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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt (61): Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1919 (September bis Dezember)

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Nr. 202-227 (1. September 1919 - 30. September 1919)
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Samstag, den 6. September 1919

Vadische post — Nr. 207

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Sammeln!

Ein Weckruf an alle Junglibcralen

Von eincm ehemaligen Jungliberalen
wich uns geschrieben:

Die Deutschr liberale Volkspartei ist auf d:m
Marsche. Wenn es dafür noch eines Veroeises be-
durft hätte: die aus der Angst geborenen War-
uungsrufe von rcchts und links zeigen j;ur Eenüge,
datz sie im Fortschreiten bogriffen und auf dem
richtigen Wege ist. Soweit die Angriffe von
deutschnationaler Seite äusgingen, ist
berelts der Badischen Nundschau der
Süddeutschen Zeitung von d<-r liberalen
Parteileitung das Nötigo erwidert worden: ne-
ben dcm nationalen Ecdanken mutz auch der
l i k»:ra le seine Heimstätte in .einer Partei ha-
ben. Verbleibt sonach noch als Sammlungspartei
der Liberalen die Deutsch - domokratischo
Parte i. Wie steht es damit?

Führende Kreise dioser Sammelpartei, so we-
nig sie sich bisher in der Oeffentlichkeit das Un-
behagen über das Wiederinsllibentv-'iten einer be-
sonderen liberalen Partei hcrben anmerken las-
sen, so fllhlen sie doch und vertrauen es auch ge-
legentlich ihrer Umgebung an. datz man wohl
von heute auf morgen Organisationen auflösen
und mit anderen verschmelzen. aber niemals po-
litische Jdecnverbindungen lösen und Traditionen
austilgen kann. („Man wird nicht über Nacht
aus einem Natronalliberalen ein Demokrat",
diesen Ausspruch legte vor einiger Zeit in einer
Versammlung ein Sozialdcmokrat dcm Minister
Dietrich m den Mund). Trotz dieses inneren
Widerspruchs widerratcn selbst früher gut natio-
nalliberale Politiker der Wiederherstellung bezw.
meiteren Ausbvciitung einer liberalen Par!iei im
Lande Bajden und zwar auch im Jntereffe der
Einigkeit und der Stotzkraft des Bürgertums.
Auch vön dieser Seite wird der liberalen Volks-
partei zugerufen: „Sammeln. nicht trennen!"

Es soll hier autzer Vetracht bleihen, wieviel
jvon der Sorge um die bürgerliche Einhc-itsfront
auf der Linken (wie auf der Nechten) partei- usw.
egoistischcn Motiven entsprungen ist. Der Zwcck
der vorliegenden kritischen Untersuchung soll le-
diglich der sein. zu zeigen, welche politischen Um-
stände, Verhältnisse und Erllnde es mir — w:e
vielen anderen früheren Nationalliberalen und
Iungliberalen unmöglich machten, An-
schlutz bei der deutsch - demokratischen
Partetzunehmen. In dieser Argumenta-
tton lhegt für mich die Ex i sten z b e r e ch t i -
gung und dkotwendigkeit der liberalen
Volkspartei beschlossen.

Als in den Frühwintertagen des verflossenen
Jahres der Soldat ins menschlich-bürgerliche Le^
ben zurückkehrte, fand er in der Heimat — neben
anderen, grötzeren Umwälzungan der Revolutions-
tage — eine vollständige Umlagerung per partei-
politischen Verhältniffe vor. Mag sein, dah er,
— mangels Fühlung mit -dem politischen Leben
während der Krregsjahre — den Anschluh an dcn
Zug der Zeit verfehlt hatte, mag sein, datz die
daheimgswesenen Parteigenossen im Sturm und
Drang das — nach ihrer Ueberzeugung — Rich-
tige glauben getan zu habcn! Der Hejmgekehrtec
^onnte sich in den Szenenwechsel nicht finden. Die
nativnalliberale Partei, die Partei der Reichs-
gründung, die Partei einer grohen. weltbewegen-
den Zeit. war nicht mehr. Warum? Jhve! Reichs-
politik, soweit das aus Ler Ferne beurteilt wer-
den konnte, lvar die richttge gewesen; eine in na-
tionalem und liberalem Eeiste geführte Partei
war nach den Ereignissen des vergangenen Herb-
stes erst recht eine polttsche Notwend>gkeit. Wohl
mutzte ste^ dem Eeiste der Zeit Rechnung tragcn
in ihrem Programm, in ihrem Namen — wie es
ja im Norden geschah — abvr ste auflösen, sich der
Demokratie in dis Arme werfen, wie bet uns im
iLande Vaden, dafür fehlte und fehlt mir heute
noch das Verständnis.

