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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 13.1937

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Hahl, Lothar: Eine silberne Merkurstatuette aus Offenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.42015#0109

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Eine silberne Merkurstatnette aus Offenburg

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noch vorlhsippische Stilformen weiterlebten. Aber andererseits dürfen wir auch die
Möglichkeit nicht außer acht lassen, daß erst der römische Künstler in eklektischer
Weise die verschiedenartigen Stilelemente vereinigte*. Denn daß die Statuette eine
römische Arbeit ist, beweist zunächst der Beutel; beim griechischen Hermes kommt er
als Attribut noch nicht vor. Bestätigt wird dies auch durch einige nachlässig
behandelte Einzelheiten. Die Gesichtszüge wirken grob, das linke Ohr ist zu groß
geraten, die Ausführung der Zesten und Finger ist sehr unsorgfältig und sum-
marisch. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen römischer Arbeit ist auch die gegen-
seitige Abgrenzung einzelner Körperpartien und Muskeln durch liess, scharfe Linien.
Sehr auffällig treten sie am Hals, am Ansatz des rechten Oberarmes an der Schul-
ter, an der unteren Begrenzung der großen Brustmuskeln und bei der Muskulatur
der Beine in Erscheinung. Weniger stark bei der Trennung von Rumpf und Ober-
schenkeln. Gerade bei Bronzefiguren aus dem östlichen Gallien sind, wie K. A. Neu-
gebauer gezeigt hat 2, diese Merkmale besonders gut ausgeprägt. Deshalb muh man
damit rechnen, daß auch der Offenburger Merkur nördlich der Alpen entstanden ist.
Die ganz hervorragende Qualität, die ihm einen Platz unter den besten in der Pro-
vinz gefundenen Statuetten sichert, spricht nicht dagegen. Denn auch die erwähnten
ostgallischen Figuren sind fast durchweg gute Arbeiten.
Ein rermimm pom griem für die Entstehungszeit ist durch die Wiedergabe der
Haare gegeben. Sie kräuseln sich zu kleinen Locken, die über der Stirn, den Schläfen
und im Nacken voller gebildet sind als auf dem Kopfe. Es ist jenes Kraushaar, das
oft bei Merkur vorkommt. Bei provinziellen Steindenkmälern wird es mitunter in
regelmäßig geformte Buckellöckchen abgewandelt 1°. Aber darüber hinaus lassen
sich in der Art, wie der aufgelöste, auf optische Wirkung berechnete Löckchenkranz
sich gegen das Gesicht abhebt, Einflüsse eines „Zeitstiles" erkennen. Eine derartige
Haarwiedergabe dürfte erst seit den Flaviern möglich sein. And in das ausgehende
erste Jahrhundert möchte man die Statuette wegen der Güte ihrer Arbeit am
liebsten setzen N Jedoch muß auch eine Entstehung erst in antoninischer Zeit er-
wogen werden. Denn die Auflösung des Haares ist schon sehr weit Vorgetrieben.
Eine sich bis zum rechten Ohr herabziehende Locke ist z. B. überhaupt nicht plastisch
geformt, sondern einfach in die Schläfe eingetieft. Man beachte in diesem Zusam-
menhang auch die Haarbildung an der Scham. Bei männlichen flavisch-trajanischen
Porträtköpsen sind die Haare noch plastischer, jede Locke ist ein festbegrenztes Ge-
bilde Nur einige Frauenfrisuren zeigen Ansätze zu einer aufgelösteren Haar-
behandlungs.

* Anm. d. Schriftleitung: Für unsere archäologisch nicht geschulten Leser sei bemerkt,
daß die römischen Künstler häufig griechische Originale kopiert haben, aber nicht sklavisch,
sondern gemäß ihrer eigenen Ausfassung. An einem derartigen römischen Kunstwerk sind
also zu unterscheiden: 1. Typus und Stil des griechischen Originals, 2. Typus und Stil der
römischen Kopie.
9 87. Winkelmannsprogramm der archäologischen Gesellschaft zu Berlin (1927) S. 12.
Antike Plastik (Walther Amelung zum 60. Geburtstag, 1928) S. 159 f. Vgl. ferner
H. Schoppa, Germania 20, 1936 S. 254 f.
i° Als Beispiel sei ein Kopf aus Baden-Baden genannt. Wagner, Fundstätten und
Funde II S. 24 Abb. 25. lTsperanäieu, Hecueil xeneral äe8 t>38-reliet8, 8iMue8 er bu8re8 6e
la Oermanie komaine (1931) S. 298 Nr. 456.
Diese Datierung findet sich auch bei Batzer a. a. O.
12 Man vgl. z. B. den Kopf im Batikan, A. Hekler, Die Bildniskunst der Griechen und
Römer (1912) Tas. 228 b oder einen Kopf in Mantua, auf den mich Herr Professor
Schuchhardt aufmerksam machte, A. Lewi, Lculrure Orecbe e llomane clel pala^ro Oaaale 6i
lckanrovA (1931) S. 60 Nr. 119 Tas. 66b. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang
auch der Kopf eines als Merkur dargestellten Verstorbenen im Vatikan, O. Brendel, Mit-
teilungen des Deutschen Archäolog. Institutes, Römische Abteilung, 50, 1935 L. 255 Abb. 9.
ii Siehe z. B. Hekler a. a. O. Tas. 238.
 
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