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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0134

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6.2.3. DIE SPÄT- UND NACH KON ST ANTIN ISCHE GRUPPE

Am deutlichsten ausgeprägt und am bewußtesten gestaltet zeigt der Sarkophag im Konservatorenpalast
(Kat. 112, Taf. 95,4) das neue Reliefgefüge, das wir als Netzrelief bezeichnet haben. Wie der Sarkophag
in Arles P (Kat. 4, Taf. 95,3) verteilt er die Figuren verhältnismäßig weitgestellt, jedoch in einer strenger
auf die Mitte bezogenen Komposition, die oben ausführlich erläutert wurde. Zusammengehalten wird das
Ganze durch die ausladenden Baumkronen.

Zur abschließenden Charakterisierung des Sarkophages sei es gestattet, die treffende Beschreibung von G.
Rodenwaldt377 hier im Auszug wiederzugeben:

»Wenn Szenen und Typen hier den übrigen Sarkophagen entsprechen, so ist doch Temperament und Stil
wesentlich verschieden. Die drei stehenden Figuren unterbrechen die stürmische Handlung durch ihre unmoti-
vierte Ruhe. Geradezu komisch ist der in würdiger Gemessenheit hinter dem Eber stehende Treiber, der
in der Linken irgendeinen Gegenstand (Täfelchen?) hält und mit der Rechten nebenbei dem Eber die Lanze
in den Nacken stößt. Man scheut sich vor dem Ausdruck Treiber, denn sie haben alle statt der derben
Volkstypen einen gleichmäßigen, außerordentlich vornehmen Gesichtstypus erhalten, der etwa an Köpfe
des (auf 3 59 n.Chr. datierten) Sarkophags des Iunius Bassus erinnert. Auch der einen verletzten Hund haltende
Treiber, der durch seine Kahlköpfigkeit und den mageren, sehnigen Hals als Greis charakterisiert ist, hat
diesen vornehmen Ausdruck. Die edle Bildung der Köpfe, die fast höfisch zeremonielle Haltung der stehenden
Figuren, endlich eine gewisse elegante Glätte und Rundung des Stils heben diesen Sarkophag in eine Sphäre
kühler Vornehmheit, der die volkstümliche Kraft und Lebendigkeit zum Opfer fällt. Kein Zweifel, daß
wir es hier mit einer sich klassisch gebärdenden Umstilisierung zu tun haben, die einige Jahrzehnte später
sein mag als die Mehrzahl der Sarkophage dieser Gruppe.«

Von besonderem Interesse ist bei diesem Sarkophag der unfertige Zustand der Deckelreliefs (Taf. 113,1.2),
die auf der rechten Seite eine Netztreibjagd auf Rotwild und links die Heimtragung der Jagdbeute, eines
Ebers am Tragholz, wiedergeben sollten. Die beiden Reliefs zeigen ein verschiedenes Stadium der Bearbeitung.
Beim linken sind die Umrisse der Figuren angelegt, die als Fläche in der vorderen Reliefebene stehen-
geblieben sind, während der Spitzmeißel den Raum zwischen ihnen schon ausgehöhlt hat. Die Rundung
der Oberfläche ist erst an einigen Stellen, wie zum Beispiel beim herangaloppierenden Pferd in Angriff
genommen.

Das Relief auf der rechten Seite ist schon viel weiter aus dem Stein herausgeholt, aber auch hier kann
man erkennen, daß der Steinmetz zunächst am Umriß entlang in die Tiefe gearbeitet hat und dann erst
die Oberfläche der plastischen Reliefteile herauszuhauen begonnen hat.

Das unterschiedliche Bearbeitungsstadium der beiden Deckelseiten gibt zu zwei Bemerkungen Anlaß.
Erstens: Will man nicht annehmen, daß ein einziger Steinmetz das eine, eben erst begonnene Relief plötzlich
liegen ließ, um sich gänzlich unmotiviert zunächst dem anderen zuzuwenden, bleibt nur der Schluß, daß
die Reliefs mehr oder weniger gleichzeitig von zwei verschiedenen Steinmetzen angefangen wurden, wobei
derjenige auf der rechten Seite schneller vorangekommen ist. Daß an der rechten und linken Seite von
Sarkophagen verschiedene Hände gearbeitet haben, ist eine häufig zu beobachtende Tatsache578, die ein
Schlaglicht auf die Arbeitseinteilung der Sarkophagwerkstätten wirft.

Für die Stilbestimmung dieses Sarkophages noch wichtiger ist die zweite Feststellung: Die Reliefoberfläche
wird nicht gleichmäßig über die ganze Fläche abgearbeitet, wie dies bei einem plastisch aufgefaßten Relief
vorauszusetzen ist. Vielmehr werden die Figuren als eine nur äußerst flach abzuarbeitende ebene Vorderfläche
angelegt und durch Herausschneiden netzartig über die tief zurückliegende Reliefwand gespannt. Diesen
Prozeß kann das Jagdnetz am rechten Rand des Deckelreliefs veranschaulichen, das mitten in der Ausarbeitung
steckengeblieben ist. Die Taue, aus denen es geknüpft ist und die im weiteren Verlauf der Ausarbeitung
abgerundet werden sollten, sind als flache, in der vorderen Reliefebene liegende Bänder stehengeblieben.
Für die Datierung dieses bisher spätesten römischen Jagdsarkophages ist besonders wichtig, daß er aus
der gleichen Werkstatt hervorgegangen zu sein scheint wie der berühmte Sternkranzsarkophag in Arles 579,

Rodenwaldt (1921/22) 66.

Anzeichen dafür wurden bei zahlreichen Sarkophagen beobachtet,
doch konnten diese Beobachtungen noch nicht systematisiert wer-
den. Ich möchte darauf in ASR I 1 zurückkommen.
F. Benoit, Sarcophages paleochretiens d'Arles et de Marseille

(1954) 53 Nr. 58. - F.W. Deichmann-Th. Klauser, Frühchristliche
Sarkophage in Bild und Wort, 3. Beih. AntK (1966) 35 Nr. 15
Taf. 20/21. — A. Saggiorato, I sareofagi paleocristiani con scene
di passione (1968) 13 5 f.

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