Vor allem ging es mir gegqn die Natur. Die
iTroue, sie ist kein leerer Wahn! Wer in eiiner
natwnakliberalen Familie aufgewachsen ist, war,
seit er lesen und verstehen konnte, mit allen Fasern
seines Denkens in einer Partei wurzelte, die ihm

ein Iugendideal, eine Jugendliebe war, wer dann
Jahrzehnte hindurch für diese Partei gearbeitet
>und gekämpft hat, wie soll der sich durch einen
Machtspruch der Fühvc'r in eino andere Partei
hineinkommandieren lassen, wie soll der stch der
Führung einer Partei unterwerfen. die — büi
aller wahltaktischen Eemeinschaft der letzten
Jahre — hoch selbst ihre Eegnerschaft gegenüber
der nationalliberalen Partei stets scharf betont
hat?! Wie konnten nationalliberale Politiker
vergessen, welche Eefühlswerte sie zerstörten,
wenn sie die alte Form zc>rbrachen! Sie zeigten
sich als schlechte Psychologen, die solche Jmponde-
rabilien nicht beachteten. Wie konnten sie selbst
ihrer Partei das Todesurteil sprechen? Warum
habin sie cs nicht bei der Badischen Volkspartei
belassen und diese der Deutschen Volkspartei an-
gegliedert? — Unbegreiflichkeit über Unbegreif-
lichkeit! —

Ratlos stand der Heimgekehrte der parteipoliti-
schen Neuordnung gegenüber. heimatlos war er
geworden. Was blieb ihm anders übrig, als ta-
tenlos der weiteren Entwicklung zuzuschauen?
Was cr sah, konnte ihn nicht mit Freude erfül-
len: Die nationalliberalen Führer waren auf
das Alt:>nte!l gesetzt. die Leitung der neuen Par-
tel, auch in den örtlichen Organisationen. vorwie-
gend in den Händcn der altcn Deinokraten, dre
ehemalige Fortschrittliche Volkspartei, durch deir
Beizug der nationallibcralen WäMrmassen zu
Aolk gekommen. Mandate und Regierungsämter
in unverhältnismätz ger Zahl ihr zugeteilt. Der
passive aber beobachtende Versammlungsteilneh-
nier konntr während dcis Wahlkampfes öfters von
früheren Nationalliberalen Aeutzerungen hören
wie: „Man ist fcenH» in diesem Kceise, man fühlt
sich nicht mehr wohl dar'.n, inan kann nicht mehr
so vecht von Herzen. niit Ocib und Seele dabei
sein. — Das Wort „wir Domokraten" will mir
nicht aus dem Munde gehen..."

