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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 1 - 30 (2. Januar 1923 - 31. Januar 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0132
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«s hst erreicht, datz die feindllche Aktion eine Kemmung er-
fahren hat; es lommt nun alles Laranf an, ob es standhält, auch
den gesährlichen Verführungen gegenüber, die die Franzosen, die
nicht nmsonst bei dsm Meister der Eewaltpolitik, bei Macchiavelli,
in die Schule gegangen sind, bei ihnen versuchen werden, nachdem
das Ruhrgebiet nun vollkommsn eingekreist ist. Bis jetzt haben
diess Verführungen keinen Ersolg gehabi. Bis jetzt zeigt Las
Ruhrvolk eine geschlossene Einheitssront von seltener Stärke: „Wsr
die Westsalen kennt," schreibt die „Essener Volkszeitung", „weitz, datz
auch Lie Eewalt nichts gegen ihren eisenfesten Willen vermag"; zu
dieser an sich herzersrischenLen Aeutzerung mutz nur leider bemerct
werüen, Latz Las, was im Ruhrgebiet schafft und arbeitet, durch-
aus nicht nur Westfalen sind, datz ihre Reihen vielmehr
durchsetzt sind von ungelernten Arbeiiern, die aus ganz Deutschland
und wsit Larüber hinaus, aus den östlichen Ranügebieten h!n-
übsrzogen, um sur kurze oLer lüngere Zeit Arbeitsgelegenheii,
höheren Lohn und Lemenisprechende Vergnügungen zu finden.

„Am siärlsten," so führt ein Beobachter im „Hannoverschen
Kurier" aus, „tretsn unter dissen Zuwanderungeu die Polen Lurch
i-hre gsschlossene, lampskrästige Organisation heroor, die sie stets zu
einem gsfährlichen Faktor der politischen Stimmung im Ruhrgebiet
gemacht haben. Wohl haben sich die amtlichen Vertreter Ler pol-
nischen Arbeitcrgruppen bei dem gemeinsamen Empsang durch den
französischen Oberbefehlshaber in Düffeldorf feierlich mit den übrigsn
Eewerljchaften solidarisch erklärt. Jn den eigenen Rethen avsr
vermögen sie nicht die Unruhe zu stillen, die immer wieder von
französischen Agentsn erregt und geschürt wird. Aeutzerst bezeichnend
ist, datz zurzeit cine ganze Anzahl polnischer Bergleute, die früher
selbft auf den Nuhrzechen arbeiteten, nunmehr in französischei llni-
form oüer im Heeresgesolge die alten Beziehungen zu ihren Volks-
genossen und Arbeitskollegen wieLer aufnehmen. Nach allem, was
mir selbst in den letzten Tagen aus vertrauenswürdigen polnischen
Kreisen zugetrazen wurde, mutz man schon jetzt auch hicr wieder
von einem „schlafenLen Heer" sprschen, das sich im Ruhrgebiet dem
FernLe zur Verfügung stellt, Datz glcichzeitig Korfanty in seiner
„Oberschlesischen Erenzzeitung" beifällig Artikel der „Nhein.schen
Republil" des Sondervündlers Ioses Smeets abdruckt und auswertet,
mag zur Abrundung dieses Stimmungsbildes beitragen."

