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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,2): Einzelmythen: Hippolytos - Meleagros — Berlin, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.12013#0019
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TAFEL XLIV. XLV GRIECHISCHE SARKOPHAGE 144

173

weit vorgestreckten Linken weist sie ihm Phaidra als das
Ziel seines Schusses. Im Hintergrund eine Dienerin der
Phaidra, die Daumen und Zeigefinger nachdenklich zum
Gesicht erhebt. Sie trägt die sog. Melonenfrisur und ist mit
dem blossen Chiton, dessen Ueberschlag gegürtet ist,
bekleidet.

In der Gruppe rechts sitzt Hippolytos auf einem mit
dickem Kissen belegten breiten Stuhl. Sein Oberkörper ist
nackt, um die Oberschenkel ist ein langer Mantel geschlagen,
in seinem Schoosse ruht das in der Scheide steckende
Schwert. Die rechte Hand ist mit festem Griff auf den
Sitz gestützt, die erhobene Linke auf den Jagdspiess. Der
Kopf war, wie die Stellung der Halsmuskeln erkennen
lässt, nach links gewandt. Die Reste unter dem Sitze
rühren von einem nach links gelagerten kleinen Jagd-
hund her (vgl. 146), dessen Vorderbeine und Bauchlinie
sich noch deutlich erkennen lassen. Das vordere Stuhl-
bein wird man sich wie auf 146 mit einer Sphinx ge-
schmückt zu denken haben. Links von Hippolytos ist ein
Knabe beschäftigt, ein Geweih, ohne Zweifel das eines eben
von dem Heros erlegten Hirsches, an dem Gebälk eines
kleinen, gewiss der Artemis geweihten Tempelchens fest-
zunageln. Dieser junge Sclave, der einen kurzen gegürteten
Chiton trägt, reckt sich, um hinaufreichen zu können, auf
den Zehen empor. Die hoch erhobene Rechte führt eben
mit dem Hammer einen Schlag, die Linke war gleichfalls
erhoben und hielt das untere Ende des Geweihes, s. 145.
Das Heiligthum ist ein offenes viereckiges Tempelchen, das
von einem kegelförmigen Dache bekrönt und von vier
dorischen Säulen getragen wird, die auf einer hohen mit
Zweigen geschmückten Attika stehen. Diese Weihung der
Jagdtrophäe scheint die Aufmerksamkeit des Hippolytos aus-
schliesslich in Anspruch zu nehmen. Eine zweite Jagdbeute,
ein mächtiger Eber, wird weiter rechts eben von einem Last-
pferd abgeladen. Das mit einem Holzsattel bedeckte Thier
labt sich aus einem vor ihm stehenden Wasserbecken. Der
kleine Puntello am Sattel rührt von dem linken Hinterhuf
des Ebers her. Der mit dem erlegten Thiere beschäftigte
Diener hat seinen Mantel schurzartig um die Hüften ge-
schlungen, um die Arme frei zu haben. Er hat sich den
Eber so auf den Rücken geladen, dass er mit dem rechten
Arme dessen Hintertheil im Obergriff, mit dem linken den
Hals im Untergriff umfasst. Unter der gewaltigen Last
biegt sich sein Oberkörper etwas rückwärts und nach links;
die Knie sind gebeugt und die Fersen gehoben. Rechts
von diesem Vorgang wird die Scene durch einen Gefährten
des Hippolytos abgeschlossen, der seinen langen Mantel
um den linken Unterarm geschlungen hat und in der rechten
Hand, die nach der Schulterstellung zu urtheilen, etwas
vom Leib abgehalten war, einen Gegenstand hielt, von
dem die Reste an der Mähne des Pferdes und an seiner
rechten Hüfte herrühren müssen; vermuthlich war es ein

in der Scheide steckendes Schwert. Man hat sich wohl
vorzustellen, dass dieser Gefährte des Hippolytos das Ab-
laden des Ebers beaufsichtigt.

Es ist also hier die von den Göttinnen der Liebe in
heisser Leidenschaft zu Hippolytos hingezogene Phaidra
mit diesem selbst zusammengestellt, der, seiner Jagdbeute
froh, die Stiefmutter gar nicht beachtet. Natürlich ist eine
solche Situation in der Wirklichkeit nicht möglich, nicht ein-
mal in der Wirklichkeit der Bühne; vielmehr sind die beiden
Hauptfiguren, um uns ihren Charakter und ihre Empfindung
in demselben Bilde zu zeigen, auf rein idealen Boden ver-
setzt. Dabei ist aber nichtsdestoweniger der erhaltene
zweite Hippolytos sowohl für die gesammte Situation wie
für die einzelnen Motive unverkennbar die litterarische
Quelle, ja man könnte sagen, dass der Erfinder die ganze
Darstellung in freier Weise aus V. 1 — 266 herausentwickelt
hat. Für die Gruppe links ist das Auftreten der Phaidra
V. 170—266, für die rechts der zweite Theil des Prologs
V. 58 —120 massgebend gewesen. Wenn Aphrodite bei
Euripides sagt V. 2 7 f.

$ai'8pa xctpöi'av -/aiefyeTo
epum ostvai toti; e^oic ßooXeu[i.aat,

so wird das dadurch ausgedrückt, dass Eros auf Geheiss
seiner Mutter einen Liebespfeil auf Phaidra abschiesst. Der
Mantel, den sich die sieche Königin über das Haupt ge-
zogen hat, entspricht dem smxpaMov, das sich Phaidra im
Drama zuerst abnehmen und dann wieder aufsetzen lässt
(V. 201. V. 242), das Artemis-Tempelchen dem Bild dieser
Göttin, dem Hippolytos den frischen Wiesenkranz weiht
(V. 7 3 ff.), und vielleicht soll die ganz singulare Decoration
der Attika mit einer Blattguirlande eben diesen Kranz vor-
stellen. Die Amme der Phaidra und den alten Diener des
Hippolytos darf man in der Darstellung nicht suchen; sie
sind als fremde Elemente in dem hier versammelten vor-
nehmen Kreis mit Recht ausgeschieden.

Die Gliederung in zwei Gruppen, jede mit dem einen
Partner des Liebespaars als Centrum, hat der Sarkophag
mit II 23 gemein, mit dem er auch tektonisch und decorativ
sehr übereinstimmt.

Die rechte Schmalseite Fig. 144b enthält als Gegen-
stück zu Hippolytos und Phaidra das Liebesabenteuer von
Hippolytos' Vater Theseus mit der Schwester der Phaidra
Ariadne. Auch im zweiten Hippolytos vergleicht Phaidra
ihr Loos mit dem ihrer Schwester V. 339; allerdings hat
Euripides hierbei, wie von Maximilian Mayer [de Euripidis
mythopoeia p. 63) nachgewiesen ist, sicherlich nicht an die
Entführung durch Theseus gedacht, vielmehr geflissent-
lich und aus guten Gründen diese Sagenform ignorirt. In-
dessen dem Publikum der römischen Kaiserzeit war gerade
sie so geläufig und waren die abweichenden Versionen so
 
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