Abgesehen von dem vorgeschilderten Stiin-
niungsmoment gefiel manchem bürgerlichcin Wäh-
ler die politische Taktik der neuen Partei
nicht, vor allem gegenüber der Sozialde-
mokratie. Es soll nicht verkannt werden, datz
in drn aufgeregten Tagen der Nevolutionszelit,
wo noch imnvrr mit weiteren Ausbrüchen der
Volksl'eidenschaften gercchnet werden mutzte, keine
f-.ie Massen aufretzcndcii Reden gehalten werden
durften: es soll auch nicht in Abrede gestellt wer-
den, datz d:e Parteidisz'plin dcr organ. Arbeiter
während dcr Revolut'on noch Schlimmeres ver-
hütet hat; es mutz feri'.er zugegeben werden. datz
die ihrer Stärke entsprechende Veteiligung der
Sozialdemokratie an der Regierung und die Zu-
sammenarbeit der bllrgerl'chen Parteien mit der
Sozialdemokratie eine zwingende Notwendigkeit
war — auch die Nationalliberalen baben ja
früher mit den Soztaldemokraten zusammen Groh-
blockpolÄik gemacht: es mutz endlich wahrheitsge-
mätz eingeräumt werden, datz an der sozialistiscben
Powegung.sehr viel zu loben ist. vor allem die
opferwillige Begeisterung ihrer Anhänger: aber
trotz allodem durfto die Rücksicht auf d?e Sozial-
demokratie und die Revolution niemals soweit
gehen, datz man auf bürgerlich-demokratischerSeite
überhaupt nur noch Rühmcnswertes an dgr So-
zialdemokratie fand, datz man ganz darauf ver-
zichtete, die Sche(degrenze nach dieser Seite hin
zu ziehen. während umgeöechrt die Sozialdemokra-
tie e'men scharfen Strich zwischen sich un>d alle
bürgerlichen Parteien setzte, alle gleich heiftig
bekämpfte. Die grötzte Unterlassungssünde der
Neudemokratie bcstand abcr, meines Erachbens,
darin, datz sie die Soz'aldemokratie nicht — in al-
ler Sachlichkeit zwar, aber auch mit aller Entschis-
denheit — für ihre Schuld am Ausbruch der
Revolution öffentlich zur Verantwortung zog.
(Das Zentrum hat diese Schonung nicht gellbt und
guiiö Eeschäfte dabei gemacht: das faible der al-
ten Demokratie für den grotzen Vruder zur Lin-
ken ist historisch). Es sind damals zur Zeit des
Wahlkampfes, wie sei-ther ohne Unterlaß durch die
Demokratie die Sünden des alten Systems ins
schärfste Licht gerückt und als dvo Ursachen dsr Ne-
volution gebrandmarkt worden. Wie weit dies
„post koc, ergo propter boe" berechtigt ist, soll
hier nicht untersucht werden: aber auch das an-

dere stoht fest, die Sozialdemokratie gibt es selbst
zu und rühmt sich dessen: sie hat die Novolution
vor dein Kriege und während des Krieges vorbe-
reitet, sie (im Bunde m.t.der alten Demokratie)
hat die Eeister seit lange gerufen, die am 9. No-
vember losgebrochen sind, sie hat das Ungeheuer
in dcr Stunde höchster vaterländischer Not und
Gesahr entfesselt und damit das Vaterland
wchrlos dem Bernichtungswillen der Feinde aus-
geliiefert. Wenn schon mit den Fehlern im eige-
nen Volke abgerechnet wcrden soll, so darf auch
dieses Anteil, diese Schuld der Sozialdemo-
kratie (und Demokratie) an unserem nationa-
len Unglllck nicht vcrgessen werden. Datz die alte
Dcinokratie als Mttschuldige der Soz'aldemokratiL
sie totzuschweigen sucht, ist ^a begreiflich: datz
aber frühere Nationalliberalo als Angehörige
der Deutschen demokratischen Partei hierzu schwei-
gen müjsen, ist ein tragisches aber nicht unver-
dientes Schicksal.

Jn diesem Zusammenhang mag noch ein kur-
zes Wort zur allgemeincn Schuldfrage,
d. h. zur Schuld am Ausbruch. und an der Ver-
längerung des Krieges gestattet sein. Sollte sich
hierin wirllich die Ausfassung eines Venedey,
der in seinem Briefe an den Präsidenten Wvlson
Deutschland die Hauptschuld am Weltkriege bei-
mitzt, decken init der Ausfassung dex früheren N a-
tionalliberalen der Deutschen demokrati-
schen Partei? Solltcn dcese in der Zwischenzeit
sich wirklich zu der Ueberzeugung bekehrt haben,
dah ditz Friedens - Nesolution des
Reichstages vom Iuli 1917 uns bei unseren
Feinden damals und später bei Friedensschluh
auch nur das Eeringste genützt hat? Sollten ih-
nen nicht erst recht die Augen aufgegange,n sein,
dah die Iuliresolu tion vielmehr den m o-
ralischen Zusammenbruch des deutschen
Volkes eingeleitet hat? Und selbst, wenn man ge-
wisse Fcchler des alten Regimes zng'lbt, bringt -es
irgen,d welchcn Nutzen und ist es eines grotzen
Volkes wllrdig, sich selbst ohne Unterlatz vor ver
Welt an den Prai'jger zu stellen? Warum mutz
dev Deutsche immer vom Splitter in seiirrm Auge
reden. warum entrüstet er sich nicht über den Bal-
ten im Auga des anderen?

Dbes widerliche Schauspiel der Selbstbe-
zichtigung bietet (neben der sozialdemokrati-
schen) die führende demokratische Presse,
allen voran die „Frankfurter Zeitung." Uird ge-
gen dieses unwürdig» Treiben empört sich nichts
im Herzen der ehemaligen Nationalliberalen der
Deutschen demokratischen Partei? Solange die
alte Demokratie den Ton angibt in der Deutschen
demokratischen Partei, ist für mich die Mitarbeit
bei jcncr Partei ausgeschlosien.