„lleblsr noch sind jedoch die kommuniftischen llmtriebe, die ganz
offen den Zusammenbruch der deutschen Widerstandsfähigkeit vor-
Lsreiten. Wohl rufen anch hier die Dertreter Moskaus durch Funk-
sp«uch und amtliche Noten die Gestnnungsgsnossen der ganzen Welt
gegen den französtschsn Jmperialismus im Ruhrgebiet auf. Aber
die Eeffter. die sie zu anLeren Zwecken riefen, lassen sich nicht so leicht
aus dem Klaffenkampf zurückrufen, in dem dre Söldner der Sowjet-
republik bislang nur einen einzigen Eegnsr, Len „deutschen Jndu-
siriebaron", lanntcn. Heller denn je leuchtet ihnen gerade jetzt ja
Las Ziel ihrer Arbeit greifbar vor Augen. Latz aus dem Chaos im
Jndustriegebiet schlietzlich die heitz ersehnte Weltenwende erstehe.
„Kriegszustand zwischen Franlrclch und Deutschland", so Leginnen
die von kommunistischer Seite verbrsiteten Flugblätter ihren Auf-
ruf. Der Schlutz aber ist hier wie in Lcr Prssse das fanatische
„NieLer mit Ler Negierung Cunoi". Las die französtschen Zeitungen
unter Führung Les „Temvs" Lsifällig aufnehmen und weiterleiten.
Eefährlicher noch wird das Aicl, weil die Erenzen zwifchen Kom-
mun smus und Soz'alismus auch jetzt noch nlcht so fcharf gezogen
»erden, wis es im Jnteresse Ler Sache und im Jntsresse gerade der
deutschen ArLeiter unbedlngt nötig erscheint. Wie überall im alt-
und neubesetzten Eebiet habsn sich auch im Ruhrbszirk die Sozial-
demolraten auf geschlossene Einspruchsversammlungen Leschränkt, weil
sie den jahrelang mitzleiteten Wählern und MltlLufern gegenüber
die nationale Arbeitr-gemeinfchafl mit den üLr'.gen. Parteren und
insbssonLerr mit drn Deutschuationalen verleugnen müsscn. Die
Folge Lavon ist, Latz unverantwortlichc Cessllen auch in der Leutschen
SozlalLemolratie Las von den Kommunlsten gcgebcne Beisptel fort-
fiihren und in Len eige»en Reihen mit Spott und Hohn Zweifel
an dem Erfolg und an Lem Weri des „Durchhaliens" säen."

Der Berichcerstatter drs „Hannoverschen Knriers", dem wir bis
hierher das Wort gaben, schlieht seinen Brlef mit Len Worten:
„Bei allsr Zochachtung, dir in diesen Tagen in Wahrheit Las Ver-
halten Ler rheinisch-westsällschen BrvLlkerung auch dem nüchternen
Veolachter avringt, durfen diese schwercn Zwsifel nicht verschwicgen
wercien, soll nlcht diese Krlegsl-erichterstattung dem Fluch der ofsr-
zielleu Schönfäroerei occsallsn."

EIn deutscher Bauernroman aus dem letzten Jahrhundert.

Von Naul Burg.

12. Forllctzung. Nachdruck vcrbotei'

Einst — einst! Wis glücklich war man grweseu! Diese hier in
den Kissen, rin HSuflein Runzeln noch. war einst das stattlichste
Weib im Dorfe. stakiöjsr noch als die Maria Vrlten jetzt in ihren
fünszigcr Iahren. Sie hietz Lie stille Weberlingswrtwe und leüts
mit ihren KinLern bei Lem alten Propheten. Dann ward sie die
Lindenschmidtsrau uns gebar ihm in bohen Iahren noch einc-n
Sohn. JLrgen- — Verschwunden! — — Wie lange, lange war Las
nun schon wieder heri Eine uorlreffliche, stille. a-er immer slei-
tztge Frau — jetzt lag sie im Stcrben

Binncn Tagen würde er ihr nachsolgen, denn nun hielt ihn
garnichts mehr aus Ler Welt. Die weitzen Tauben waren ja auch
weg von Ler SchmieLe uns Jürgen verschollen in aller Wclr. —

LinLenschmiüt wandte sich ad, Latz die röchelnde Frau in den
Kiffen seine aufschietzenLcn Trünen nichr sähe- Er stcmd auf unö
wollte sich,zu,m Trost« die Vrbel holen.

Auf Ler Türschwelle wariete und minkte ein Weitzss, ein Briei-

Der Al'e,sah ihn — erschrak und bückts sich schwcrfällig danach.
Lie Knie littcrten ihm. Die alle welke Hand griff zu. Zwei
Menschenalter lang hatte sie Len Hammer geschwungen — er war
thm nie so schwer gcw"sen als diese wcitze Last des Briefes.

Bon Trauen schw u-mcnde Angen lasen die Aufschrift. den
dickcn Stempcl auf den bunten Briefmarlen. Alles tanzre auf
Lem Pavker, dsnn die Hand zitterte wie toll und Las Herz jchiuq
noch mehr.

„Von meinem Fürgon. Dic erste Dotschast von Iürgen."

