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ENDYMION
obern Rand über dem Mantel des zur Rechten befind-
lichen berechtigen zu dem Schluss, dass sie Fackeln hielten.
Danach wird man in diesen Knaben Lucifer und Hesperus
erkennen dürfen. Den von Luna verlassenen Wagen
hütet, statt des Amor auf den Sarkophagen der ersten
Classe, hier Venus selbst. Nackt bis auf einen grossen
Mantel, der sie in weitem Bogen umrahmt, hält sie mit der
Rechten die Zügel und wendet den Kopf nach Luna um;
der Gestus der linken Hand scheint besagen zu sollen, dass
das Gespann in guter Hut zurückbleibt. Ein ungeflügelter
Amor, der unter dem rechten Arm der Göttin schwebt,
scheint mit der jetzt fehlenden Rechten auf Luna gezeigt
zu haben, während das zu Gerhards Zeit
noch erhaltene Gesicht auf das Gespann
blickte (s. die beistehende Abbildung). Dieses,
zwei Rinder wie sie gewöhnlich nur am
Wagen der weiterfahrenden Luna erscheinen
(72b. 77. 79. 80. 801), wird von Aura ge-
halten, die in ruhigerer Haltung als sonst NACH GERHARD
und ganz in Vorderansicht dargestellt ist. Der Gegenstand
über ihrer Stirn, der wie eine Mondsichel aussieht und
bei Gerhard auch als solche gezeichnet ist, wird nichts an-
deres sein, als die beiden in die Höhe gebogenen Löckchen,
die sie auch auf 61.64.72 trägt; vgl. auch die Frisur der Venus.
Ein jetzt sehr verstümmelter ungeflügelter Amor fliegt von
links zu ihrer Unterstützung herbei, vgl. 51. 65. 72. 79.
Latmus und seine Nymphe haben hier ihren Platz über
den Köpfen der Rinder erhalten. Der Berggott, als lang-
lockiger Jüngling gebildet, legt die rechte Hand auf sein
vom Mantel bedecktes Knie und macht mit der erhobenen
Linken eine Geberde des Staunens (vgl. 72), indem er sein
Gesicht der Nymphe zukehrt. Diese, die mit einem den
ganzen Körper bedeckenden Chiton und einem langen
Mantel bekleidet ist, setzt den linken Fuss auf eine Er-
höhung und scheint, sich vorbeugend, mit der jetzt fehlen-
den Rechten auf Luna gezeigt zu haben; mit der Linken
hält sie einen Zipfel ihres Mantels gefasst. Zwei Ziegen
lagern links auf einem Felsen, eine dritte rechts etwas tiefer
unter einem Oelbaum.
Unter dem Gespann lagern Tethys und Oceanus;
vgl. II 11. 14. Zu den Füssen der Tethys liegt ein See-
drache; unter ihrem Bein ist Wasser angedeutet. Die
Göttin trägt einen schmalen Mantel, der sich im Bogen
hinter ihrem Haupte wölbt. Die Blicke auf Venus richtend,
macht sie mit der erhobenen Linken einen Gestus des
angebracht sind. In der Höhe umschweben Staunens, vgl. die Tellus auf 61. 62. 75. Auch Oceanus,
sie zwei symmetrisch gestellte Knaben, von der die Rechte auf ein grosses Muschelhorn stützt (vgl. II 14),
denen der links zu Gerhards Zeit noch blickt auf Venus und scheint mit dem rechten Zeigefinger
besser erhalten war (s. die beistehende Ab- auf sie zu deuten. Ueber seiner Stirn bemerkt man noch
bildung). Beide tragen bogenförmig flattern- den Ansatz der Krebsscheeren. In denselben Kreis von
den Mantel. Ein Rest an der rechten Figuren gehört die mit einem feinen Chiton und einem
nach gerhard '
Schulter des zur Linken, ein ähnlicher am um den Unterkörper geschlungenen Mantel bekleidete Frau
1881 S. 188 Nr. 1715; Winnefeld Hypnos 1886 S. 18; Steuding
in Roschers Mythologischem Lexikon II S. 2116.
