Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (2): Mythologische Cyklen — Berlin, 1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.12015#0215
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
I

ARGONAUTEN-KREIS.

Den Darstellungen der Argonauten sage auf den Sar-
kophagen liegen dieselben litterarischen Quellen zu Grunde,
wie den Erzählungen der mythographischen Handbücher
aus der Kaiserzeit, für den ersten Theil die Argonautika
des Apollonios, für den zweiten die Medcla des Euripides.
Es lassen sich drei Classen unterscheiden. Die erste, die
bis jetzt nur durch den ganz singulären Kindersarkophag 187
vertreten ist, verbindet zwei Ereignisse der Vorgeschichte,
die Flucht des Phrixus und das Schicksal der Ino
mit der Wiedergewinnung des Vliesses durch Iason.
Es ist vielleicht der Sarkophag eines jungen Mädchens, für
dessen Tod der Untergang der Helle in der Mittelscene
der symbolische Ausdruck sein soll. Die zweite Classe
188—192 enthält die kolchischen Abenteuer des
Iason, die Bändigung der Stiere und die Erringung
des Vliesses 188, wozu als dritte Scene auf 189 die Ver-
mählung mitMedea, auf 190 die mit Creusa hinzutritt.
Berühmte Kunstwerke liegen nur den beiden ersten Scenen
zu Grunde, der Stierbändigung 188. 189. 191 vielleicht
eine Statuengruppe, zu der die Nebenfiguren von den Sarko-
phagarbeitern aus Apollonios hinzugesetzt sind, der Gewin-
nung des Vliesses 187. 188. 189. 190. 192 vielleicht ein
Gemälde. Obgleich der Typus dieser zweiten Scene con-
stant derselbe bleibt, so wird doch die Bezauberung des
das Vliess bewachenden Drachen auf drei verschiedene
Arten dargestellt und stimmt nur auf 188 genau mit
Apollonios überein. Für die beiden Hochzeitsdarstellungen
189. igo sind die gewöhnlichen Typen der Vita communis
verwandt, s. Band I dieses Werkes. Die Exemplare der
dritten Classe 194—202, unter denen 194 wohl als Deckel
zu einem Sarkophag der zweiten Classe gehört, führen das
Schicksal der Medea in Korinth nach der von Euripidis
in seiner Medeia geschaffenen Sagenversion in vier Scenen
yor, der Ueberbringung der Geschenke an Creusa,
dem Tod der Creusa, dem Kindermord der Medea
und ihrer Flucht auf dem Drachenwagen. Dazu tritt

auf dem Deckel 194 noch die Hochzeit mit Medea in
demselben der Vita communis entlehnten Typus, wie auf
dem einen Exemplar der zweiten Classe 189. Berühmte
Originale, vermuthlich Gemälde, scheinen nur der dritten
und vierten Scene, dem Kindermord der Medea und
ihrer Flucht auf dem Drachenwagen, zu Grunde zu
liegen. Die vierte Scene findet sich, wahrscheinlich noch
getreuer dem Original entsprechend, auch auf einem römi-
schen Guirlandensarkophag des ersten Jahrhunderts 193.
Eine Variation der dritten Scene ist zur Ausfüllung des
Giebelfeldes an einem gallischen Sarkophag verwandt 203
und auch auf einem Sarkophag der zweiten Classe 190 mit
der Darstellung von Iasons Hochzeit mit Creusa frei ver-
bunden. Dagegen enthalten die erste und zweite Scene,
die Ueberbringung der Geschenke an Creusa und
Creusa's Tod, so charakteristische Züge specifisch römi-
scher Sitte, dass sie nur, wenn nicht von den Sarkophag-
arbeitern selbst, so doch von römischen oder in Rom leben-
den Künstlern erfunden sein können; die erste ist möglicher-
weise sogar nur die Umbildung einer römischen Genrescene.

Schmalseiten sind bei den Exemplaren der zweiten
Classe nicht erhalten. Die Schmalseiten der dritten Classe,
zu denen aller Wahrscheinlichkeit nach auch 192 zu rechnen
ist, enthalten theils die typischen Greife 199 a, theils solche
Scenen, die bei der zweiten Classe, auf der Vorderseite
erscheinen, so die Bändigung der Stiere 200 a, die Er-
ringung des Vliesses 192 und in abgekürzter Form
die Hochzeit mit Creusa 201a, theils andere, wie es
scheint, von den Sarkophagarbeitern im Anschluss an Apol-
lonios frei erfundene Scenen aus dem früheren Leben
des Iason, so seine erste heimliche Begegnung mit
Medea 192a, und vielleicht sein Gespräch mit Argus
über den Schiffsbau 201b und sein Zusammentreffen
mit dem Dolionenkönig Cyzicus 200b.

Mit Ausnahme von 193 scheinen alle erhaltenen Exem-
plare dem zweiten Jahrhundert anzugehören.


 
Annotationen