Lindenschmidt trug den Brief ans Bett und die Knie mank-
ten ibm

..Mütterchcn — der Jürgen schreibt! Absr sts HLrte ja nicht.

— Sacht reichte er ibr den weiffen Brief zu.

Runzelhände griffen »anach, fuhren im Bogen auf der Beti-
decke herum. Fingcr krallten, streckicn sich — lang — lang . . .

Lnd auf Len gelbsn Zügen des pergamciften Altmuiterant-
litzes stand ein seliges Leuchten — stand still und erstarrte.

Mit verbaltenem Atem stierie LmLcnschmidt scine Frau an,
rief sie an, schrie ihr ins Eenclft, ins Ohr:

,.Mutt"r! — Mutter, der Iürgen hat doch geschrieben!"

Aüsr sie gab keincn Laul mehr von stch und bewcgte kein
Elied msbr. Der freudige Schreü des Eriennsns der gclieblsn
und ersehnten Schriftzüge auf dem Briefe hatte ihr Herz angs-
haltcn

„Au,f bald!" klopite der Tod dem zitternden Ereise aus die
Schultern uu.d schlich aus dsr Tür. durch die er erst eingeichlüvft
war, ais Ler 'riei von dcr Schwsllc wcggenommen war, denn
dieses Sckrribem monntelang übcr Länder, und Meere unterwegs.
hatte mit Lem Tode einen W"!!lauf geian und — Erstsr um Ziel

— stch schirmend aui die Sch-rellc des Elternhauses gelsgt Du
darfft mir meiner Mu'ftr liebes H:rz nicht anrühren, bevor sie
mich noch ein c:n„„es ch'a, mft ien A.ige« gcarützt hat, du grau-
sgmer. Tod.!. Lrotz. biete ich -dir. drnn ich bin Iürgen 2indenjch.midt

W:r sind de» hannovevsche« Dlaits dankbar für diese unge-
schminkte Darstellung und wir glaubten sie unseren Lc-scrn nicht vor-
enthalten zu dürfen. Es erglbt flch sür uits Laraus absr nur dic
verstärkte Verpflichtung, alles zu tu-n, um der Masse der Eutgesinn-
ten im Ruhrgebiet den Widerstand auch gegen die Eesahrenkeim:
im eigenen Jnnsrn zu crleichtern. Unsere Leser wiffen, datz eins
Bewegung im Eange ist, die den Vewcis liescrn soll, datz das ganze
übrige deutsche Volk nicht bloß mitfühlt, sondern auch mit-
handelt. Hoffen wir, datz diese Bewegung rasch zu greifbaren
Ergebnissen führen möge.

Es mutz sich jctzt etwas durchaus Neues bilden i m Volke und
aus dem Volke: eine Volks-Schwurgemeinschaft und Volks-Not-
gemeinschaft. Wir haben unsere Reichsregierung und unsere Landes-
rcgierungen, und wir hcvben unsere Volksvertretungen und unsere
Parteihäupter, aler diesc alle sind nicht so mächtig und nicht so srei,
wic es :u dieser Zeit sein mützte. Sie sind auch gehemmt durch
alie Ecgensätze, gebunden durch Proqramme und durch die Lisherigs
Entwicklung/ Wir haben keinen Zweisel, Latz unsere Reichsregierung
völlig auf der Höhe ihrer Aufgabe ist, aber heute hängt alles Lavon
ab, Latz Las Volk als Eanzes sich zu Worte melde, über Las,
was Llsher Trennendes war, hinweg stch zu setnem Willen der
SelbstbehaupiUng bekenne und damit alle, auch dic Zwelfelu.en
und ZLgernden, auch die Lauen und Kalten, mit sich fortreitze, die
Nerräter aber zum Schweigen bringe. ro.

Eiir Erlatz der Reichsbahndirektion Mainz.

' . ^ Mainz. 23. Januar.

