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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0090

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4.1.2. DER SARKOPHAG IM CIMITERO MAGGIORE

schon durch seine anatomisch nicht nachvollziehbare Bewegung, besonders die Drehung des Kopfes um
1800 bei flächiger Rückenansicht und ausgerenkter Haltung des rechten Armes seine Entstehung in nachgallie-
nischer Zeit, die keinen Wert mehr auf den organisch-funktionalen Zusammenhang der Körperbewegung
legt. Das Motiv ergibt sich aus der Entwicklung des Sarkophagreliefstils, bei dem die Figuren immer stärker
zusammengedrängt werden, bis sie sich schließlich übereinanderschieben. Dadurch bleiben am Rande der
Komposition Streifen frei, die nun mit neuen zusätzlichen Figuren gefüllt werden müssen. Zumindest ist
diese Lösung eine öfters verwendete Möglichkeit, die dichte Schließung des Reliefs zu gewährleisten, wobei
zugleich eine ausdrucksstarke Füllung des Bildfeldes mit bedrohlicher Dramatik bis in die Ecken hinein
erreicht wird. Die Bewegung klingt nicht wie auf den früheren Sarkophagen nach rechts hin ab, sondern
reicht über die Mittelgruppe des Jagdherrn im Ansturm gegen den Löwen hinaus und bricht sich hart
an der rechten Sarkophagkante. Die Gewaltsamkeit dieser Kompositionsform ist offensichtlich und scheint
ein unmittelbarer Ausdruck der (von den gewalttätigsten aller Soldatenkaiser beherrschten) Zeit zu sein.

4.1.2. Der Sarkophag im Cimitero Maggiore

Die dichte Füllung des Reliefbildes führt schließlich dazu, daß ursprünglich nebeneinandergesetzte Szenen
vor- und ineinandergeschoben werden, ein Prozess, der in dem eigenartigen, in verhältnismäßig flachem
Relief gehaltenen Sarkophag im Cimitero Maggiore (Kat. 78, Taf. 53,1) mit seiner auffallend häßlichen
Menschendarstellung einen ersten Höhepunkt erlebt und auf den Treibjagdsarkophagen des 4. Jahrhunderts4
noch weiter vorangetrieben wird. Der Sarkophag im Cimitero Maggiore (Kat. 78, Taf. 53,1; 56; 57,1-3;
58,3), der einzige noch in situ befindliche Löwenjagdsarkophag und einer der wenigen mit erhaltenem Deckel,
ist aus der zweiszenigen Klasse entwickelt. In dem Mann der Aufbruchszene links sieht man die beiden
Figuren, die auf den früheren Sarkophagen zu dieser Szene gehörten, vereinigt. Er trägt den Panzer des
hohen Offiziers wie auf den Sarkophagen Rospigliosi (Kat. 131, Taf. 12,1), Mattei II (Kat. 128, Taf. 13,1)
und Reims (Kat. 75, Taf. 13,2), aber er führt sein Pferd selbst am Zügel und trägt auch den Adlerkopfhelm,
der früher das Kennzeichen des Pferdeführers war. Hier sind also offenbar Herr und Untergebener zu einer
einzigen Figur verschmolzen, oder, in einer der gesellschaftlichen Situation tetrarchischer Zeit eher angemesse-
nen Weise ausgedrückt, der Untergebene ist zum Herrn geworden, der Soldat zum Offizier. Der Begleiter
im Hintergrund, dessen Kopf rechts erscheint, blickt ihn an. Sein Hund wirft den Kopf nach oben und
bellt zu ihm hinauf. Die neue Gesellschaftsschicht bemächtigt sich der Symbole der Schicht, an deren Stelle
sie getreten ist. Denn rechts anschließend folgt eine Löwenjagdszene im geläufigen Typus. Virtus spannt
einen Bogen, ein bisher nur von der Atalante der Meleagersarkophage404 bekanntes Motiv. Im übrigen
ist es das bekannte Figurenrepertoire, das hier nur eigentümlich verdichtet und weniger miteinander verzahnt
als vielmehr ineinander geschoben erscheint, so daß man kaum irgendwo, außer neben den Köpfen, noch
den Reliefgrund zwischen den Figuren erkennen kann. Um den Reliefgrund dicht zu schließen, kommen
zwischen den Beinen der Virtus gleich zwei parallel bewegte Hunde heraus ebenso wie auf der anderen
Seite bei der Eberjagd. Der unter dem Pferd gestürzte Jagdbegleiter ist mit dem Schwert in der Rechten
weniger zu Boden geworfen als vielmehr in Angriffshaltung ins Knie gegangen und streckt den linken
Arm mit dem um die Faust gewickelten Paludamentum wie einen Schild vor. Die ganze Figur ist zusammen
mit dem Hund neben dem Paludamentumbogen fest in den Raum unter dem Pferd des Jagdherrn eingekeilt.
Ebenso ist der Jagdherr selbst in den verbleibenden Raum zwischen Virtus, dem Gestürzten und dem
Löwen gedrückt. Charakteristisch für die Art, wie hier Teile aufeinandergelegt und dann ineinandergepreßt
erscheinen, ist die linke Hand des Löwenjägers, die den rechts herabhängenden Zügel hält und dabei durch
den Hals des Pferdes hindurchzugreifen scheint. In der gleichen Weise ist der Löwe vor die Figuren in
der hinteren Reliefschicht gelegt und in sie hineingedrängt. Zu einer festen Masse verbacken erscheinen
auch die toten Tiere, ein Hirsch und ein Mähnenlöwe mit geöffnetem Rachen, über die hinwegspringend
der Löwe den Jagdherrn angreift. In den Löwenkörper reliefmäßig eingetragen wirkt der Hund, der zwischen
seinen Hinterbeinen hervorkommt und bellend neben ihm herspringt. Aufbruch und Löwenjagd nehmen
die beiden linken Drittel des Sarkophags ein, dessen rechter, mit glatter Schnittlinie angestückter Teil mit
einer Eberjagd gefüllt ist. Der Löwenkopf kommt genau in die Mitte des Frontreliefs. Die beiden frei

403 Kap. 6.1-3. 404 Koch, ASR XII 6,9.

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