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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,3): Einzelmythen: Niobiden - Triptolemos ungedeutet — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.12730#0031
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POETISCHE QUELLEN.

389

erste Version charakteristischen einfachen Wettfahrt. Wir
werden also diese Motivierung der ersten Version zuschrei-
ben dürfen, und hier scheint sich nun eine Berührung mit
einem Fragment aus Euripides' Oinomaos zu bieten, in dem
die Reflexion angestellt wird, ob Nachkommenschaft wün-
schenswert sei oder nicht [fr. 571), eine Reflexion, die im
Munde des Oinomaos, der selbst keine männliche Nach-
kommenschaft hat und von seiner Tochter nur um den
Preis des eigenen Lebens solche erwarten darf, besonders
passend sein würde1:. Sicher ist, daß dieses Orakel im
Oenomaus des Accius vorkam, wo Pelops dem König die
Furcht vor dem Spruch auszureden sucht, fr. 6: ego ut
essem adfinis tibi, non ut te extinguerem, tuam petii gnatam:
numero te expugnat timor. Wenn also diese Motivierung dem
Euripides gehört, so würde damit auch entschieden sein,
daß dessen Oinomaos und nicht der des Sophokles das
Vorbild des Accius war"). Die erste Motivierung, die ver-
brecherische Liebe des Königs zu seiner Tochter, also das
bekannte Apollonios-Motiv, muß dann folgerichtig dem
Sophokles zugeschrieben werden.

Auch zum Tode des Oinomaos notiert Apollodor eine
Variante IX (2, 7): zotxa os xivat; ävotpeö^vai utuö xoü IIsXotcos;
dasselbe meint Ps.-Lukian Charid. 19: ■ysyovi xov xvjosar/jv
etcI xepjjiaai x^; v(xy)c ditexTovcä;, und bei Hygin fad. 245 er-
scheint, unter denen qui soceros occiderunt, auch Pelops Tan-
tali filius Oenomaum Marlis filium. So stellen auch die
etruskischen Urnen das Ende des Oinomaos dar (Körte
Urne etrusche II tav. V 1. XLI—XLVII 2—16. LH s. n.).
Als Waffe dient dort dem Pelops bald ein Speer, bald ein
Schwert, bald das gelöste Wagenrad. Auch diese Version
müssen wir konsequenter Weise auf Sophokles zurück-
führen, um so mehr als Ps.-Lukian nur diesen im Auge hat.
Motiviert mag die Tat so gewesen sein, daß Hippodameia
ihrem Geliebten auf der Fahrt von den Nachstellungen
ihres Vaters erzählte und ihn zum Rächer ihrer Ehre be-
stellte, wie er denn bei Ps.-Lukian ausdrücklich als Werk-
zeug der Rache, allerdings der der Götter, bezeichnet wird.
Auf einigen Urnen nimmt sogar Hippodameia selbst am
Morde teil (Körte a. a. O. XLII 5. XLIV 8. 9. XLV 10).
Ob dies gleichfalls auf Sophokles zurückgeht oder ob es
eine spätere, vielleicht erst von der Kunst eingeführte
Steigerung ist, läßt sich nicht entscheiden. Ausgeschlossen
ist die Zurückführung auf Sophokles nicht. Ein Weib, das,
um in den Besitz des geliebten Mannes zu gelangen, bereit
ist, seinen Leib einem anderen preiszugeben, wird auch des
Mordes am eigenen Vater fähig sein, zumal wenn es dieser
mit unsittlichen Anträgen gequält hat. Das wäre dann

') Er befindet sich in ähnlicher Lage wie Laios. Auf den Zusammen-
hang dieses Fragments mit der Grundidee der Trilogie habe ich Oidipus
I S. 414 hingewiesen.

2) S. über diese Frage Welcker Griech. Trag. I 352 ff.; Ribbeck Rom.
Tragödie 441, und vor allem Leo Gesch. der röm. Literatur I S. 396. Die

Beatrice Cenci in der Antike. Im Katalog der impiae bei
Hygin fad. 255, wo man Hippodameia in diesem Falle zu
finden erwarten würde, wird sie allerdings nicht genannt.
Aber hier ist gleich im Anfang eine Lücke. Auch auf dem
griechischen Exemplar 322 sind beim Tode des Oinomaos
Pelops und Hippodameia zugegen, jedoch als bloße Zu-
schauer, ohne tätigen Anteil zu nehmen.

Das Weitere, die Ermordung des Myrtilos, erzählen
Apollodor und Hygin3) nach Pherekydes fr. 93 (Schol.
Soph. El. 505); eine romantische Weiterbildung steht in den
Ilias-Scholien AD B 104. Myrtilos wird bei den Geraisti-
schen Klippen in das Meer gestürzt, das nun seinen Namen
erhält. Das ist die alte Sage, der auch Sophokles Elektra
505 fr. und Euripides Or. 988 fr. in ihren Chorliedern folgen.
Aber in ihren Dramen mußten sie hier wohl ändern; denn
sonst hätte eine einzige Botenrede die Wettfahrt, den Tod
des Oinomaos sowie den des Myrtilos enthalten müssen,
was kaum denkbar ist. Auf etruskischen Urnen sieht man
den auf einen Altar geflüchteten Myrtilos sich mit einem Rad,
dem Merkmal seiner Tat, gegen Pelops und Hippodameia
verteidigen (Körte a.a.O. LIII—LVI 1—8). Hier ist also die
Handlung in oder vielmehr vor einen Palast verlegt, un-
verkennbar nach einer Tragödie. Erwägt man, daß die
Beteiligung der Hippodameia besser zu Sophokles paßt,
wo Hippodameia dem Myrtilos das verhängnisvolle Ver-
sprechen gegeben und vielleicht auch an der Ermordung
des Oinomaos teilgenommen hat, erwägt man weiter, daß
auch die anderen Klassen der Oinomaosurnen von dem
Sophokleischen Stück abhängen, so wird man dieses auch
hier als die literarische Quelle anzusehen haben.

Nach dem Gesagten liegt der griechischen Klasse die
Sophokleische, der römischen die Euripideische Tragödie
zugrunde, doch beschränkt sich diese Abhängigkeit auf
zwei oder drei Szenen. Von einer zyklischen Illustration,
wie z. B. bei den Medea- und Orestes-Sarkophagen, ist
keine Rede. Das spezifisch Charakteristische wird dort
durch die Anlehnung an die Hippolytos-Sarkophage, hier
durch Verwendung der Zirkus- und Hochzeitstypen erstickt.
Bezeichnend ist, daß Myrtilos gar nicht hervortritt. Nicht
nur, daß weder seine Bestechung noch sein Tod dar-
gestellt sind, auch seine Schuld am Tode des Oinomaos
wird nirgends angedeutet; er erscheint als ein gewöhnlicher
Wagenlenker, ja er fehlt zuweilen ganz 324—326. 329.
Die Mutter der Hippodameia erscheint sicher nur 322 b.
Schwerlich ist daraus zu schließen, daß sie bei Sophokles
Person war; ihr Auftreten würde zu der Handlung des
Stückes wenig passen.

Erwähnung der abgeschnittenen Köpfe der früheren Freier, wenn man
fr. 5 mit Recht auf sie bezogen hat, entscheidet nicht, da diese auch bei
Sophokles vorkommen.

3) Ähnlich Servius a. a. O.
 
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