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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0099

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4.2.1. DER SARKOPHAG IN PISA

des Pescennius Niger und Septimius Severus steht es wohl für saeculum mit der Bedeutung von zeitlosem
Wohlergehen. Die Ewigkeitssymbolik der Gestirnzeichen machen sich vor allem die orientalischen Erlösungs-
religionen der späteren Kaiserzeit zunutze und streuen sie über ihre synkretistischen Denkmäler aus, von
denen F. Cumont436 einige anschauliche Belege zusammengestellt hat. Besonders ähnlich in der Anordnung
der vier Gestirnzeichen ist dem Helmschmuck der Sarkophage eine plastische Terrakottavase aus Amisos
in Brüssel437, die wohl Alexander d. Gr. als Kosmokrator darstellt.

Eine mögliche Deutung des Ewigkeitssymbols auf den Helmen der Jagdbegleiter ergibt sich aus der Entwick-
lung dieser Figuren in der Sarkophagkunst. Schon auf den Löwenjagdsarkophagen gallienischer und vortetrar-
chischer Zeit zeichnete sich die Tendenz ab, die Heroisierung des Jagdherrn im Löwenkampf dadurch
zu verdeutlichen, daß unspezifische Jagdbegleiter zunächst in die Dioskuren und dann ganz allgemein in
heroische Jünglinge umgewandelt wurden438. Ein verwandter Gedanke, wenn auch distanzierter, scheint
mit dem kosmischen Helmschmuck auf dem tetrarchischen Sarkophag in Pisa (Kat. 69, Taf. 55,1) und dem
frühkonstantinischen in S. Elpidio (Kat. 204, Taf. 54,3) Ausdruck zu finden. In den Venationes der Arena
trugen die Bestiarii vielfach Helme, wie einzelne Darstellungen bezeugen439. Um die Jagden auf den erwähnten
Sarkophagen aus dem Realismus einer Tierhatzszene im Circus herauszuheben und ihnen den angestrebten
symbolischen Gehalt mitzuteilen, ohne sofort in ein heroisches Ambiente überwechseln zu müssen, beließ
man den Jägern ihre übliche Tracht und zeichnete sie nur durch die Gestirnsymbole auf den Helmen aus.
Das war für den zeitgenössischen Betrachter dieser Sarkophage gewiß ebenso unmißverständlich wie die
heroische Gebärdung der Jagdbegleiter auf den gallienischen und vortetrarchischen Sarkophagen, aber es
war weniger anspruchsvoll und für eine zeitgemäße Transzendenzvorstellung offener als die Andeutung
einer heroischen Welt im griechischen Sinn, wie die Zeit Galliens sie offenbar noch bevorzugt hatte.

4.2. DIE SARKOPHAGE MIT LÖWENPAAREN

4.2.1. Der Sarkophag in Pisa

Neben der im vorhergehenden Kapitel betrachteten Entwicklungslinie, welche die traditionelle Darstellung
der Löwenjagd in zwei Szenen bis in die frühkonstantinische Zeit fortsetzt, läuft ein durch wenigstens
drei Sarkophage (Taf. 55, 1-3) belegter Strang einher, bei dem die Jagd auf den Mähnenlöwen mit der
auf eine Löwin parallelisiert wird. Dieser Strang knüpft an eine Komposition an, wie sie der Wannensarkophag
auf der Scala des Kapitolinischen Museums (Kat. 104, Taf. 12,2) bietet. Schon einmal hatte diese Komposition
die Anregung zur Entwicklung eines neuen Gruppenschemas gegeben, nämlich zu der chiastisch hinter
dem Löwen hervorspringenden Löwin,die den an den rechten Rand gedrängten Reiter anfällt. Diese Gruppe
kehrt nicht nur auf den späten zweiszenigen Sarkophagen wieder, sondern auch auf den beiden späteren
Exemplaren des hier zu behandelnden Entwicklungsstranges in Gerona (Kat. 32, Taf. 55,2) und Beziers
(Kat. 19, Taf. 55,3; 73,2) sowie auf dem an sie anzuschließenden verschollenen Sarkophag in Cannes II
(Kat. 242, Taf. 55,4). Auf dem frühesten bekannten Sarkophag mit der Jagd auf Löwin und Löwen in
Pisa (Kat. 69, Taf. 55,1) begegnet diese Gruppe allerdings noch nicht. Das ist ein Zeichen für die Eigenständig-
keit dieses Sarkophages, der die neuartige Bildkomposition sehr klar und übersichtlich darbietet.
Obwohl in der rechten Hälfte der Sarkophagplatte über dem Löwen ein großes Stück des Reliefs herausgebro-
chen ist, kann man aufgrund der Ansätze an den Bruchrändern die Gesamtkomposition ohne Schwierigkeiten
erkennen, denn diese war weitgehend achsialsymmetrisch um die Mittelfigur des nach rechts sprengenden
Jagdherrn aufgebaut. Als Rahmenfiguren fungieren die beiden spiegelbildlich nach außen schreitenden und
den Kopf zurückwendenden Dioskuren im Typus der Dioskuren vom Monte Cavallo in Rom440, wie er
auf den einszenigen monumentalen Jagdsarkophagen gallienischer Zeit entwickelt worden war. Um ihre Rah-
menfunktion auf dem Sarkophag zu unterstreichen, hielten die Figuren in den äußeren Händen Lanzen,
wie die Ansätze an der linken und rechten oberen Ecke bezeugen. Auf dem rechten Flügel der Komposition

437 Cumont (1942) 208 Taf. 16,1. - D. Michel, Alexander als Vorbild
Mattingly, BMC V (1950) Taf. 14,2 (Pescennius Niger) und Taf. 17, für Pompeius, Caesar und Marcus Antonius (1967) ioof. Taf. XI.

1.2; 18,7 (Septimius Severus). 438 Vgl. Kap. 2.1.4 und 2.2.7.

Cumont (1942) 203ff. - Vgl. auch H.P. L'Orange, Iconography 439 z.B. D.Frgt. Neapel (Kat. 52 Taf. 42,9).
of Cosmic Kingship in the Ancient World (1955) passim. 440 Nash, Rom II 44 Abb. 1244.

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