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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

DOI Kapitel:
Nr. 119 - 148 (1. Mai 1923 - 31. Mai 1923)
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https://doi.org/10.11588/diglit.15611#0743

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w°ch, r. M« isrr.

VeLblatL der Badischen Post

Lelte 5.

Aus der Stadr.

Großherzogin Lmjc.

der Gedenkfeier des Roten Kreuzes für die
kicht-/ lovgin Luife am Sonniag, über die wir bereits kurz be-
tede Stadtpfarrer Prof. O. F rommel die Eedenk-

' " wir folgendes eninehmen:

Rn,T°. >"'>- """ hier verjainmelt haben, sind ein Kreis von
iu erbpn" Frauen, in denen Dankbarkeit, Pietät und Trauer
>ichl ^ ?^"der Ausfprache drängi. Nicht eine prunkvolie Zeremonie,
politische Kundgebung — vielmehr eine Handlung der
lliid dankbaren Liebe sei uns üiese Stunde. Schlicht

Seier "lL Erohherzogin Luise gewefen, sei das Gspräge diefer
§ahui ^rgelklang Schriftwort und Lied bilden ,den einfachen
Ue jn^-"-'" das Wori, Las bemüht sein foll, auszudrücken, was uns
mchul, Tagen bewegt: Das Lcid darüber, dah auch diese teure
m,. dem Eesetz allen menschlichen Daseins versiel.

Aeht !- !drechen den Namen Erojzherzoain Luise — und vor uns
^daLiss" Profil, wie wir es zahllofe Male geschaut und unsrrem
^ ^tngeprägt haben: Züge von einer im Alter immer üeut-
giiHy,,?^vortretenden V e r g e i st i g u n g, in der Klarheit und Be-
»eii dcr Linien an den glanzvollsten Vertreter ihrrs Hauses,
llebeu"ven König erinnernd, mit den Zeichen eines bewegten
?Hes mit den Runen des Lc,ds bedeckt — aber cs fehlt darin

?N>ite Verbitterung, Hag oder Menschenverachtung erinnern

'ichx geschlossener, in sich gesammelter Wille beseelte die zier-

war.

Europas haben .... , ,

Aühenzollernblut aus Wort und Tat dlessr
»ouerngeschlecht anzugehören. das Llieb öis zuletzt ihr
M ihre Frmde. Auch als badische Erohherzogin
^eschl^'M Herkunft und den Zusammenhang mit dem väterlichen
LittzchAt keinen Augenblick verleugnet. Man hat ihr das bei
^>vn. "orargt — aber zu llnrecht, wenn anders Treue g

uns

iegen

esen

''"er^r ""d Seimat zir den aüszeichnenden Zügen im
»vrau gehören.

> de/^"?r noch das arme, patriarchalische und — im Bergleich
i "ach 1866 — kleine Preutzen, in das die Tochter des

i kimen-Und nachmaligen Königs Wi lhelm und der weimarischen
7rE!'" Augusta hineingeboren wurde. Eern erinnerte sich
?"d Luise in ihren Gesvrächen dieser frohen Kinderzeit

^!>vu» !"!t bürgcrlichen Schlichtheit und Sparsamkeit. in der sie
Nte ^ "nd erzogen wurde. Kein byzantinisches Formgeprange
?iei Tage der jungen Prinzessin, wohl aber fleitzige Arbeit,

Mg richt, religiöse Uebungen und vor allem tagliche Anschau-

° U "terlichcn Vorbilds. . ^

iungc Prinzessin neunzehnjährig an der Seite Groß-
A'edrich im badischen Land ihren Einzug h-elt dr
schon eine ausgeprägte Persönlichkeit, stehend auf festsr
?°'4°lli„ ^dlage, strcbend nach klarem Lebensziel. Die junge Erotz-
" !§'°" wie geschaffen für den von einem heitzen Tatendrang
""d Al? ,?"tten, und nahm fortan an allcm, was seine Regierung
» sjsn^'t'k betraf, den lebendigsten Anteil. ... -

"Uri-d den erlten -labren der Ebe war ihre Kraft nach der Ee-

jeundErziehungs-
Anspruch genommen. Docy sehr bald schon traten
CLokc^"Sen bci ihr hervor. die. ganz im Geiste der Mutter,
"d>sllsi»"M"g eincr weitverzweigten, alle Gebiete des Frauenlebens
"ben Organisation abzielten. Es entstand der

^ ^ »adische Frauenverein.