Nun mögen mir meine alten Freunde aus der
jungliberalen Parteirichtung entgegenhalten:
„Von dem, was Du da sagst, mag wohl dies und
jenes berechtigt sein: aber das wird sich unter un-
s e r e m Einflutz' im Laufe der Zeit ändern, und
die Hauptsache ist doch. datz die Liberalen endlich
einmal in einer Partei zusammengeschlossen
sind: die Einigung des L i b e r a l i s m u s
Herbeizuführen, war doch von j-ccher das eifrige
Streben gerade von uns Iungliberalen. Jetzt
haben wir dio Einigung. und da kommt ihr
und wollt die Ezeinigten wieder trennen." Dazu
habe tch zu bemerken: erstens, oine Einoer-
leibung der einen Partei durch die andere
kann ich ksine Einigung nennen. Zwecvqns,
wenn ich das Dertrauen haben könnte, datz sich
der Einflutz des nationalliberalen Einschlages in
der Deutschen demokratischen Partei durchsetzen
würde: aber bishcx hat dr radlkale Teil die
Eesamtrichtung der Partei angegeben
und wird es auch weiter tun! Mit Männern. wie
Venqde y, mit Blättern wie Frankfurter Zeitung
und Berliner Tageblatt, will und kann ich keine
Eemeinschaft haben. Wäre eine Einigung auf
liberaler nicht auf demokratischer Erundlage
zustande gekommen, also in der Mitte nicht auf
dem linken Flügel des Eesamtliberalismus,. so
chätte ich mit mir reden lassen. Aber dem über-
eilten und kopflosen Beschlutz der nationallibera-
Lcy: Führer zum Abmarsch ins demokrat-sche Lager
kann ich nicht Folge leisten: ich war und bleibe
national und liberal gesinnt. von den „Er-
runyenschasten der Revolution" habe ich einezu

geringe Meinung bekoimnen, ganz besondevs- al»
Sohdat.

Bei solcher Auffassung der politischen Dinge
stellte mich die Altcrnative der Stimmab -
gabe bei den Wa hlen vor eine schwere Ent-
scheidung: Deutschnational kann kein National-
liberaler wählen, ohne sich und seine liberale
Vergangenheit zu kompromittieren; demokratisch
zu wählen widerstrebte mir ebensosehr, sich der
Wahl cnthalten, verbot di.e vaterländische Pflicht.
Nach langen und schweren Eewissenskämpfen
konnte ich mich jeweils erst ain Wahltage zu dem
Entschlutz durchringen, derje.ngen Partei die
!Stiinme zu geben, be-i der sich das Eros ineinar
früheren Partei befand. (Jn svlchem Eowissens-
konslikt befanden sich mrt mir, wie ich erfuhr, noch
viele andere Nationalliberale). Ich empfand es
geradezu als unmoralisch, einer P.rrtei die Stim-
me g.bcn zu müssen, dcren ganze Haltung meiner
Ueberzeugung widersprach.

Unter diesen Umständen begrützte ich die
Eründung der Deutschen liberalen Bolkspartei i«
Baden aufs freudigste. Jn ihr sehe ich die gerad-
linige Fortsetzung der nationalliberalen Partet,
ihr kann ich wie-er mit gutem Gewissen angehö-
ren und für sie aus Ueberzeugung mit Lust und
Liebe wirkcn. Selbst wenn ihre begründete
Hoffnung, datz sich ein namhafter Teil der nach
rechts und links abgewanderten Nationalliberalen
mieder untcr der liberalen Fahns sammeln wird
— sich nicht erfüllen sollte, so ist doch in ihr d:e
vermittolnde Brücke zwischen den extremen Par-
teicjn der Nechton und Linkm wieder erstanden.
Selbst wenn sie also vorerst auf einen kleinen
Kreis von sogen. Unentwegten beschränkt bliebe,
so wäre ihr Dasein doch als chn politischev
Gewinn zu buchen in der Zeit, wo jeder dazu
berufen ist, sich politisch zu betätigen. aber viele
sich nicht entschlietzen können, dies auf domokrati-
schem, bezw. deutschnational-konservativem Boden
zu tun. „Sammelt die übrigen Brocken. damit
nichts umkomme", dies Bibelwort hat heuto in
der Zeit der Verhältniswahl. die auch die Min-
derheiten zu Wort kommen lätzt, seine politische
Berechtigung. Freudig wollen diejenigen am Wte-
doraufbau mitarbeiton. deren bisheriges SeMb-
stehen einen vaterländ'.schen Verlust für unser po-
litisches Leben bed^utet hat.

