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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,3): Einzelmythen: Niobiden - Triptolemos ungedeutet — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.12730#0139
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TAFEL CXXXII 422

497

Die Darstellung der Vorderseite Fig. 422 wird an den
Ecken von den stehenden Figuren der Luna und des Sol
eingefaßt; links Luna im Tanzschritt, mit bogenförmig über
dem Kopfe gewölbten Mantel, den Halbmond über der
Stirn, in jeder Hand eine brennende Fackel, rechts Sol
ruhig stehend, mit sechs Strahlen um das Haupt, in der
Linken die Peitsche; mit der erhobenen Rechten macht er
eine gebietende Gebärde, worin man mit Recht eine An-
spielung darauf gesehen hat, daß die dem Protesilaus be-
willigte Frist einen Tag lang, also von Sonnenaufgang bis
zu Sonnenuntergang, gedauert hat, Statius Silv. II 7, 121,
Lukian Dial. Mort. 23, Char. 1, Schob Aristid. p. 672D.
Hinter Luna ist an der linken Ecke ein Tor angebracht, das,
wie sein auf der linken Schmalseite Fig. 422 a sichtbarer
anderer Ausgang erkennen läßt, die Pforte der Unterwelt
darstellen soll. Aus diesem Tor tritt mit lebhaftem Schritt
der jugendlich kräftige Protesilaus (vgl. die unten ausge-
schriebene Lukianstelle Dial. Mort. 23, 3), die rechte Hand
wie zum Gruß vorgestreckt. Vor Protesilaus schreitet ein
Mann mit struppigem Haupt- und Barthaar, der mit Exo-
mis und Mantel bekleidet ist; indem er den Kopf zurück-
wendet, streckt er den rechten Arm, von dessen Hand die
Bruchstelle neben dem rechten Unterarm des Mercur her-
rührt, vor, als ob er dem Protesilaus den Weg weisen
wollte. In der linken Hand hält er einen kurzen keulen-
artigen Gegenstand, der an seinem unteren Ende unregel-
mäßige Einschnitte hat. Eine Ruderstange, die Braun die
Figur für Charon erklärend hier erkennen wollte, kann er
sowohl seiner Kürze wegen als weil sein oberes Ende in der
Hand der fraglichen Figur ruht, nicht gewesen sein; ebenso-
wenig ein Stab, wie Welcker wollte. Am meisten gleicht
der Gegenstand dem Attribut des Ianitor Orci auf dem
Alcestis-Sarkophag 24, das ich dort S. 30 frageweise für
einen Schlüssel gehalten habe; es könnte aber auch ein
Knüttel sein, der bestimmt ist, den Cerberus zu bän-
digen oder den Schatten den Ausgang zur Oberwelt zu
wehren. Da nun auch die Aktion der Figur für den
Ianitor Orci durchaus paßt, so wird diese von Kiessling
vorgeschlagene Benennung das Richtige treffen. Rechts von
dem Ianitor steht, in abwartender Haltung, den Kopf nach
Protesilaus hingewandt, der Seelenführer Mercur. Er hat
Flügel an den Füßen, sonst aber kein Attribut; die linke
Hand ruht auf dem Rücken.

In der Mitte der Bildfläche sitzt erschreckt und über-
rascht Laodamia am Boden. Sie war bei einer Kulthand-
lung für ihren toten Gatten begriffen, als dieser plötzlich
leibhaftig hereintritt. Vor freudigem Schrecken ist sie nie-
dergestürzt und nähert die Rechte zweifelnd und nachdenk-
lich dem Munde. In der Linken hält sie noch das Tym-
panum. Bekleidet ist sie mit einem dünnen, von der linken
Schulter abgleitenden Untergewande und einem um die
Beine geschlagenen Mantel. Hinter ihr steht sich zu ihr

niederbeugend ihre Amme mit runzlichem Gesicht und in
dem typischen Kopftuch. Mit der linken Hand berührt sie
den Arm der Laodamia, die Rechte streckt sie erstaunt dem
Protesilaus entgegen. Außerdem sind noch vier Dienerin-
nen gegenwärtig. Die erste läuft mit erhobener Rechten
dem Protesilaus entgegen; in der Linken hält auch sie ein
Tympanum. Im Gegensatz zu diesem freudig überraschten
Mädchen äußert das zweite Entsetzen, indem es mit vorge-
streckten Händen nach rechts zu entfliehen sucht, den Kopf
jedoch nach Protesilaus zurückwendet. Die dritte Dienerin,
die hinter der Amme steht, wird durch das Opfergerät, das
sie trägt, an lebhafter Affektsäußerung verhindert; doch
blickt auch sie starr auf Protesilaus hin, auf den überhaupt
die Augen aller Figuren gerichtet sind. Das auf ihrem
Kopfe ruhende mit Früchten gefüllte Liknon stützt sie mit
der rechten Hand; es sollte also dem Toten ein Fruchtopfer
dargebracht werden. In ihrer Linken ruht ein oben gebro-
chener Stab, vielleicht eine Fackel zum Anzünden der auf
dem Altar hinter ihr liegenden Scheite, möglicherweise auch
ein Thyrsus, vgl. 423. Die vierte Dienerin versteckt sich
ängstlich hinter einer bärtigen Herme, auf deren linker
Schulter der das Frauengemach andeutende Vorhang ruht,
dessen anderes Ende oberhalb von Laodamia an der Wand
befestigt ist, vgl. II 156—159. 161. Hinter diesem Vorhange
wird oberhalb des Altars das von Laodamia aufgestellte
Kultbild des Protesilaus1) sichtbar, das in der typischen
Darstellungsart der Schatten erscheint, s. oben S. 436.

Auf der linken Schmalseite Fig. 422a steht Protesi-
laus vor dem Herrscherpaar der Unterwelt. Die Figur
des Pluto ist jetzt durch die Ein-
mauerung größtenteils den Blicken
entzogen, aber in dem Tophamia-
nus Fig. 422 a' vollständig gezeich-
net. Die schwachen Umrisse eines
Kopfes, die über seiner rechten
Schulter sichtbar werden, gehören

nicht etwa zu einer hinter ihm ste-
, „. aus dem tophamianus.

henden rigur, z. B. Mercur, sondern

sind nur die erste Skizze des Plutokopfes, die nicht aus-
geführt wurde, weil sie dem linken Rand so nahe steht,
daß für den rechten Arm des Pluto kein Platz blieb. Des-
halb sind sie auf der Tafel weggelassen; um jedoch dem
Leser ein eigenes Urteil zu ermöglichen, bilde ich diesen
Teil der Zeichnung hier nochmals größer ab. Proserpina
legt den rechten Arm um ihren auf seinem Throne sitzen-
den Gatten und berührt mit der Linken seine im Schöße
ruhende Hand, während sie den Kopf nach Protesilaus hin-
wendet, dessen Gesuch sie offenbar befürworten will. Dies
stimmt zu Lukian Dial. Mort. 23, 3, wo Persephone bittet:

*) Vgl. Eustath. 325 (Protesilaus) dveX&euv supsv sxsivyjv a^aXpaTi
 
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