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Badische Fundberichte: amtl. Nachrichtenbl. für die ur- u. frühgeschichtl. Forschung Badens — 14.1938

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Besprechungen
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Stoll, Hermann: [Rezension von: O. Paret, Die frühschwäbischen Gräberfelder von Groß-Stuttgart und ihre Zeit]
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https://doi.org/10.11588/diglit.42535#0096
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Besprechungen

O. Paret, Die frühschwäbischen Gräberfelder von Grvß-Stuttgart und ihre Zeit. Ver-
öffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Heft 2.
Die vorliegende Veröffentlichung greift aus dem dichtbesiedelten Reckargebiet eine seit
Llrzeiten wichtige Ecke heraus. Die Veranlassung dazu ist die Erstveröffentlichung des
alamannischen Gräberfeldes von Feuerbach bei Stuttgart. Dieses Gräberfeld wurde 1911
bis 1929 in mehreren Etappen von Staötpfarrer Kallee und Dr. Blind, Feuerbach, aus-
gegraben, aber nie im Zusammenhang veröffentlicht. Bur eine Reihe Pressenachrichten
brachten den jeweiligen Stand der Ausgrabung an die Öffentlichkeit. Es wird daher von
der Wissenschaft freudig begrüßt werden, daß Paret nunmehr dieses Gräberfeld mit Plan
und guten Abbildungen der Beigaben geschlossen vorlegt. Die Grabung erfaßte 138 Grä-
ber. Es handelt sich um einen typisch spätmerowingischen Friedhof mit vielen trocken ge-
mauerten oder aus Steinplatten zusammengesetzten Gräbern. Die Beigaben verweisen die
Grabanlagen durchweg ins 7. Jahrhundert. Hervorzuheben sind eine vergoldete Silber-
münze des 7. Jahrh., 2 Brakteatenfibeln, zahlreiche silbertauschierte Dachen, auffallend
viele Sporen, schwere Saxe, einige Rasiermesser, einreihige Kämme und glockenförmige
Glasschalen. Mit seinen Zeitansätzen hält sich Paret an die Chronologie I. Werners
(Münzdatierte australische Grabfunde, Berlin, Leipzig 1935).
Dieser Grabungsbericht wird nun von Paret in eine Beschreibung der alamannischen
Siedlungsgeschichte der Umgebung von Feuerbach und Cannstatt hineingestellt. Darin
bringt er leider neben guter Beschreibung der Verhältnisse manche aus allzu unsichere
Vermutungen aufgcbaute Anschauung. Der Endkamps um den Limes zwischen den Ala-
mannen und der römischen Grenztruppe wird anschaulich geschildert. Danach aber verliert
sich Paret in allzu sicher öargestellte Beschreibungen der frühesten alamannischen Sied-
lungsgeschichte. Roch gefährlicher sind seine Ausführungen über Siedlungsweise und Ein-
wohnerzahl des alamannischen Dorfes Feuerbach, die er auf den Ergebnissen aus dem
Gräberfeld ausbaut. Die Grabung hat nach dem beigegebenen Plan etwa die Hälfte, viel-
leicht sogar nur ein Drittel des ganzen Gräberfeldes erfaßt, so daß aus dem vorhandenen
Material unmöglich Schlüsse auf die Zeit der Ansiedelung oder gar auf Bevölkerungs-
ziffern gezogen werden können. Erschwert werden derartige Aufstellungen außerdem durch
unklare oder gar falsche Zeitansätze der Gräber, so wenn Paret bei dem Gräberfeld
Feuerbach allgemein von alamannischen Gräbern des 6./7. Jahrh. spricht, während gerade
bei diesem Gräberfeld die vorliegenden Beigaben eindeutig eine Einordnung ins 7. Jahrh.
fordern. Daß das Grab von Äntertürkheim mit Dreiknopffibel und Räöchensigillata-
Schüssel (s. Beeck, Die Alamannen in Württemberg, Abb. 5) von Paret in das 6. Jahrh.
gestellt wird, dürfte wohl jeden Fachmann in Staunen versetzen. Der Sax mit Runen-
inschrift von Hailfingen, Kreis Rottenburg a. R., wird auf Seite 67 fälschlicherweise mit
einer Silbereinlage versehen und erscheint auf Seite 107 als Lanzenspitze mit Runen.
Dankenswert ist, daß Paret die ältesten Berichte aus dem 18. und 19. Jahrh. über
Ausgrabungen alamannischer Gräber zusammengestellt hat. Ebenso werden es viele be-
grüßen, eine Übersicht über die wenigen schriftlichen Rachrichten aus jener Frühzeit des
schwäbischen Volkes, z. D. über den wichtigen Ort Cannstatt, zu finden, ferner einige Titel
des alamannischen Gesetzes, in Llrtext und Äbersetzung nebeneinander gestellt. Verdienst-
voll ist die Festlegung eines alten Fundes aus der herzoglichen Kunstkammer an der
Fundstelle alamannischer Gräber bei Llntertürkheim.
Die Schlußfolgerungen jedoch, die Paret auf diesem wieder zusammengestellten ala-
mannischen Grabfund aufbaut, sind allzu kühn. Paret stellt nämlich neben den reichen
Grabfund des 7. Jahrhunderts aus den Hofkammerweinbergen am Fuß des Rotenbergs
ein Kriegergrab mit schönen Beigaben des 5. Jahrhunderts vom Ailenberg bei Ober-
türkheim (Deeck, Die Alamannen in Württemberg, Fundort Rüdern, Tafel 28 7 und
48 6 6). Dazu nimmt er die völlig unsichere Gleichsetzung Wellers eines bei dem Geo-
graphen von Ravenna im 7. Jahrhundert genannten Ortes Turigoberga mit (Ober- und
Änter-)Türkheim bei Cannstatt. Durch Zusammenfassung all dieser unsicheren Aufstel-
lungen will Paret die Abstammung des wirtenbergischen Grafengeschlechtes vom Träger
des reich verzierten Schwertes in jenem Grab bei Obertürkheim wahrscheinlich machen.
Die beiden genannten Grabfunde liegen nicht nur zeitlich etwa zwei Jahrhunderte, son-
dern auch räumlich über 2 lein auseinander. Wenn wir an der z. Zt. allgemein aner-
kannten Ansicht von der sippenweisen Grablegung der Alamannen festhalten wollen, ist
schon wegen der räumlichen Trennung der beiden Gräber eine unmittelbare Abstammung
der Wirtenberger von dem bei Obertürkheim bestatteten Alamannen unmöglich. Eine Ver-
bindung der beiden Grabfunde bei Ämter- und Obertürkheim ist aber vor allem deshalb
nicht herzustellen, weil es sich bei dem Grabfund von Obertürkheim-Rüdern offenbar nicht
um einen Ausschnitt aus einem alamannischen Gräberfeld handelt, das durch mehrere
 
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