Damit der neu eingeführten liberalen Partet
der notwendige Tropsen demokratischen
und sozialen Oels.nicht fehle. ist zu wünschen.
datz sich ihr recht oiole der frllheren Iunglibo-
ralen anschließen. An meine früheren speziellen
Parteifreunde wende ich mich darum ganz beson-
ders in'-t der Bittle: Tretet ein. auch hier sind
Liberale'. Die Namen StreZemann, Riesser.
Kahl, Curtius, bieten bie Eewähr dafür. datz die
Partei wohl in ausgosprochener Oppositton
zu der sozi>alistisch - demokratisch - ul-
tramontanen R eg i e ru n g s m eh r he i t
steht. niemals aber die Hand zu einer reaktionä-
ren Politik bieten wird. — Ieder Lrberale nrögz
sich die Frage vorlegen, ob es nicht ebenso fol -
gerichtig wie zum Wohle des Vater-
landes handelt, wenn er sich wieder,seinc>r alt-
bcwährten Partei anschlietzt.

Darum Sammlung nicht nach den berdm Flü-
geln hin, sondern Sammlung in der Mitte und
nach der Mitte, die heitzt: Deutsche liberale
Volkspartei! Z

Die Valuta sinkt wieder!

Verlin. 5. Sept. Bon der Amsterdamer Börss
wird über den Haas gem'ldot. datz die Markvaluta
langsam weiter fällt. Der hiesigo Stand
der doutschen Bcrluta ist, seitdem die Macck
Amerrka wteder gshandelt wivd, fast ausschlir tzliöh
von der Newyorker Notierung abbangig.

Ludwigshafen. ö. Sept. Der ObrvbefMshaber
der 8. Armee Genenal Eerard nvacht bekannt.
datz der - Kurs d''r deutschen Mark von 4b amf 36
gejunken sei.

* Erzberger — Hrlsferich. Nach dem Lokalan-
zeiger hat Erzberger gegen Helfferich noch keine
Schritte unternommen.

Mangel an Takt ist ein Fehler des Herzens, Ä
N nämlich entweder eine Nnbesonnenheit oder eine
A Unbeholfenheit.

H. v. Oertzen^V

hcater- ^ unt^

^ÄKZSSSSSSSSSS a EECLESEESe-Le

Oie blaue Spur

Noman von Julius Regis
Aus dem Schwedischen Lberseht oo.n E. o. Kraatz
Oop/nLkt 1917b^OretüIeiaürLo. O.m.b.tl. ^elprig
(56. Fortsetzung)

45.

Es war kein zusällig im Vorüibergehen aus-
geteilter Puff, sondern ein absichtlicher, boshästor
Stotz, der den Detoktrvreporter taumelnd gegen oas
Auto schleuderte.

Er Llickte ärgerlich auf. und erst jetzt beMerkte
er. datz es gar nicht mchr fein eigenes Auto war,
das oor chm svaird, sondern ein grotzes. elesantes.
kotzlschwarzes Auto. in dessen blankeu Setten die
Stvatze sich spiegclte. Ein Lralungerleideter Ehaus-
feur, dessen Gesicht chinter einer Ledermaske mit
grotzen Brillengläsern verborgen war, sutz mtt den
bchandschuhten Händen regungslos am Stouer.

Wallion wandte den Kopf, um zu schen, wtt
ihn gestotzen hatte, und Llickte in Evanstons höh-
nijch minsendes Gosicht. ;

Er wollte blitzschnell zurücktreten. aber dcr an-
dcre packte ihn mit der Krctzft eiines Eorillas von
hmten an den Armen iund drängte ihn auf das
'Mto zu. Zmei Hände aus dem dunkeln Jnnern
lralkien sjch um Wallions Hals und bogen setn
^ii'u nach hinten. Etwas Weiches, Nasses leote
tzch uber >ein Eesicht, er verfuchte den Atom anzu-
tzauen und sich zu widevsetzen. Lber alles um ihn
ucrum bcgann zu tanzen, und mit einem Seufzer
sank er zu Boden.