Die Reichsbahndirektion Mainz hat an die Handels-
kammern in Bingen, Darmstadt, Mainz. Wiesbaden, Worms, Kob-
lenz, Mannhcim und Heidelberg, sowie die HanLels-kammcrver-
einigung Oppenheim ein Schreiben gerichtet, in der sie erklärt, datz
sie die in Wioerspruch zu den Bestimmungen des Rheinlandabkom-
mens erlassene VerorLnung 136 über dis Errichtung einer Ueber-
wachungslinis an der Ostgrenze des besetzten Ge-
Lietes von der Eisenbahnverwaltung gemätz Weisung der Reichs-
regierung als rechtsungülkig nicht beachten werde. Es
sei in die Wegs geleitet worden, datz Scndungen aus dem besetzten
Eebiet nach dem unbesstztsn G-biet, die bisher durch das unbesetzte
Eebict geleitet wurden, künftig nur innerhalb des besetzten
Eebiets befördert wiirden und Latz Sendungen vom unbe-
fetzten Eebiet nach dem unbesetzten Eebiet, die bisher durch das be-
setzte Eebiet gsleitet wurden, künftig nur innerhalb des unbe-
setzten Eebtcts LeförLert würden. Für Len Verkehr zwischsn dem
Mainzer und dem Frankfurter Vezirk sind die Matznahmen
am Montag in Kraft getreten.

Der Mord von Langendreer.

Z«r Gervalt noch der Hohn.

Bon unserer Beritner Neüaktion.

Berlin, 23. Zanuar.

Die Note, worin der deutsche Gsschäftsträger in Parls, Vot-
schaftsrat von Hösch, austragrgemätz gsgen die Erschietzung des
Krankenträgers Kowalski in Lanzendrerr protestiert hatte, ist
Herrn von Hösch vom sranzöstsch:n Autzenminister mit folgender
Begleiinole zurückgesandt worden:

Das Miiiist,erium der auswärtigen Angelcgenheiten beehrt
sick, der deutschen Botschast das hcute erhaltene Schrciben zuriick-
zusenden. Es ist ihm nicht möglich, ein Schreiben anzunehmen,
vas in derartigen Ausdriicken abgesatzt ist.

Von zuständ ger Stslle wird dazu bemerkt: Es sind nlcht die
Ausdrllcke. in densn sich die Note Lewegt, son ern die darln fest-
gestettteu Tatsachcn und V e r a n t w o r t l i ch k e i t e n, hie der
französischen Regieruna unbequem stnd und an die si: nicht
erinnert zu werden wünscht. Die Rücksendung der No'e schafst d ese
Tatsacheri und Veran worü-chkeiten nlcht aus der Melt. Sie zeibt
nur, datz die französische Regierung nichts anzu'iihren we tz. was die
Erschietzung eines harmlosen Krankenträgers durch
elnen französischen Wachxosten nnd die dieser Bluttat zu Erun.e
liegenden I n str u k t i o n e n zu r:chtfert!gen rermag. Die neue
No.e schlietzt sich würdig Ler Antwor not; am die . o nearä aus dle
deuische Protestnote gegen die Schictzere' in Bochum noch zu er!e len
gsruhte, in der ebenfalls schon aus len ron der deu.shen Reg.e-
rung festgestellten Tatbestano mit ke ner Sil e ein egangen wurde.
Eeradezu unerhört mutet es an, datz die Fran osen in beidrn Notsn

und kenne keine Furcht. Blotz um ineinc llttei! Eitern ist cs mir
leid, du scheutzlicher Tod! Tausendmal habe ich dich gesehen, anf
Lem Weere und in fernen Ländern — du bist überall unter dsm
Himmel Ler gleiche. grausame Würger, dem keiner entrinnt. Um
eines einzigen Blickes Läng-s besiege ich dich. —

Erinssiid wich der Allesbezwinger dem altsn Pfarrer aus dem
Wege, als diessr eilig auf die Schmiede zustrebte. Unten wandte
sich Ler Tod und lachte ihm mit gcsletschten Zähnen nach.

Dich hol ich ein, du brauchst nicht zu rsnnen. heut komm ich
dir üier sagnr noch zuvor. — Was bedarf cs der Schwells —
das Fenster ist offsn. Und du — wiege dich nicht in Sichsrhsit
— lald! Deine Uhr ist abgelaufen — blosj über deine KeLanIsn
babs iüi ksine Macht und mutz sie wsitsrrinnsn lassen in den Men-
scheiftöpf-'N. Datz ich doch niemals e-nsn Esdanken umbrlngen
konnte. Eott aab den Menfchen diese Eeistessveise, wslche üe alls
überlebt — nnd mich verspotten sie Lamit! Warte Pfasfe -- dein
Freihsitstraum, Las VölkerbsglllckeN ist auch blotz ein Schemen und
bringt mir die reichste, blutigsts Ernle, welche je einer gesshen
hat. Du lftsi Ler grötzte Narr von allen . . .

