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Baare-Schmidt, Erika
Das spätgotische Tabernakel in Deutschland: ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Zierarchitektur — 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.28674#0048
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die über dem Kranz des Madonnentabernakels hervorlugen, bilden
bei dem benachbarten Werk das bestimmende Formmotiv. Ich
möchte beide Frankfurter Tabernakel in das letzte Jahrzehnt des
15. Jahrhunderts setzen, mit Sicherheit aber das Sakramentshaus we-
gen eines späten Motivs: unter den großen Wimpergen der unteren
Zone züngeln zwei kleinere in die Höhe, sie einfassend und sich an
sie schmiegend. Diese Bogen laufen nicht in der Diagonalrichtung,
sondern, enger zusammengenommen, den großen Wimpergen paral-
lel. Das Tabernakel will von der Ecke her gesehn sein; auf diese
Ansicht sind die großen Wimperge komponiert. Der Aufbau des
Frankfurter Sakramentshauses wirkt phantastisch wie ein Haufen
brennender Reiser.
Ein ähnlich spitziges, steifes, fast metallenes Aussehen haben
die Formen des Friedberger Sakramentshauses (Abb. 3) "Q. Der
Kranz steht ab in seinen unteren Spitzen wie gestärkt, und die Bo-
genscheitel sind scharf ausgezogen. Die beiden in Frankfurt über-
einander angeordneten Kranzzonen sind hier ineinander gesteckt:
die Bogen kreuzen sich. Die Bildungen des Unterbaus sind meister-
haft. Aus sechs flach ausgezogenen Blasen hebt sich ein mittlerer
Tragepfeiler, den außen drei starke, innen dünnere Stangen in seiner
Aufgabe unterstützen. Der Mittelpfeiler verbreitert sich aufnehmend
unmittelbar unter dem Schrein, und diese taillenartige Zone um-
schlingt ein lose gearbeiteter Kranz gekreuzter Kielbogen. Der rote
Sandstein, aus dem der Kern des Fußes gefertigt ist, leuchtet herrlich
aus dem Schatten des Gestänges. Das Sakramentshaus wurde 1480
—82 dem Hans von Düren in Auftrag gegeben. Über die Taber-
nakelbildhauer- und Steinmetzen herrscht bei den mainischen Wer-
ken, im Gegensatz zu Schwaben, noch völliges Dunkel. Umsomehr
ist es zu begrüßen, daß Otto Schmitt das Werk des Hans von Dü-
ren näher umriß *Q, ihm, freilich vom Stil der Plastik her, Werke
in Frankfurt zuwies. Er hält Hans von Düren außer für den Schöp-
fer der herrlichen Plastik am Fuß auch für den Meister eines großen
Teils der Architektur des Friedberger Sakramentshauses. Die ATr-
wandtschaft der beiden besprochenen Tabernakel in Frankfurt mit
dem Friedberger ist deutlich; ich möchte das Friedberger als das
anregende, die Frankfurter als nachfolgende Werke ansehn.
Als Spätling auf diesem Gebiet erscheint noch das Sakraments-
häuschen in der Ritterstiftskirche zu Wimpfen im Thal '*") mit etwas
reizloser Plattenschichtung am Fuß, dem vergröberten Hängefries
unter dem Schrein und dem üblichen Kranz. Die dem Aufbau ent-
wachsende obere Fiale aber trägt ganz unmainische Geschlinge, und
die sich vorwölbenden eselsrückenbogigen Baldachine verraten die
Quelle, aus der diese Formen stammen: das benachbarte Schwaben.
28) und die Baldachine an Backoffens GemmingemGrabinal in Mainz,
die wie Gestrüpp aufwachsen.
29) Otto Schmitt Hans von Düren. S. 13. (in: Schriften d, hist. Mus.,
Frankf./M. 1923).
30) Inv. Hessen VI. S. 284.

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