Dcr 5lörper wurde ins Auto chereingezoaen, die
croinesarLrnen Eardinen sielen über die Spiegel-
9^isM)ciLen. und das Auto sanste leise ?ummend
oic c:iras;e hiiral..

.Eanze hatie sich in wenigen Segunden ab-
avipleit. Tern»^ de:> Polizeigeibäudes standen

dig beiden Konstabl«r in Zivil nock i-mmer mit
dem Rücken nach der Stvatze zu un>d plauderten.

Maurioe Wallioir blinzelte müTam mit den
Augen luad schlug ste> schlietzlich ganz aulf.

Eine ganze Weile lcrg er auf dsm Nücken v-nd
starrte nach der Decke empor. Es >war sine ge-
schwärzto und gesprungene Zimmerdeckö, die ge-
rade übec ihm einon kreisrunden Rutzfbock aufwies.

Er versuchte sich aufzurichten. aber sotn Körper
fühlte sich starr und steif wie ein Pflock an. Er
blkckte uim sich: das Zimmer röar ganz klein, leer
und unsauber. an den Wänden hingen Tapeten-
fetzaa herab. Hinter ihm bssand stck ein Feirsber,
deffen Scheiiben streifig von Regen und Schmutz
waren; uwweit seiner >Fütze dswalhrte er wie ein
Vieveck otus srauem Duirkel eine ofsenIsbehenLe Tür.

Um ihn hevum herrschte eine mevkwürdig tiefe,
lautlose Stille, und er hatte eine ervältende Em-
psrndun.g, als ob er sich in einem aäirzlich verltrs-
senen Hause bafände. Als er fadoch eine Weile ge-
horcht hatte, mötnte er flüsteyivde Stimmen jensetts
der Tür zu hören.

Er hob den Kopf und schielte an seiwe-m Kör-
per entlairg. Datz er auf seinetn Armen lag, fühlts
er jekt und bemühte sich vergeblich. sts amter sei-
nem Körper hervorzuzichen. Und jcht erblicktö er
ein fast um seine Brust seschuUytes Seil.

Sie hatten chn al'o gebunden! Händei uard
Fütze waren fest zusammeiraeschirürt und durch
einen vielsach um seinen Körper gescklungünen
Strick mit einander verbunden.

Er «rinnertö stck sctzt des schMarzeü Aultos,
Eoanstons höhnischen Evsichts und des mrffen wei-
chen Tuches, das stch über seinen Muird §>ölegt hatte,
und mit «lnem Mal wurde er -glühmd heitz vor
Wu!t Imd Demütigung.

..Eelfairgenl" dachte er. .Mitten voM Polizei-
Amt am hellsn Tage entführt!"

Es wurde ihm rot vor den Ausen. er bitz üvtzer
sich ote Zcvhne zusammm und maMe mit krcrmpf-
artig «espanntem Körper wilde Ansttenaun»en, stch
zu befreien.

Die Stricke knirschten, aiber ste hielten. .Nach
fünff Minluten gab er don Wersuch cvuff. stck zu bc-
sreien.

Nochnrcrls war es Gm. als ob er flüsternde
Stimmen hörte. und er suchte das Vrcrusen des
Bluts durch ruhiges Atmen zu dämpfon.

I«tzt hörte er das FlUtern deutlicher. Es würds
dura» Pausen unterbrochen und gleich darauf ertön-
ten Schritte von inehveren Person-en. Die Laute
hallten in dem leeren Nauin schwer und hohl wider.

Er starrte unverwandt nack der Tür. Es ra-
schelte wie Seids, und Fraiu Robelra evschien in
der Türöffnung und blickte auf ihn hsrab. Ihre
>ne schimmerten, als sie lächelnd siagte:

..Bcffter Herr Wallion, wie errogt ste aus-
sehen."

»Dui' ich das?" erwiderte Walllon. „Nun ja,
das Laqer könnte wercher sem. das gebe ich zu."

..Und dabei hrben wir Sie E den grötzten
Haiufen von Hobespähnen gsleüt.der zu findon warl
Der Fuhboden ist nämlich -ein wenig schmutzig .

„Mag er! Ich bvklage mich nicht. Dürfte ich
jodoch vtelleicht erfahren, wo ich mich befinde?"