Pusier Fromme erstieg die Trevps und trat ein. Jürgens Brief
aus Amerika lag uneröfstlet auf der Tctsn Brust. Und der alte
Lindenschmidt am Sterbebette las mit trünenersticktsr S-imms
laut sinsn srommen Psciim aus der Vibcl.

Da ging der Pastor lcise wiedsr hinaus und lietz den Taubsn
be! dsr Tolsn allein. Auf der Stratze bsgegnste ihm der Schulzon-
hofkauer, blieb stutzig stehen.

"Aiftr-ns Weberling, deine Muttsr ist jetzt gestorben.'

Dcr Baver sah ihn grotz, grotz an.

„Hsrr Pastor. sie ist so alt geworden und all.zeit so gut und
still geweien. Latz man hätt' meinen sollen, sis wäre schon langs
cin Stück Ewigkeit selbst und nicht mshr von diessr Wsft. Eott
schenk ihr gewitz die ewige Ruhe, L-enn sie war eins so gute Mutter."
Weberling nabm seine Mühe ab und saltet-s die Hande Larüber.
„Amen'"

Wo sis auf der Eaffe stanken, betete der alte Pastor mit ihm
Dann wsndeten sie stch s' -ftgsam Lem Schulzenhofe z«.

niHtekn eknzkges Wort Les B'e dauerns trbsr deu ourch
sts verursachten Tod Leutscher Staa'sangehörigen ftnden, sond rn i»
einer geradezu höhntsch anmutendsn Form daraift qinnci,en,
Latz jede Bewsgung, die gegsn d:e Sichsrhftt der sranzöstfch n Trup-
pen gerichtet jei, aufs strengste un erdrückt wsrde. an erkennt aus
dieser Aeutzerung Poincarss Len Geist sein:s Eroberungszuges an
den Rhein. Die Komöd'.e mit den Jngsnieurkcmmissionen tst nur
der Vorhang, vor Lem sich der französische Impcriaii mus vor üsr
neutralen Welt verborgen hält.

ZrmMslhe NeweWhrmg.

Die Ablehnung des Protestes gegcn die Berhaftungen.

Von unscrer Berliner Redaktion.

Berlin. 23. Jaumrr.

Die französische Regierung hat dem deutschen Eeschäststräger iu
Paris folgende Notc Lbersandt: Die französische Regierung bestätigt
den Empsang der Mittcilung, worin die deutsche Regierung gegr»
die Derhastung gewisser Pcrsonen im Ruhrgebict protestiert. Die
srauzösijche Regie.ung weist dicsen Protest zurück uud ist entschl-issen,
ihm in kciner Weise Rechnung zu tragen. A!le von
den Okkupationsbehörden getrosfenen Matznahmen sind oollkom-
men rechtmähig. Sie siud die Folge der von Ler deiftschen Rs-
gierung begangenen Berletzung des Bertrags von Bersaillcs. Dic
franzöfische Rcgierung ist entschloffen, die AussLhruug diefes Wer-
trags durchzusetze« und behält fich vor, alle a'Lerer SanMo-
nen anzuordnen, welche die Haltnng der deutsÄcn Rcgierung, ber
-eutsche« Beamte« oder der Leutschen Staatsa: -: .r-ftu'cnLig

machen sollten.