Endymion liegt mit weit nach hinten überfallendem
Kopf in fast horizontaler Stellung da, die in den Mantel
gewickelte Rechte über den Kopf gelegt. In dem Gesicht
wollte Zoega ein Porträt erkennen. Zu seinen Füssen und
unter seiner linken Hand lagern seine beiden Hunde, mit
zurückgewandtem Kopf einander anblickend. Der jugend-
liche Somnus, mit einer Binde im Haar, an der Zoega
noch zwei jetzt nicht mehr bemerkliche Flügelchen notirte
(vgl. 82), tritt von hinten an Endymion heran (vgl. 53), in
der Linken einen grossen Mohnstengel; die rechte Hand
mit dem Horn ist in ungeschickter Weise so weit vorgestreckt,
dass sich der Schlafsaft über den Leib statt in die Augen des
Endymion ergiessen würde. Der Schlafgott trägt eine über
beide Arme geworfene, im Rücken bogenförmig flatternde
Chlamys, die, wie sonst der Mantel der Luna, von einem
neben ihm schwebenden, auf die nahende Göttin blickenden
Amor gehalten wird. In der Höhe ist auf einem Felsen
die Heerde des Endymion durch einen gelagerten und einen
stehenden Widder angedeutet. Luna, die bereits ihren
Wagen verlassen hat, bewegt sich, mit den Füssen kaum
die Erde berührend und gleichsam hinsinkend, mit sehn-
süchtigem Gesichtsausdruck und weit vorgestreckten Armen
auf Endymion zu. Den Kopf hat sie schamhaft mit dem
Mantel verhüllt; über der Stirn trägt sie die Mondsichel.
Auch bei ihr wollte Zoega Porträtzüge constatiren. Statt
eines Amor geleitet sie stützend die Göttin der Nacht, die
mit der Linken ihren Arm gefasst hält, während sie die
Rechte, wie wir uns offenbar vorzustellen haben, um ihre
Schultern legt, ganz wie eine Brautführerin {„col braccio
le stringe le spalle" Zoega). Treffend verweist Dilthey
auf den Vers des Musaios 282
N:)£ jusv lYjV Ksboiai ya/mcrokoi;
und Claudian de raptu Proserpinae III 562. 563
ducitur in thalamum virgo, stat pronuba iuxta
stellantes Nox picta sinus,
ferner auf Nonnos VII 295. XLVII 330. Vergleichen lässt
sich auch das auvspäaa irorvia Nu£ ju.01 in der Liebesklage des
verlassenen Mädchens bei B. Grenfell An Alexandrian erotic
fragment (vgl. von Wilamowitz-Moellendorff Nachrichten
der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften 189Ö S. 1209 ff).
Nox, deren reiches Haar sorgfältig frisirt ist, trägt einen
feinen Chiton mit Ueberschlag und einen bogenförmig
flatternden Mantel, über dem im Reliefgrund zwei Sterne
ENDYMION
obern Rand über dem Mantel des zur Rechten befind-
lichen berechtigen zu dem Schluss, dass sie Fackeln hielten.
Danach wird man in diesen Knaben Lucifer und Hesperus
erkennen dürfen. Den von Luna verlassenen Wagen
hütet, statt des Amor auf den Sarkophagen der ersten
Classe, hier Venus selbst. Nackt bis auf einen grossen
Mantel, der sie in weitem Bogen umrahmt, hält sie mit der
Rechten die Zügel und wendet den Kopf nach Luna um;
der Gestus der linken Hand scheint besagen zu sollen, dass
das Gespann in guter Hut zurückbleibt. Ein ungeflügelter
Amor, der unter dem rechten Arm der Göttin schwebt,
scheint mit der jetzt fehlenden Rechten auf Luna gezeigt
zu haben, während das zu Gerhards Zeit
noch erhaltene Gesicht auf das Gespann
blickte (s. die beistehende Abbildung). Dieses,
zwei Rinder wie sie gewöhnlich nur am
Wagen der weiterfahrenden Luna erscheinen
(72b. 77. 79. 80. 801), wird von Aura ge-
halten, die in ruhigerer Haltung als sonst NACH GERHARD
und ganz in Vorderansicht dargestellt ist. Der Gegenstand
über ihrer Stirn, der wie eine Mondsichel aussieht und
bei Gerhard auch als solche gezeichnet ist, wird nichts an-
deres sein, als die beiden in die Höhe gebogenen Löckchen,
die sie auch auf 61.64.72 trägt; vgl. auch die Frisur der Venus.
Ein jetzt sehr verstümmelter ungeflügelter Amor fliegt von
links zu ihrer Unterstützung herbei, vgl. 51. 65. 72. 79.
Latmus und seine Nymphe haben hier ihren Platz über
den Köpfen der Rinder erhalten. Der Berggott, als lang-
lockiger Jüngling gebildet, legt die rechte Hand auf sein
vom Mantel bedecktes Knie und macht mit der erhobenen
Linken eine Geberde des Staunens (vgl. 72), indem er sein
Gesicht der Nymphe zukehrt. Diese, die mit einem den
ganzen Körper bedeckenden Chiton und einem langen
Mantel bekleidet ist, setzt den linken Fuss auf eine Er-
höhung und scheint, sich vorbeugend, mit der jetzt fehlen-
den Rechten auf Luna gezeigt zu haben; mit der Linken
hält sie einen Zipfel ihres Mantels gefasst. Zwei Ziegen
lagern links auf einem Felsen, eine dritte rechts etwas tiefer
unter einem Oelbaum.
