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Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0034
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i6

TROISCHER KREIS

ten Beine vollständig erhalten zeigt, sondern auch die
Ansatzspuren des Oberkörpers erkennen lässt. Das un-
verständliche „Riesenbein", welches in der Wiedergabe
der Pighianischen Zeichnung bei Jahn an dieser Stelle er-
scheint, beruht lediglich auf dem Uebersehen des vorde-
ren Conturs des rechten Kinderbeines. Von einem zwei-
ten hinter dem erhobenen Arm der Tellus schwebenden
Amor ist das rechte Beinchen und der untere Theil des
Körpers erhalten; undeutlich auch im Coburgensis. Ein klei-
ner in der Scheitelhöhe der Tellus erhaltener runder Rest ist
von dem Anonymus vielleicht mit Recht zu einem von diesem
Amor über das Haupt der Tellus gehaltenen Kranz ergänzt
worden. Der links gelagerte nackte bärtige Mann wird
durch das Ruder als Wassergott bezeichnet, und da auf der
lateranensischen Replik 14 an seiner Seite ein Seedrache er-
scheint, so ist nicht ein Flussgott, sondern, wie Zoega rich-
tig gedeutet hat, Oceanus gemeint. Die am Boden sitzende
Frau, in deren Schooss er seinen rechten Ellenbogen stützt,
ist demnach mit Zoega Tethys zu benennen; halb vom
Rücken gesehen, stützt sie sich mit dem rechten Arm auf
den Erdboden, während sie den linken Arm staunend gegen
Jupiter hin erhebt, zu dem sie auch das Antlitz wendet;
das lange lockige Haar wird durch eine Binde zusammen-
gehalten; ein mantelartiges Gewand läuft von der linken
Schulter über den Rücken herab und ist um die Ober-
schenkel geschlagen. Zwischen Oceanus und Tellus lagert
endlich noch eine vierte Figur, grösser gebildet, als die
beiden Wassergottheiten, und von mächtigeren Körper-
formen; der linke Arm ruht auf einer Terrainerhöhung,
der rechte, jetzt abgebrochene, war erhoben und kann
nicht, wie in der Ergänzung, im Schooss geruht haben; ein
grosser Mantel ist um die Beine und den linken Oberarm
geschlungen. Da ein Attribut nicht vorhanden oder das
vielleicht einst in der rechten Hand vorhandene abgebrochen
ist, fehlt der Anhalt für eine sichere Benennung. Matz be-
zeichnet die Figur als Wassergott, Zoega bestimmter als
Peneios, aber dann müsste die Bevorzugung dieser Figur
vor dem Oceanus durch Platz und Körperbildung auffallend
erscheinen. Dennoch mag Zoega auf dem richtigen Weg
gewesen sein, wenn er die Andeutung eines bestimmten
Locals auf der Erde hier erwartete, wie er auch schwankte,
ob die Tellus nicht vielmehr Thessalia zu benennen sei;
nur wird man in diesem Fall eher an einen Berg- als einen
Flussgott denken mögen; der Platz der Figur unter dem
über dem Caelus thronenden Iupiter empfiehlt die Deutung
auf den Berggott Olympus. Denkbar wäre freilich auch,
dass hier in der Mitte zwischen Oceanus, Tellus und
Caelus ein Wesen derselben Art wie diese angebracht wäre,
z. B. Aer, für den aber, wenn er überhaupt jemals darge-
stellt worden sein sollte, die gelagerte Stellung nicht recht
passend sein würde.

Noch bleibt die Figur zu besprechen, welche links am

Anfang dieser zweiten Scene, neben den emporschweben-
den Göttinnen, unterhalb der Victoria der ersten Scene, er-
scheint: ein jugendlicher Krieger, der in Vorderansicht mit
rechtem Standbein, nicht schreitend (Matz und v.Duhn), son-
dern ruhig dastehend gebildet ist; er trägt an einem Wehr-
gehäng die leere Schwertscheide, die gesenkte (jetzt abge-
brochene) Rechte muss also das gezückte Schwert gehalten
haben; auf seiner linken Schulter ruht die Chlamys, die über
den Rücken herabfallend zu beiden Seiten und zwischen
den Beinen wieder sichtbar wird; in der erhobenen Lin-
ken schwingt er einen Schild. Der Kopf war, wie die
Stellung der Halsmuskeln lehrt und der Anonymus und der
Ergänzer (Spenge) richtig gesehen haben, nach rechts er-
hoben; der Krieger blickte also den forteilenden Göttinnen
nach, und steht somit nicht, wie Matz annahm, unbetheiligt
zwischen beiden Scenen, sondern gehört zu der zweiten.
Neben dem rechten Bein über dem Ende seiner Chlamys
haben sich die Reste und Ansatzspuren einer kleineren
Figur erhalten, zu welcher sowohl der am Boden sichtbare
linke Kinderfuss als die darüberstehende Ansatzspur eines
Flügels gehören müssen. Mit Recht nimmt v. Duhn an,
dass die Reste von einem Amor herrühren, den er jedoch
zur ersten Scene zieht und die Venus zu Paris hinschieben
lässt. Dem widerspricht jedoch die Richtung des Flügels.

j Richtiger lässt der Anonymus, der einzige ältere Künstler,
der die Spuren erkannt und verwerthet hat, den Amor
dem Krieger sich zuwenden, nur durfte er ihn nicht die
Hand desselben ergreifen lassen. Bestätigt wird diese Wen-
dung des Amors durch die Stellung des Kinderfusses auf 14,
sowie durch die dort vor den Füssen des Kriegers liegenden
offenbar diesem Amor gehörigen Warfen, Köcher und Bogen.
Aber auch rechts neben dem Krieger befand sich wahrschein-
lich noch eine zweite Figur. Zunächst ist der untere Theil
des Gewandes und der rechte Fuss der Iuno in so flachem
Relief gearbeitet, wie es nur an Stellen zu geschehen pflegte,
die durch stärker hervortretende Figuren ganz oder theilweise
verdeckt wurden. Sodann erscheint auf dem Gewand der
Iuno, aber sicher weder zu diesem noch zum Mantel der
Venus gehörig ein bogenförmiger Rest, welchen Eichler
für ein Gewandstück hielt, während er mir eher einem
Flügel ähnlich zu sein schien. Endlich finden sich noch
unter dem Wehrgehänge und am linken Oberschenkel
des Kriegers undeutliche Reste. Dies Alles führt zu dem
Schluss, dass zwischen dem Krieger und der Venus der
zweiten Scene etwa in der Höhe des rechten Beines der
Iuno ein kleines Figürchen weggebrochen ist, und zwar da
der untere Theil der Platte an dieser Stelle durch das stark
herausgearbeitete rechte Bein der Venus gefüllt ist, ein in
der Luft schwebendes Figürchen, somit ein Amor, der ent-
weder hinter Venus herflog oder, was nach der Stellung
des als Flügel gedeuteten Restes wahrscheinlicher ist, sich,

j wie sein Genosse, dem Krieger zuwandte.
 
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