*

Von zuständiger Stelle wird zu dieser Note bemerlt: Die franzo-
sische Negisrung hält also die Anführung oon Rechtsgründen
sür ihre Eewaltakte nicht mehr erforderlich, jondern versucht, Lurch
bloße Vehauptungen die Dinge in ihr Eegcnteil u.mzu-
kehren. Deutschland sslbst soll an allem schuld sein, weil es die sran-
zöfische Aktion nicht unterstützt und es aülehnt, an einsn oertrags-
brüchigen Kontrahenten zu leisten, solange er den rechtswidrigen
Zustand ausrecht erhält. Jn diejer Art zu argumentiercn, könnie
Herr Polncarsi mühelos nachwsisen, datz die deutschen Rückstände bei
den Holz- und Kohlenlieferungen den militärtschen Vormarsch bis
nach Verlin, die Vsrhaftung aller wirtschaftlichen und politischen
Führer in Deutschland, die beliebige Beschlagnahme deutschen Staats-
und Privateigentums oLer was den Franzosen sonst beliebt, recht-
fcrtigen würden. Der in dcr Antwort bekunLeten Entschlossenheit
der ftanzösischen Regierung, ihr llnrecht immer weiter zu treiben,
wird aus deutscher Seite mit nicht geringerer Entschlos-
senheit der moralische Widerstand des deutschen
Volkes entaegentreten. Die Drohung mit weiteren Sanktionen
wird uns nicht hindern, auf dem Standpunkt unseres guten
Rechts zu verharren, der weder durch llmkehrung Les Tatbestandes
noch durch Willkür- und Eewaltakte entkräftet werden kann.

Sie seimalsront.

Erotze Sämmluugen im Reich fllr Lie Ruhrkämpfer.

Von unserer Berliner Redaktion.

Berlin, 23. Januar.

Die Reichsregierung beabsichtigt, für das Ruhrgebiet eine all-
gemeine Sammlung für Las ganze Reich zu veranstalten. Der Auf«
ruf hierzu dürfte bereits Dienstag erscheinen. Die Zustimmung d«r
Landesregierungen zu dieser Sammtung ist bereits ein-
geholt und für Bayern ron der bayerischen Regierung bereits erteilt
worden. Jnzwrschen werden von zahlreichen priüaten Organi-
sationen Samnftungen veranstaltet. So fordert der Vorstaad der
Korporation Ler Berliner Buchhändler die ihr angeschlüffe-
nen Firmen auf, eine Selbsteinschätzung vorzunehmen und bis zu
ein Prozent des täglichen Umsatzes der Ruhrbevölkerung zur Ver-
sügung zu stellen. Ber der Daimler-Motorengesellschaft
stellen sämtliche Angestellten zwei Prozent ihres monatlichcn Gehalis
zur Verfügung. Der Rationale Klub in Berlin hat 4 Mill-
Mark für die notleidenden Arbeitnehmer im Ruhrgebiet gegeben.
Eine grotzzügige Hilssaktion ist von den Vertretern sämtlicher Wirt-
schaftsorgani-sationen Schlesiens eingeleitet worden. Weiters
Spenden sind von den Beamten und Angestellten der P r o v i n z i a l-
hauptverwaltung von Pommern, der Bremer Han»
delskammer und grotzen llnternehmungen in Berlin geleist'et
worden. Aus Santiago wird gemeldet, datz die Deutsche«
Chiles eine Sxende für die Ruhrbevölkerung sammeln. Die erst«

Mar a sah die beiftu kommsn uno
Hauvt. „Evre Mutter starb in Evtt!"

ahnie. Sie beugis das

„Du hast mir die grötzks Liebs anzetaiq als ein Mensch dcm
an-derrn ersinnen mag. Hast mrr m-.inen Andreas zum Leben gs-
boren und ausgezogen, warsi seins Pkutter. dn hnst anch mich selbst
aufgezogen alr meine Mutter und rollcifts mir beigestandsn
L-amals im Feld am Erenzstein, wo ich Len Andreas nach so lan-
gem Schnen gebar — du unser aller Mutter! — betete Maria
LankbeM.:c,t Dann ging sie leisc ins Ko.us und rief ihre Kinder
und Enkel zusammen.

NnLreas war mit dcm Pastor zur Schmiede. Man kam ihnen

fchon entaegcn

,.E>n Bricf ist gelommen. Dic alten Leute sind betde tet.
Der Vrief licgt unaeleien auf dem Bett. Der alte LinLenschmidt
sitzt tot mit der Bibel davcr. Ach, Herr Pastor — es ist schreck-
lich!"

Dcr weitzhoarige Pfarrer aber schüttslts den Kopf.