Unter dem Gespann lagern Tethys und Oceanus;
vgl. II 11. 14. Zu den Füssen der Tethys liegt ein See-
drache; unter ihrem Bein ist Wasser angedeutet. Die
Göttin trägt einen schmalen Mantel, der sich im Bogen
hinter ihrem Haupte wölbt. Die Blicke auf Venus richtend,
macht sie mit der erhobenen Linken einen Gestus des
angebracht sind. In der Höhe umschweben Staunens, vgl. die Tellus auf 61. 62. 75. Auch Oceanus,
sie zwei symmetrisch gestellte Knaben, von der die Rechte auf ein grosses Muschelhorn stützt (vgl. II 14),
denen der links zu Gerhards Zeit noch blickt auf Venus und scheint mit dem rechten Zeigefinger
besser erhalten war (s. die beistehende Ab- auf sie zu deuten. Ueber seiner Stirn bemerkt man noch
bildung). Beide tragen bogenförmig flattern- den Ansatz der Krebsscheeren. In denselben Kreis von
den Mantel. Ein Rest an der rechten Figuren gehört die mit einem feinen Chiton und einem
nach gerhard '
Schulter des zur Linken, ein ähnlicher am um den Unterkörper geschlungenen Mantel bekleidete Frau
1881 S. 188 Nr. 1715; Winnefeld Hypnos 1886 S. 18; Steuding
in Roschers Mythologischem Lexikon II S. 2116.
Endymion liegt mit weit nach hinten überfallendem
Kopf in fast horizontaler Stellung da, die in den Mantel
gewickelte Rechte über den Kopf gelegt. In dem Gesicht
wollte Zoega ein Porträt erkennen. Zu seinen Füssen und
unter seiner linken Hand lagern seine beiden Hunde, mit
zurückgewandtem Kopf einander anblickend. Der jugend-
liche Somnus, mit einer Binde im Haar, an der Zoega
noch zwei jetzt nicht mehr bemerkliche Flügelchen notirte
(vgl. 82), tritt von hinten an Endymion heran (vgl. 53), in
der Linken einen grossen Mohnstengel; die rechte Hand
mit dem Horn ist in ungeschickter Weise so weit vorgestreckt,
dass sich der Schlafsaft über den Leib statt in die Augen des
Endymion ergiessen würde. Der Schlafgott trägt eine über
beide Arme geworfene, im Rücken bogenförmig flatternde
Chlamys, die, wie sonst der Mantel der Luna, von einem
neben ihm schwebenden, auf die nahende Göttin blickenden
Amor gehalten wird. In der Höhe ist auf einem Felsen
die Heerde des Endymion durch einen gelagerten und einen
stehenden Widder angedeutet. Luna, die bereits ihren
Wagen verlassen hat, bewegt sich, mit den Füssen kaum
die Erde berührend und gleichsam hinsinkend, mit sehn-
süchtigem Gesichtsausdruck und weit vorgestreckten Armen
auf Endymion zu. Den Kopf hat sie schamhaft mit dem
Mantel verhüllt; über der Stirn trägt sie die Mondsichel.
Auch bei ihr wollte Zoega Porträtzüge constatiren. Statt
eines Amor geleitet sie stützend die Göttin der Nacht, die
mit der Linken ihren Arm gefasst hält, während sie die
Rechte, wie wir uns offenbar vorzustellen haben, um ihre
Schultern legt, ganz wie eine Brautführerin {„col braccio
le stringe le spalle" Zoega). Treffend verweist Dilthey
auf den Vers des Musaios 282
N:)£ jusv lYjV Ksboiai ya/mcrokoi;
und Claudian de raptu Proserpinae III 562. 563
ducitur in thalamum virgo, stat pronuba iuxta
stellantes Nox picta sinus,
ferner auf Nonnos VII 295. XLVII 330. Vergleichen lässt
sich auch das auvspäaa irorvia Nu£ ju.01 in der Liebesklage des
verlassenen Mädchens bei B. Grenfell An Alexandrian erotic
fragment (vgl. von Wilamowitz-Moellendorff Nachrichten
der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften 189Ö S. 1209 ff).
Nox, deren reiches Haar sorgfältig frisirt ist, trägt einen
feinen Chiton mit Ueberschlag und einen bogenförmig
flatternden Mantel, über dem im Reliefgrund zwei Sterne