Ahövf?Aslich kann iw Raum dieser Feier etne'auch nur annähernd
ll. Darstellung dieser aus bescheidenen AnfSngen immer

Nrb°S'8°r und vielseitiger -

S- '

-ber

von^lrbeiten dar, die, ein weitmaschiges Retz, in ihren
^"»«kin ""d verbindenden Fäden alls in den Händsn der Be-

ßÄ-Vlick und Verständnis für das was nottat, in der Tat-
Edkt n,,-°°stimmtheit, mit der das als notwendig Erkannte durch-
k«i? Unablässia bemühte sie sich darum, Elnblick in die

ö«, ^>ven-T?dLrfnisie der Bevölkerung zu gewinnen und scheute auch
8j..Aot davor zurück, sich selbst an die Stätten des Elends und
de, »i>ii «L°geben. Natürlich konnte diese Arbeit nicht ohne einon
'l>. "bil>,,,''tarbeitcrn geleistet werden. In der Heranziehuna und
!v""S erwies fich die Erotzherzoain als eine echte Tochter
dy? °äd,?L'' ° rs. lleber das ganze Land wurde die Organisation
die^'.le Frauenvereins ausgedehnt. Fest steht die Tatsache,

e ' ' rrcu.ueiioerllins uuSgedehnt. „-V- — ->—

urotzg Anzahl Männer und Krauen dem Frauenverein ge-

ßezf "nd noch dienen und — so darf man bestimmt hoffen
""g un>> L°rden. Manckes von dem Werk, das mit so viel Hin-
dvkH ° Vegeistcrung geschaffen wurde, ist

^ tlngunst der Zeit abgebröckelt oder droht abzubröckeln.

L!>d^"den^?°" konfessionellen oder staatlichcn und kommunalen
^«„d'aktit^rnommen worden, was ja vielfach das Naturgegebene
"icki - ^"kwendige war, wodurch aber der Fortbestand des
bild? ""s i r?" 8rage gestellt werden sollte, wenn anders der Geist
i Pbsr «n „ d'S "leiben wird, der in Erotzherzogin Luise in oar-
drin'LSr "erkörpert war.

»'it ?ebi°.. gedachte sodann der Tätigkeit der Verstorbcnen auf
^!""d° Schulwesens und einer Schöpfung, die von ihr

tz'-.

^?ir!ch e"n^ Liebe gehegt wurde: dem Mütterhaus der
l», «chwestern vom RotenKreuz, dem Ludwig
l.-^rankenheim in Karlsruhe. Dieses Heim
Mt t-'hre^ Entstehung dem schmerzlichen Ersignis des jähen
f'est täglich '""seren Sohneg, der ihr im Jahr 1888 entrisien wurde.
»llit ^sntra'n?!^"" st° 'n Karlsriche weilte, hat die Erotzhorzogin
"°Uerk,i„ t° ihrer Liebestätigkeit aufgesucht. Auch diese Än-
lfr ki.hot r,!"Ss in die Verwaltung der Stadt Karlsruhe einbe-
iw> d'tv. manche Umgestaltung erfahren. Auch hier konnte
^ ° 2*c>S gedachte und angelegte Plan nicht iestgehalten

^">id keine salschs Prätension, wenn man Erotzherzogin

^lNiitt ".7''ck auf die vielseitigen Werke gerne den Namen
beilegc-

^llkjv

">llk

^-llr m Landesmutter!

ib?.^berzogj" