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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0075

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3.1

DER SARKOPHAG

IN WIEN

Dieser zeigt mit Ausnahme des Bären links unten (Taf. 38,3) nur geläufige Typen, die zu einer übersichtlichen
Komposition gefügt sind. Die Mitte nimmt der Jagdherr zu Pferde ein, der seinen Speer gegen den heransetzen-
den Löwen schwingt. Unter seinem Pferd liegt der zu Boden geworfene Jagdgehilfe. Die in vier Reihen
von Korkzieherlocken gelegten Haare lassen ihn ebenso wie den Treiber zu Pferde als Mauretanier330
erscheinen, als Bewohner einer Gegend also, wo die Löwen heimisch sind. Unter dem Löwen liegt nach
rechts ein erlegter Keiler. Den beiden Treibern auf der rechten Seite, von denen der eine wie gewöhnlich
zu Fuß, der andere zu Pferde dargestellt ist, entsprechen auf der anderen Seite in der vom Inhalt geforderten
Verschränkung die Virtus zu Fuß in der schon früher von der Diana der Meleagersarkophage abgeleiteten
bewegten Haltung und der Bärenjäger zu Pferde, auch er ein Typus, den man etwa vom Jagdsarkophag
in Dresden (Kat. 28, Taf. 7,6) schon kennt. Die Klarheit des Aufbaus dieser Komposition ist derjenigen
des Sarkophags in der Villa Medici I (Kat. 192, Taf. 22,3) verwandt, auf dem auch nur sechs Jagdteilnehmer
begegnen, aber die Wirkung ist doch eine völlig andere. Es fehlt ihr die Monumentalität, die das andere
Stück durch die Größe der Figuren, ihre dichte Zusammendrängung und durch das im Verhältnis zur
Länge ziemlich hohe Format auszeichnet. Obwohl auf dem Wiener Sarkophag (Kat. 247, Taf. 36,1) rechts
und links noch die Tierkampfgruppen angeordnet sind, ist die Jagdszene weiter in die Länge auseinander
gezogen als auf früheren Sarkophagen. Die Figuren sind untersetzt und breiter gebaut. Ihre Oberarme
gehen in der Linie der Schultern nach den Seiten und füllen den Abstand zu den nächsten Figuren. Der
Leerraum zwischen ihnen wird auch von den ausgreifenden Vorderbeinen der Pferde, von springenden
Hunden und wehenden Gewändern gefüllt. Zwischen den Beinen der Virtus sieht man das beliebte traubenna-
schende Häschen, unter dem Bären einen Baumstumpf, unter dem überkragenden, wie häufig bei Wannensar-
kophagen dieser Zeit mit Eierstab ornamentierten Rand' rechts die Zweige einer Pinie, links die eines Blätter-
baums. Die dichte Füllung des Reliefs ist auf diese Weise trotz des Auseinanderziehens der Figuren gewährlei-
stet. Der Sarkophag ist von guter Qualität und knüpft an Einzelformen an, wie der kolossale Sarkophag
in Reims (Kat. 75, Taf. 13,2) sie bietet. Er scheint auf einer kaum sehr viel späteren Stufe aus der gleichen
Werkstatt hervorgegangen zu sein. Da er nur halb so hoch ist wie jener, können die Einzelformen nicht
so genau ausgearbeitet sein, aber vor allem die Köpfe zeigen eine so enge Verwandtschaft mit manchen
Köpfen des Reimser Sarkophags, daß völlige Unabhängigkeit auszuschließen ist. Besonders gut vergleichbar
ist der Kopf des Bärenjägers mit dem des Löwentreibers zu Pferde auf dem Reimser Sarkophag (Taf. 115,1.2).
Die aus der Stirn zurückfließenden Haare sind auf dem Wiener Sarkophag entsprechend der späteren Zeitstel-
lung strenger geordnet, aber die Stirnfalten, die zusammengezogenen Brauen mit den Steilfalten über der
Nasenwurzel, das breit herabgezogene Orbitallid, die Augenbohrung, die sich durchdrückenden Wangenkno-
chen, die scharfe Nasolabialfalte, der Schnurrbart, die Eintiefung im Kinn unter der Unterlippe und besonders
die eigenartigen vereinzelten Bartflocken am Kinn und auf der Wange lassen die Verwandtschaft unmiß-
verständlich erkennen. Zugleich wird die Entwicklungstendenz in Richtung auf eine Verhärtung und Verein-
fachung im Sinne der fortschreitenden Entkörperlichung offensichtlich.

Die Verwandtschaft von Reimser (Kat. 75, Taf. 13,2) und Wiener Sarkophag (Kat. 247, Taf. 36,1) kann man
auch bei den Pferden und etwas weniger klar beim Löwen feststellen. Das Pferd des Jagdherrn hat in
beiden Fällen ein ähnliches Zaumzeug, bei dem die sonst nicht begegnende Einzelheit der Blattform am
Ende der gekreuzten Riemen (Taf. 20,1; 38,2) die gleiche ist. Aber auch der Gesichtsschnitt der Pferde,
die durch volle Mähnen, eine breite Stirn, überstehende Brauen, längliche Nüstern und eine flache Oberlippe
gekennzeichnet sind, machen die handwerkliche Verwandtschaft der beiden Sarkophage deutlich.
Die Köpfe der Virtus und des Jagdherrn (Taf. 38,1) sind nur abbozziert, ebenso wie dies in Bezug auf
den Grabinhaber (Kat. 75, Taf. 13,2) beim Reimser Sarkophag vor der Ausarbeitung in konstantinischer
Zeit gewesen sein muß. Die Köpfe geben daher keine Datierungshilfe ab. Dafür lassen sich die Löwenköpfe
an den umbiegenden Seiten der Wanne (Taf. 40,1-2) in eine dichte, verhältnismäßig gut datierbare Reihe
einordnen, wie Scerrato331 sie in der Nachfolge Rodenwaldts332 aufgestellt und Chiarlo333 sie bestätigt hat.

so L'Orange-v. Gerkan (1939) 47 Anm. 3. - H.P. L'Orange,
AA 1936, 5 97f. - A. Calö-Levi, Barbarians on Roman Imperial
Coins and Sculpture (1952) 25.40. - H.-H. Wrede, Die spätantike
Hermengalerie von Welschbillig (1972) 74 mit Anm. 230.-Bozzini
Ü977) 3 54 Anm. 77.

Scerrato (195 2).
Rodenwaldt (1935/36).
Chiarlo (1974).

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