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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0015
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K. HIPPOLYTOS.

Die litterarische Quelle für die Darstellung der Hippolytos-
Sage auf den Sarkophagen ist einzig und allein der erhaltene
zweite Hippolytos des Euripides, 'ItttoXutoc; osuxepo; \ otscpav{ac.
Wenn gelegentlich versucht worden ist, die Darstellungen
einzelner Exemplare auf den ersten Hippolytos desselben Dich-
ters oder gar auf die Phaidra des Sophokles zurückzuführen,
so beruht das auf Verkennung theils der künstlerischen Aus-
drucksmittel theils der Entwicklung und Tradition der bild-
lichen Typen. So entspringt es z. B. einfach freier künst-
lerischer Erfindung, wenn der Antrag der Amme so dargestellt
wird, dass sie dem Hippolytos einen Liebesbrief überreicht
151. 152. 154. 159. 161. 163. Dass ein solcher im ersten
Hippolytos nicht vorkam, darf als erwiesen gelten, und für
die Phaidra des Sophokles ist dies Motiv mindestens sehr
unwahrscheinlich, abgesehen davon, dass dies Stück schon
wegen seiner geringen Popularität als litterarische Quelle
kaum in Betracht kommen kann1). Ovid wurde auf den
Liebesbrief durch den Plan seines Epistularum Uber ganz
von selbst geführt, und dass etwa seine IV Heroide auf die
Sarkophagdarstellungen eingewirkt haben sollte, ist schon
dadurch ausgeschlossen, dass das Briefmotiv zuerst und
vornehmlich auf griechischen Sarkophagen erscheint. Für
den Liebesantrag ist etwa seit der alexandrinischen Poesie
der Brief der typische Ausdrück, und so erscheint er denn
auch schon auf einem pompejanischen Phaidrabild dritten
Stiles, das vielleicht auf ein hellenistisches Vorbild zurückgeht
(Mittheilungen des Kaiserlich Deutschen Archaeologischen
Instituts in Rom V 1890 Taf. III und dazu Sauer ebenda
S- I7ff-)s desgleichen auf einem etwas jüngeren des vierten
Stils (Zahn Die schönsten Ornamente u. s.w. II 61, Helbig
Wandgemälde S. 264 Nr. 1264). Ebensowenig darf aus der
Verschiedenheit der Haltung der Phaidra auf eine verschiedene
litterarische Quelle geschlossen werden. Allerdings wird die
liebeskranke Königin auf den Sarkophagen in sehr mannich-
faltiger Weise aufgefasst und dargestellt. Bald erscheint
sie ganz in Liebessehnsucht verzehrt und oft völlig gebrochen
144. 152. 155. 158- *59- 161. 171. 176, bald in stolzer könig-
licher Haltung 164. 165, manchmal mit dem Ausdruck un-
verhohlener Lüsternheit 156. 160, häufig auch auf die Reden
einer Dienerin oder der Amme lauschend 151. 154b. 163.

') S. im Allgemeinen Kalkmann de Hippolytis Euripideis, U. von
Wilamowitz-Möllendorff Euripides Hippolytos u. A.

166. 167. Aber man kann beobachten, dass diese Ver-
schiedenheit in der Charakteristik der Phaidra sich auch bei
Darstellungen findet, die in allen übrigen Punkten völlig mit
einander übereinstimmen (vgl. 161. 163), und wer die Reihe
164—171 überschaut, wird erkennen, wie sich in ganz all-
mählichen, unmerklichen Uebergängen aus der stolzen Phai-
dra die vor Liebe hinsiechende entwickelt oder vielmehr um-
gekehrt. Es handelt sich hierbei nur um Nüancen der Dar-
stellung, nicht um principielle Differenzen in der Auffassung,
und nicht die Verschiedenheit der litterarischen Quellen,
sondern die Laune des Arbeiters oder Bestellers ist der
massgebende Factor gewesen. Auch dass der Antrag der
Amme häufig, und auf den römischen Exemplaren sogar
regelmässig, in Gegenwart der Phaidra erfolgt, kann gegen
die Zurückführung auf den zweiten Hippolytos nicht geltend
gemacht werden. Die tragische Heldin selbst zu zeigen
und ihre Leidenschaft mit dem schroffen Tugendstolz des
Hippolytos in Contrast zu bringen war für die bildende
Kunst ein unumgängliches Postulat, und wo nicht, wie bei
152—154, zwei Scenen zur Verfügung standen, mussten eben
Phaidra und Hippolytos in einer und derselben Scene vor-
geführt werden. Auch hier war die Malerei vorangegangen
durch Schaffung eines Typus, der namentlich die römischen
Sarkophage, aber auch die griechischen, sehr stark beeinflusst
hat (vgl. das Gemälde aus den Traiansthermen unten S. 177
und die dort angeführten pompeianischen Gemälde). Aber
niemals tritt Hippolytos zu Phaidra in directe Beziehung,
immer hat er es nur mit der Amme zu thun. Hätten sich
die Sarkophagarbeiter Phaidra selbst als die Werbende ge-
dacht, wie in der Phaedra des Seneca und nach der jetzt
allgemein acceptirten und gewiss richtigen Annahme in dem
ersten Hippolytos des Euripides, so würden sie die Königin
gewiss nicht sitzend, sondern in leidenschaftlicher Bewegung
neben dem Geliebten stehend gebildet haben. Wenn end-
lich dreimal 160 a. 161. 163 Scenen dargestellt zu sein
scheinen, die in dem erhaltenen Hippolytos nicht vorkommen,
so ist das in der That nur Schein. Es handelt sich hier um
die auch sonst zu constatirende Tendenz (s. Band II S. 61)
die sämmtlichen Personen eines Mythos zusammenzustellen
und den ganzen Verlauf der Handlung in eine einzige Scene
zusammenzupressen. Alle diese Abweichungen, wenn über-
haupt von solchen gesprochen werden darf, sind also theils
durch das Wesen der bildlichen Darstellung theils durch eine

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