Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3.2.1. DER SARKOPHAG IN PALERMO

Sarkophage. Sie bedienen sich dabei des alten Figurenschatzes, erzielen aber eine ganz andere Wirkung,
weil die Darstellung nun immer weniger auf die Person des Grabinhabers als Löwenjäger konzentriert
wird, sondern immer stärker ein allgemeiner wilder Kampf zwischen reißenden und zahmen Tieren und
Jägern zu Fuß und zu Pferd zur Darstellung kommt. Man kann nicht umhin, dabei an die aus der Zeit
dieser Sarkophage überlieferte Form amphitheatralischer Spiele zu denken, die den bezeichnenden Namen
Silvae342 trugen. Um die Tierhatz besonders realistisch zu gestalten, war das ganze Rund des Flavischen
Amphitheaters mit Bäumen bepflanzt worden.

Die Bäume, die auch auf den Tierhatzsarkophagen erscheinen, können also nicht als Gegenargument gelten,
daß ein Einfluß des Arenaerlebnisses auf die Gestaltung dieser Sarkophage vorliegt.

3.2.1. Der Sarkophag in Palermo

Eine Silva des Kaisers Gordian war nach dem Bericht der Historia Augusta343 in einem Bild verewigt
worden, auf dem 200 Hirsche, 30 Wildpferde, 100 Wildschafe, 10 Elche, 100 Kyprische Stiere, 300 Maurische
Strauße, 30 Onager, 150 Eber, 200 Steinböcke, 200 Damhirsche, insgesamt 1320 Tiere gemalt waren.
Auf den Sarkophagen sind es nicht mehr als neun. Aber darunter begegnet in einem Fall, auf dem Sarkophag
in Palermo (Kat. 64, Taf. 36,4), ein Strauß, von dem wir durch Herodian344 wissen, daß er ein beliebtes
Circuswild war. Kaiser Commodus pflegte, an diesem durch Schnelligkeit im Laufen ausgezeichneten Tier
seine Geschicklichkeit im Bogenschießen zu beweisen. Er benutzte einen Pfeil mit einem sichelförmigen
Messer als Spitze, mit dem er den Straußenkopf abtrennen konnte. Einen auf diese Weise präparierten
Pfeil richtet auch ein Eros in der Puttenjagd auf dem Deckel des Meleagersarkophags im Kapitolinischen
Museum345 auf einen Strauß. Der Strauß ist ein so ausgefallenes Jagdtier, daß er den Bestellern dieser
Sarkophage nur durch die Arenaspiele bekannt gewesen sein konnte. Im großen Tierfangmosaik von Piazza
Armerina346 begegnet auch er unter dem Wild, das als wesentlicher Exportartikel Nordafrikas347 galt und
zum Transport in die Hauptstadt aufs Schiff geladen wird. Dies ist nicht die einzige Darstellung eines
Straußen auf den römischen Jagdsarkophagen348. Sie ist gerade deshalb ein so wichtiger und unmißverständ-
licher Hinweis auf den Zusammenhang zwischen diesen Tierhatzsarkophagen und der Lebenswirklichkeit
der Römer dieser Zeit, in der Arenaspiele eine besondere Bedeutung hatten. Das läßt auch erkennen, daß
schon in nachgallienischer Zeit der volkstümliche Zug in die Jagdsarkophage eindringt, den G. Rodenwaldt349
als ein Charakteristikum jener spätantiken Kunstströmung in Rom beschrieben hat, aus der die spätesten
Jagdsarkophage hervorgegangen sind. Die Abwendung von den monumentalen Sarkophagen, die immer
seltener werden, und die nun vorherrschende Herstellung niedrigerer, langgestreckter und vielfiguriger
Reliefs gehen also mit einem neuen Interesse an der Darstellung zusammen, die nicht mehr auf das symbolisch
deutbare Geschehen allein konzentriert sein soll, sondern den Löwenjäger in eine breiter ausgemalte Szenerie
hineinstellt. Es gab auch früher350 schon vereinzelte Zeugen solcher Bestrebungen, wofür die Ursachen
möglicherweise in der sozialen Schicht zu suchen sind, aus der der jeweilige Auftraggeber kam. Bemerkenswert
ist, daß auf keinem dieser Sarkophage mit erweiterter Jagdszenerie, weder auf den frühen noch auf den
späteren mit Ausnahme der Exemplare, die den zweiszenigen Typus351 tradieren, ein Sarkophaginhaber
im Panzer begegnet.

Der Sarkophag in Palermo (Kat. 64, Taf. 36,4) bietet in der Mitte die kanonische Löwenjagdgruppe mit
Virtus und dem Löwenjäger im Zentrum, neben dessen Pferd ein Hund herspringt, mit einem Treiber
zu Pferd und dem von rechts im Sprung über einen erlegten Eber und einen Steinbock heransetzenden
Löwen. Die Mittelgruppe wird gerahmt von zwei weiteren Jagdszenen: Links der von einem Venator
angestachelte Löwe, der einem niedergebrochenen Onager ins Genick beißt, dahinter ein Büffel und die,
wie gesagt, auf den Jagdsarkophagen bedeutungsvolle Darstellung eines Straußen. Rechts vor einem flüchten-
den Hirsch ein Jäger, der, von seinem Hund begleitet, einem auf die Hinterbeine aufgerichteten Bären

HA, Probus 19,3. 348 Palermo (Kat. 64 Taf. 36,4), Villa Borghese (Kat. 177 Taf.

HA, Gordiani Tres 3,6. 42,7), Benevent (Kat. 11, Taf. 89,2), Wien (Kat. 248 Rückseite).

Kaisergeschichte 1,15,5. 349 Rodenwaldt (1921/22) 6iff.

Koch, ASR XII 6 Nr. 12 Taf. 18 oben. 350 Kap. 1.5.4.

G.V. Gentiii, La Villa Erculia di Piazza Armerina (1959) Taf. 26. 351 Rom, Cimitero Maggiore (Kat. 78, Taf. 53,1), Rom, San Sebastiano

Plinius, NH 5.2. - Vgl. J.M.C. Toynbee, Animals in Roman Life I (Kat. 149, Taf. 52,2), Siena (Kat. 206, Taf. 54,1), Spoleto

and Art (1973) 237-240. (Kat. 208, Taf. 54,2), S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 54,3).

342
343
344
345
346

69
 
Annotationen