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Andreae, Bernard [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (1,2): Die Sarkophage mit Darstellungen aus dem Menschenleben: Die römischen Jagdsarkophage — Berlin, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.14580#0143

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zusammenfassung

Da der Hauptbeleg für diese Experimentierphase der Sarkophag eines Venators (Kat. 164, Taf. 1,1) ist, wird
offensichtlich, daß eine für die damalige Gesellschaft so bedeutungsvolle Erfahrung wie das Arenaerlebnis
bei der Entstehung des neuen Sarkophagtypus eine wichtige Rolle gespielt hat. Die lebendigen Eindrücke
von Tierhatzen im Amphitheater haben auch immer wieder direkt auf die weitere Entwicklung des Typus
eingewirkt. Aber das ist nicht das Entscheidende. Es ging vielmehr darum, dem Gedanken der Heroisierung,
der in vielen Mythendarstellungen auf den römischen Sarkophagen anklingt, eine prägnantere, mit der eigenen
Erlebniswelt enger verbundene Wendung zu geben.

So wurde in einem schöpferischen Akt das unüberwindlich todbringende wilde Tier des Mythos, der Eber
der Hippolytos- und Adonissarkophage durch ein allgemeines und zugleich noch schrecklicheres Todessymbol
ersetzt, durch den Löwen, der jedoch durch keinen mythologischen Zusammenhang als Sieger festgelegt
ist. Dadurch konnte der im Sarkophag bestattete Verstorbene nicht nur in dem allegorischen Sinn mythischer
Heroisierung, sondern in einem unmittelbar anschaulichen Bild als Überwinder des Todes dargestellt werden.
Der Verdeutlichung dieses Bildes diente es, daß ein vom Löwen niedergeworfener Jagdbegleiter im Adonisty-
pus eingefügt wurde, durch den die tötende Macht des Löwen augenfällig und die siegende Kraft des
Verstorbenen umso triumphaler sinnfällig wurde (S. 25fr.). Aus der weiteren Entwicklung des neuen Sarko-
phagtypus und vor allem aus der Aufgabe der Löwenjagddarstellung in der christlichen Sarkophagkunst
konstantinischer Zeit (S. 130) kann man schließen, daß dieses Bild der Überwindung des Todes im Tode
nicht etwa mit gleichlautenden christlichen Vorstellungen identisch ist. Der Bildprägung der Löwenjagdsarko-
phage liegt vielmehr zweifellos die römische Virtusideologie zugrunde. Allerdings reicht es zum Verständnis
der Löwenjagdsarkophage nicht aus, darauf hinzuweisen, daß manche römischen Kaiser des 2. und des
frühen 3. Jahrhunderts sich auf Münzen mit der Beischrift virtus augusti als Löwenjäger darstellen ließen
(S. 23) und daß nach einem beliebten und auch hier bis zu einem gewissen Grade anwendbaren Erklärungsmu-
ster die oberen Bevölkerungsschichten sich alsbald der bis dahin dem Kaiser vorbehaltenen bildlichen Symbole
bemächtigten und damit deren Absinken in noch breitere Bevölkerungsschichten ermöglichten.
Diese bisher vorherrschende, vordergründige Erklärung des Auftretens von Löwenjagddarstellungen auf
den römischen Sarkophagen findet in der Untersuchung der Typologie jedenfalls keine Stütze und bedarf
einer Modifizierung. Denn nicht der auf Münzen geläufige Typus der kaiserlichen Löwenjagd wird auf
die Sarkophage übertragen, vielmehr wird der Typus eines in weitem Sprung heransetzenden Löwen, wie
man ihn schon in den Paradeisosszenen der pompejanischen Wandmalerei findet, innerhalb der im übrigen
kaum veränderten mythologischen Jagdszenen an die Stelle des heranpreschenden Ebers gesetzt (S. 22).
Der in freier Wildbahn aufgewachsene Löwe bleibt auch im 3.Jahrhundert n.Chr. das animal regale, auf
das nur der Kaiser Jagd machen darf oder das bei kaiserlichen Spielen im Amphitheater vor aller Augen
auftritt. Der Löwe ist nicht ein Jagdtier, dem gegenüber sich die Virtus eines Jagdherrn im realen Leben
bewähren könnte, vielmehr ist der Löwe ebenso metaphorisch gemeint wie die Eberjagdszenen der mythologi-
schen Sarkophage. Während der Eber aber immerhin in den heimischen Fluren Italiens als Jagdtier begegnet
und möglicherweise deshalb nichtmythologische Darstellungen der Jagd auf Schwarz- und Rotwild im Lauf
der Zeit in bestimmten Bevölkerungskreisen als Schmuck der Sarkophage immer beliebter werden (S. 108),
ist der Löwe aus einer altorientalischen Tradition heraus, die durch die griechische Kunst hindurch bis
in die römische reicht, auch ein Bild des Todes geworden (S. 26). Infolge der in Rom und nur hier ständig
möglichen unmittelbaren Erfahrungen der überwältigenden Kraft dieses Tieres in den Tierhatzen im Amphi-
theater hatte dieses Bild eine außerordentliche Aktualität gewonnen. So konnte es dazu kommen, daß nach
der Überlieferung der Historia Augusta (Hadrianus 26,10) Kaiser Hadrian seinen eigenen Tod in einem
Traumgesicht vorausahnte, in dem er von einem Löwen überwältigt wurde (S. 27). Die Virtus Augusti,
die tatsächlich einen Löwen in freier Wildbahn besiegte, und die Virtus eines Grabinhabers, der sich im
Bilde der heroischen Überwindung des im Löwen symbolisierten Todes auf seinem monumentalen Sarkophag
darstellen ließ, sind also trotz gemeinsamer geistesgeschichtlicher Voraussetzungen etwas durchaus Verschiede-
nes. Der Kaiser als Löwenjäger auf den Münzen und geschnittenen Steinen ist ein politisches Symbol.
Der Verstorbene vornehme Römer als Löwenjäger auf seinem Grabmal ist nicht einfach als das Ergebnis
einer Übertragung der kaiserlichen Symbolik in den privaten Bereich anzusehen. In der Verschmelzung der
sepulkralallegorischen Tradition der mythologischen Jagddarstellungen mit dem Virtussymbol der Löwenjagd,
in dem der Löwe den Tod verkörpert, wird vielmehr ein ganz anderer Gedankenbezug in die Sprache

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