«Es schelnt eine verlaffene .lilischlevwerkstatt
oder etwas Aehnliches zu sein", saate Frau Ro-
beira nachlMa. „Das Haüs stcht ganz leer. Wie
die Stratze lheitzt, weitz ich wivklich nicht, aber das
Haus i.st arns auf unsern kleinen Ausflüaen nach
Värmdö schon »nehrmals aufaefallen. uud da mein
Bruder flaffällia einen paffenden Schlüssel hö'atz . ."

'..Ich bofinoe mich also in Södermalm?" siel
Wallion ihr gelaffen in§ Wort.

„Ia."

Hre Augen trafan stch.

„Finden Sie es nicht recht betrüblich, datz Ste
mich nicht geffatzt haben, ehe ich beinr Ehef der
Det-ektdoabteilung gewesen war?"

Fvau Robeira machte oine gleichgültige Ve-
wogung.

„Was sollten wir machen? Wir verfolgten
Sie vom „Dagscurir" aus, faniden >aber keine Ge-
leserrheit zum Eingreifen. Natürlich warerr wir
recht üngeouldia. besonders im Hin.blick auf die
neueffte Depesche aus Cofftazuela. aber wir begnüg-
ten uns damrt, Ihr eigenes Auto fortzuschicken und
Sto zu evwarten, nachdem wir einen Zeit>ii>mgsfun-
gen vestochen hMen, damit er Sie vor der Tür
mit seiner Zeitung empfinge, die Ihr Intereffe
erwecken mutzte. Und Sie waren so freundlich in
diei Falle zu aehen."

„Aber weun es mir nun geglückt wäre. Lärm
zu schlagen?"

„Dann würde man uns doch nicht gefangeii
hlaben", evwiderte Ine.r Robeira mtt etwas ver-
ündertcr Stimme.

Ohne datz Wallion aesehen hatte. wo er her-
kam, hielt sie einen glänzeirden Rovolver in der
Hand.

„Ich bowündere Ihre Kühnheit". versehte der
Det-ektivreporter. „Und das schwarze Auto? Das
mrutz ich doch schon geseben haben?"

„Das Auto? Da Sie uinritterlich asnug wia-
ren. die Aufmerksamkeit der Polizei auf kV 9135
zu lenken, mützten wir uns schon ein anderes bor-
gen. Ein Auto kann man bekommän. wo man will,
wonn die Earage nur etwas iabKelegen liegt und
foste Türen ha't. Eonzcrles sagt. datz es dam Ba-
ron Richterling «ehört, der augenblicklich auf Re.-
sei, ist. Wir haben es uns beut morsen gobort .

Sie betonte das letzte Mort mit stchtlichem Be-
hagen. Wallion broch, fflach cüuf dem Böden lte-
gond, rn lautes Gelächter aus.

„Sie hätten Feldhcrr werden nrüffen", sagte or.
„Was haben Sie denn sctzt vor? Die Polizei rst
Ihnen dicht auf den Fersen. und da -helsen ei.nem
dergleichen Scherze nichts."

„Die Polizeil" rief Frau Robreiva un-d schualzte
mit den Fingern. „Ie m'e« fichel Sie erschcrnit
in Autonios Wohiruug. rrnd was ffindet sie d.r ?
Einige leore Zigarrenkisten. glaube ich. und Asche
von verbranntem Papisr! Und bei miir, Eötgata
14? Nichtsl AÄ'olüt nichtsl Doch ja. meine Rchon!
Meinö Nosen habe ich wahvhaftia vergeffen. Die
köimen Sio sich ins Knopfloch stecken . .

Sie lachte spöttisch aus.

„Aber Sie wollen wiffon, wcrs wir vorhabckn.
Das will ich Ihnen sagen." .

Sie klatschte in die Hände. Man böüte Schrcttt.
und drei Männer traten nach einander ins Zim-
mer. In dem ersten mit den scharfen. gelbcn Zii-
gen und dem schmarzen Schrdirrffmrtchen erkaMte
Wallion auf den erfften Blick den Hauchtmaim Stt.-
'berra. Der zmeite Gonzales in Vhaviffeurtracht
und aufgeschlaaener Mcrske. der dritte Evmistoir

Sie stellten sich hinter Frau Rob»ira cstuff > 'd
warfen erbitterte Blicks auff den gebundei'.en Zour-

ira.isten. (Fortsetzung folal)._

Kelst nnscnWWW!
 
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