu machen. So darf man es möglicherweise nicht für Gedankenlosigkeit halten,
wenn er in den drei Treibern am rechten Rande einen in realistischer Jägertracht, den zweiten im >Chiton
heteromaschalos <, den dritten in heroischer Nacktheit wiedergibt. Man kann nicht ausschließen, daß damit
der schrittweise Übergang in eine heroische Welt gemeint ist.

Ich breche hier ab. Der Löwenjagdsarkophag in Reims (Kat. 75, Taf. 13,2), dessen wahrer Bedeutung und
Schönheit man im Rahmen eines Corpus kaum gerecht werden kann, markiert nicht nur einen Höhe-,
sondern auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Sarkophagkunst, wie sich bei der Betrachtung des
aus der gleichen Werkstatt hervorgegangenen Sarkophages in Wien (Kat. 245, Taf. 36,1) zeigen wird. Zuvor
aber gilt es, noch einmal in der Geschichte zurückzuschreiten und zum Ausgangspunkt der Entwicklung
des zweiszenigen Löwenjagdsarkophagtypus zurückzukehren. Dieser stellt nicht, wie G. Rodenwaldt218 in
seiner Publikation des Reimser Sarkophages ausführte, die Romanisierung einer von griechischen Vorbildern
abgeleiteten großen, die ganze Front füllenden Jagdszene dar. Er ist vielmehr die ursprüngliche, in den
römischen Sarkophagwerkstätten von den mythischen Jagdsarkophagen abgeleitete Fassung des Löwenjagd-
sarkophages, von der sich der einszenige Typus erst später abgezweigt hat.219

2.2. DIE EINSZENIGEN LÖWEN JAGDSARKOPHAGE

Die Verfolgung des anderen Entwicklungsstranges der römischen Löwenjagdsarkophage, nämlich der einsze-
nigen, die seit der Wende der 30er zu den 40er Jahren nachzuweisen sind und parallel zu dem älteren,
ein Jahrzehnt zuvor entstandenen zweiszenigen Typus der Löwenjagdsarkophage produziert werden, gibt
die Möglichkeit, die bei der Betrachtung der ersten Serie erarbeiteten Ergebnisse zu überprüfen.
Darüber hinaus zeigen diese Sarkophage, wie lebendig und vielfältig trotz der geringeren Typenauswahl
die Entwicklung ist.

2.2.1. Der sogenannte Balbinussarkophag in Kopenhagen

Der älteste im ganzen erhaltene einszenige Löwenjagdsarkophag ist der sogenannte Balbinussarkophag in
Kopenhagen (Kat. 41, Taf. 22,1 ; 24-26). Wie man seit der Auffindung des authentischen Sarkophags dieses
Kaisers in der Praetextatkatakombe220 weiß, wurde ihm dieser Name fälschlich gegeben. Der Vergleich

Auf dem Sarkophag Mattei II (Kat. 128, Taf. 13,1) hatte »Victoria«
dem Verstorbenen noch einen gewöhnlichen römischen Parade-
helm bereitgehalten. Auf dem Sarkophag in Reims (Kat. 75,
Taf. 13,2) wird die Symbolik verdeutlicht und vertieft. Eine ähn-
liche Darstellung wie auf der Nebenseite des Reimser Sarkophages
(Taf. 21,1) bietet eine Sarkophagnebenseite im Palazzo Giustiniani
(Kat. 123, Taf. 20,2).

6 Rodenwaldt (1944) 192.

7 Die Aufbruchszene der früheren Löwenjagdsarkophage erscheint
in den Sarkophagen Mattei II und Reims nicht nur formal, sondern
auch in ihrer Bedeutung gewandelt: vgl. Rodenwaldt (1944) 193f.:
»Hier bilden die steil und ruhig in feierlicher Repräsentation in
Vorderansicht stehenden Gestalten des Feldherrn und der Virtus
einen Gegensatz zu der lebhaften Aktion der Jagdszene. Hier kann

nicht von einer vorbereitenden Szene die Rede sein. Vielmehr
ist die Absicht dieser Komposition, die Virtus des Mannes in ihrer
doppelten Betätigung, in der kriegerischen des Feldherrn und in
der ebenfalls Romana militia der Jagd anschaulich zum Ausdruck
zu bringen. Die Darstellung der männlichen Tüchtigkeit in ihrer
zwiefachen Gestalt, bedeutungsvoll hervorgehoben durch die Per-
sonifikation der Virtus, ist mehr als eine Erinnerung an die Lei-
stung des Mannes, der in dem Sarkophag bestattet war; ihre Aus-
übung eröffnet den Weg zu den Gestirnen und zu den Sitzen
der Götter und verleiht Ewigkeit.«

8 Rodenwaldt (1944) 192.

9 s. folgendes Kap. 2.2.
!0 s. Anm. 92.

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