„Liebe Leute. was ist denn schrecklich? Beide in siner Stunde
vereint. wandern der Ewigkeit zu. Sagt —ist Las nichl das Schönitc
tm Leben?." , , , ,,, , , , . ,



Da nickten sie freilich Ja. Und auf der Schwelle zum Sterbe«
hause hrelt er ^nne. wandte sich den Dörflern wieder zu:

„Vor einer Stunde gerufen. fand ich die Frau gestorben. De<
alte Mann fang ihr den Sterbspfalm. Das ist nun sein eig-nek
Erabgefang geworden. Eott hat gnädig an sein Hsr,z gerirhrt/

„Aber der Brief, Hcrr Pastor?"

Da ging er hinein und kam mit dem Briefe zurück.

„Das ist ein Lebenszeichen vom Iürgen Lindcnschmidt."

- - Volk staunte. Lr ging wieLer hinein. Maria und Ruil
zolgten ,hm Beids Frauen taten den alten Leuten den letzteü
Liebesdtenst. u'ufchen und bekleideten sie zur Ausreise ar.s Lissft
IN ^ Lstztl chre.t. Alles -Lterkekleid lag ia im tiefen Schu^
seit , , iren und ^aqrzehnten bereit. Las Sierbshemd, vo-' Al'el
jchon ein wenig angegllbt. lawendelduftend und keinaefülter die
wsisien Strumpfe und dre Tolenhaube, HanLichuhe nnd das M"!'
tenstrautzchen noch von der ersten Eh- mit jenem An-r-a--. Wsöer-

und starb. llnd während. Mari-
und Nut!) L.e^e letzten lerblla)cn LiebesLa-en dsn LeiLen al-oH
Leurchen verr chteten. di- so hoch an Iahren und so le-cht °n Kör'--'
geworden waren La„ man ste ohne Mühe a-if den Armen

rvn"^en beid?n^^^ Vancrin zu ihrer Schwieqsrr.vchte'

von .e.r neiden q.o,ea, wie I'.s iung, Lem Dorie tr nn'' tn '>

gewesen waren. Das war zu jene: Zeit, als die Linde vor"i M-- r-
iinghanft cepftanzt wurde. Und Maria stellte Ruth cin'ävlesH
vno voi Ole

Schmisde abcr satz der P-ftftr be m ftack-rnde!'
ünd las Lem Dorie Len Bries vor, welchen Iüroen L>n^-n-

°n ieine Elft'rn g^schickV hatte irnd w", 'ü

» a?^"U'lls gslegen war znr Stnnde Les Tiftes Ler ' s-Hd--v
gegangen ? Wiffenschaft auf di- grvtze Rft'st

-r.. M't dem ersten Frührolschein flatterten dis weitzsn Tauben a.b
thrcm Sc.ftage unterm Dach bei Lcr Ehelammcr vom Web- rlin'So!
S-e srreiftsn üher die Schmiede und Mühle L-ndeusch-nftü«s als b> i b-
ten fie den Toten eincn lotzten Erutz, Lie junoe.i Tr-K-n o-rs -
Brut des einzigen Sohnes Jiirgen. Lcr als Schifftkoch auf L-m h-hc»
Mecre fuhr. llnd dann zogen sie nach dem Pfcrrhause hin e r
ws.ges Wölkchen, flatierten auf und verschwsbien in Himmsli-ülZueN

Zugl-ftch setzte unversehens ein brauiender Wind e?n Nap">"-t'
an allen Fenstern, Läden und Schsunen, und weckte die M:nschen
Dorse aui. Blutigrot stieg die Lonns über dem Horizoift hoch. eir
renr ger Ball.

Das war Ler nsus Tag und Beginn neuer Kämpfe.

Denn der alte Pastor Fromme hielt die Leickenrede an de«
Särgen der Lindenschmrdts nicht mehr. Man fand ihn zu dies,'!
Morc-cnstnnde tot in seinem Bette, ewigen Frieden auf ssinem Autlitz

Mar a hai rhm die letzte Liebe erwieseu, sciuen irdischen Heins
gang zu richten und den toten Leib zu bcreften. welchem dic- unst rv
liche Seele. der erhabene Eeist, nächtens still entflohen war. Db
Hofbäncrin tat es mit trauervoller BcLüchtigkeit und rief in siö
allen Anteil dieses vortrefflichen Mannes an ihrem Leben wieLft
waüi Wie sehr wllrde ihnen allen dieser Leredte und weisc Mahne!
ehlenl . „. ., . (Forijetzung loig'.)
 
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