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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0061

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2.2.3. DAS TRAUBEN NASCH EN DE HÄSCHEN

2.2.3. Das traubennaschende Häschen

Das eigenartige Detail eines Häschens, das mitten im Jagdgetümmel völlig unbekümmert um die Gefahr,
in der sich die anderen Tiere befinden, an einer Traubenrispe knabbert, begegnet auf vierzehn Jagdsarkopha-
gen242. Der früheste von diesen dürfte der Sarkophag im Louvre (Kat. 65, Taf. 1,3) sein. Hier ist die
Zeichenhaftigkeit der kleinen Episode besonders auffällig. Das Häschen mit der Traube zwischen den Vorder-
pfoten ist nicht nur ungewöhnlich klein im Vergleich zu den Hunden, die über es hinwegspringen. Es ist
auch in einen gleichsam dafür ausgesparten Raum gesetzt und nach links gewandt, das heißt entgegen
dem nach rechts gerichteten Bewegungsfluß. Es erweist sich so deutlich als ein Zusatz zur Jagdszene,
der einen besonderen Hinweis geben soll. Auf dem ebenfalls noch verhältnismäßig frühen Sarkophag in
Kopenhagen (Kat. 41, Taf. 22,1) vom Ende der 30er Jahre des 3.Jahrhunderts mit seiner minutiösen Schilde-
rung des Ambientes wird dem in aller Ruhe an den Trauben knabbernden Häschen die erbarmungslose
Szene gegenübergestellt, in der ein Adler einen anderen Hasen zerfleischt. Da das traubennaschende Häschen
auf allen anderen Sarkophagen allein erscheint, ist nicht mit Sicherheit zu sagen, ob diese Gegenüberstellung
auf dem Kopenhagener Sarkophag (Kat. 41, Taf. 26,7-8) eine besondere ikonologische Bedeutung hat.
Wir kommen darauf nach der Untersuchung des einfachen Motivs zurück, für das in der Nachfolge J.J.
Bachofens243 schon V. Macchioro244 in seiner grundlegenden Untersuchung des Symbolismus in den Darstel-
lungen der römischen Sepulkralkunst die wahrscheinlichste Deutung gefunden hat: Er erkennt in ihm einen
»Significato di immortalitä«. Diese auf den ersten Blick überraschende Deutung wird durch eine ganze
Reihe von Hinweisen gestützt und ist in der neueren wissenschaftlichen Eiteratur auch einhellig akzeptiert
worden245. In der ägyptischen Hieroglyphenschrift bedeutet das Piktogramm eines Hasen soviel wie Dauer246.
Herodot 3,108 247 bemerkt, der Hase erhalte durch starke Vermehrung seine Art. Er wird dadurch zu einem
Bild der Fruchtbarkeit und Fortdauer des Lebens. Aus diesem Grund dürften Hasendarstellungen als Totenbei-
gaben schon bei den Griechen248 so beliebt gewesen sein.

Auf römischen Grabdenkmälern und besonders auf Sarkophagen begegnet das traubennaschende Häschen
dann als ein vielfach in die dargestellte Szene nur lose integriertes ikonologisches Element, dessen symbolische
Bedeutung gerade deshalb so unmißverständlich ist, weil es nicht an einen bestimmten Mythos oder an
eine abgegrenzte Gattung von Sarkophagen gebunden ist, sondern zeichenhaft in ganz verschiedene Kontexte
gesetzt werden kann. Selbst wenn es, was nicht der Fall ist, zuerst und vor allem in Jagddarstellungen
begegnen würde, so könnte man es kaum als eine aus der Jagdszenerie heraus entwickelte Einzelheit ansehen,
da man innerhalb dieser weder die Unbekümmertheit des Hasen erklären könnte noch die Trauben, an
denen er knabbert.

Nun kommt das Motiv aber schon wesentlich früher auf zahlreichen Grabdenkmälern249 vor. Am zwanglose-
sten fügt es sich in den Szenenzusammenhang der dionysischen Sarkophage ein, denn dort sind das idyllische
Element und das Vorhandensein von Trauben, an denen das Häschen naschen kann, am leichtesten zu
erklären. Man muß aber zugeben, daß es auf Sarkophagen dieser Klasse mit nur drei Beispielen, einem
Sarkophag in der Villa Medici aus spätantoninischer Zeit250, einem spätseverischen Fragment in Ostia251
und einem von F. Matz noch nicht erfaßten Sarkophag in Lucca252 erstaunlich selten ist. Gleichwohl dürften
diese Beispiele genügen, um zu zeigen, daß der traubennaschende Hase nicht primär als jagdbares Wild

242 1. Louvre (Kat. 65, Taf. 1,3), 2. Kopenhagen (Kat. 41, Taf. 22,1), dans l'art profane 1450-1606 (1958) 242. - H.G. Horn, Zwei neue
3. Giustiniani (Kat. 122, Taf. 22,2), 4. Mattei I (Kat. 126, Bronzen im Rheinischen Landesmuseum, BJb 72, 1972, 170fr. -
Taf. 23,2), 5. Wien (Kat. 247, Taf. 36,1), 6. Vatikan, Via delle Fon- Egger-Mundt (1976) 161 f. - CR. Chiarlo, Un sarcofago romano
damenta (Kat. 241, Taf. 44,3), 7. Villa Doria (Kat. 180, Taf. 45,8), inedito nei dintorni di Lucca, Prospettiva 8, 1977, 42.-46, bes. 45.
8. Beziers (Kat. 19, Taf. 55,3), 9. Ferentillo (Kat. 30, Taf. 93,4), - D. Willers, Das wollige Volk des nichtsnutzigen Eichhörnchens,
10. Potsdam-Sanssouci (Kat. 73, Taf. 94,2-3), 11. Villa Doria Miszelle zur Provinzialrömischen Ikonographie, HASB 4, 1978,
(Kat. 184, Taf. 86,3), 12. Villa Doria (Kat. 185, Taf. 95,1), 13. Villa 22-29, bes. 24 mit Anm. 1 7.

Doria (Kat. 187, Taf. 107,4), 14. Arles P (Kat. 4, Taf. 95,3). - Wahr- 246 G. Egger, Koptische Textilien (1967) 19 Taf. 14. 15. 18. 32. 33.
scheinlich ist auch das bestoßene Tier vor der Virtus auf dem 35. 37. 41.

Sarkophag in Barcelona (Kat. 8) ein Hase. 247 Diese Stelle hatte schon J.J. Bachofen a.O. 491 notiert.

243 J.J. Bachofen, Die Unsterblichkeitslehre der orphischen Theologie 248 O. Wasburn, Eine protokorinthische Lekythos in Berlin, Jdl 21,
auf den Grabdenkmälern des Altertums (1867), wiederabgedruckt 1906, 122. - B. Andreae, Jb. Ruhr-Universität Bochum 1975, 92.
in: J.J. Bachofens Gesammelte Werke, hrsg. v. K. Meuli, Bd. 7 249 Vgl. Horn a.O. 170fr.

(1958) 150. 250 Matz, ASR IV 3 Nr. 210 Taf. 221.

244 V. Macchioro, II simbolismo nelle figurazioni sepolcrali romane. 251 Matz, ASR IV 1 Nr. 71 A Taf. 68.
Studi di ermeneutica (1909) 104-110. 252 Chiarlo a.O. 42fr. Trauben fressende Hasen finden sich unter einem
Keller (1909) 210-217. ~~ G. De Tervarent, Attributs et symboles beiderseits als Eckfigur in Trauer versunkenen Eros auf einem Rie-

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