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Robert, Carl [Hrsg.]; Matz, Friedrich [Hrsg.]; Andreae, Bernard [Hrsg.]; Robert, Carl [Hrsg.]
Die antiken Sarkophagreliefs (3,3): Einzelmythen: Niobiden - Triptolemos ungedeutet — Berlin, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.12730#0143
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Tafel CXXXIII. CXXXIV.
[W. TEREUS.]

[424) P. Buda Pest, National-Museum. Fig. 424.
L 2,45. H. 0.54. Nach einer der Freundlichkeit Joseph
Hampels verdankten Photographie.

Gefunden 1905 in Dunapentele, dem alten Intercisa.

Abbildungen: Archaeologiai lirtesitö 1906 251 nr. 23. 24. —
Österreichische Jahreshefte XV 1912 S. 188 Abb. 127. 128.

Literatur: Jos. HAMPEL Archaeologiai Ertesitö 1906 p. 246;
Robert ebd. 2b\s.; Hekler Österreichische Jahreshefte a. a. O.
S. 189 f.

Eine briefliche Äußerung meines verstorbenen Freundes Hampel
mißverstehend hatte ich angenommen, daß das Relief von einem
Sarkophag herrührt, so sehr auch die Maße dieser Annahme zu wider-
sprechen schienen. Als mir die Aufklärung wurde, daß es vielmehr
der Fries eines Grabbaus sei, war die Tafel schon ausgedruckt. Sie
zu kassieren schien nicht angebracht, zumal auch in früheren Fällen
Stücke, die irrtümlich für Sarkophage galten, aufgenommen und be-
sprochen worden sind. So mag auch dieser Fries hier erläutert werden.

Auf der linken Hälfte stürmt der bärtige Tereus in
flatternder Chlamys mit gezücktem Schwert in der Rechten
und der Schwertscheide in der Linken auf Procne und
Philomela los. Vor ihm ist der Speisetisch, den er mit
dem Fuße umgestoßen hat, im Umfallen dargestellt. Auf
dem Tische liegt noch das rechte Ärmchen des geschlach-
teten Itys. Rechts davon fällt dessen Kopf, den Philo-
mela dem Tereus ins Gesicht geschleudert hat, zur Erde.
Philomela steht in Vorderansicht da, nur der linke Fuß
ist nach rechts gewandt, zur Andeutung, daß sie später in
dieser Richtung entfliehen will. Ihr Oberkörper ist nackt;
um die Beine ist ein Mantel geschlungen, dessen einer Zipfel
über die rechte Schulter geworfen ist, während der andere
über den linken Unterarm fällt. Sie streckt beide Arme
seitwärts aus, den rechten wagerecht, den linken gesenkt;
diese Gebärde soll anzeigen, daß die der Zunge beraubte
krampfhafte Anstrengungen macht zu sprechen. Rechts
entflieht in Hast Procne; im Gegensatz zu ihrer Schwester
ist sie mit Chiton und einem Mäntelchen bekleidet. Die
Arme streckt sie furchtsam vor, den Kopf wendet sie nach
Tereus und Philomela zurück. Die Darstellung entspricht
aufs genaueste den Worten Ovids Met. VI 657^.:

sicut erat sparsis furiali caede capiliis,
prosüuit Ityosque caput Philomela crnentum
misit in ora patris nec tempore maluit ullo
posse loqui et meritis testari gaudia dictis.

Thracius ingenti mensas clamore repellit
vipereasque ciet Stygia de valle sorores
et modo, si posset, reserato pectore diras
egerere inde dapes immersaque viscera gestit.
flet modo seque vocat bustum miserabile nati,
nunc sequitur nudo genitas Pandione ferro.

Die rechte Hälfte wird von drei sehr zerstörten bac-
chischen Figuren eingenommen. Die mittlere, die in grö-
ßeren Dimensionen als die beiden anderen dargestellt ist,
hält in der linken Hand einen Thyrsus und ist mit Stie-
feln und einem von der rechten Schulter herabfallenden
Überwurf bekleidet, dessen anderer Teil von der rechten
Hüfte über die linke Armbeuge läuft. Den Kopf wendet
sie nach links. Vielleicht ist es Bacchus selbst, obgleich
das Kleidungsstück mehr wie ein Mantel als wie ein Fell
aussieht. Die beiden kleineren Figuren sind dieser mittleren
zugewandt. Die zur Linken bläst deutlich eine Doppel-
flöte und scheint mit einem gegürteten Chiton bekleidet
zu sein. Ganz sicher ist dieses bei der zweiten, die in den
erhobenen Händen gleichfalls ein Musikinstrument zu hal-
ten scheint, vielleicht ein Tympanum oder ein paar Becken.
Es sind also keine Satyrn, sondern menschliche Bacchus-
diener. Die Anwesenheit des Gottes und seiner Diener
erklärt sich daraus, daß Procne bei Ovid a. a. O. 587 .m.
die mystische trieterische Feier benutzt hat, um zu dem
Gefängnis ihrer Schwester zu gelangen und diese zu be-
freien, und da sie später zur Nachtigall verwandelt in die
Wälder flieht, so hat der Künstler angenommen, daß dies
dieselben Wälder sind, in denen sie vorher den Bacchus
gefeiert hatte, und daher, um diese Örtlichkeit anzudeuten,
den Gott mit zweien seiner Diener dargestellt; vgl. Ovid
a. a. O. 594^.

concita per Silvas turba cofnitante suarwn
terribilis Procne furiisque agitata do/oris,
Bacche, tuas simulat.

und 667 ss.

corpora Cecropidum pennis pendere putares:
pendebant pennis, quarum petit altera silvas etc.

Bei dieser Übereinstimmung mit Ovid ist es so gut wie
sicher, daß dem Künstler nur dieser und nicht etwa dessen
Quelle, der Tyjpsu; des Sophokles, vorgelegen hat.]

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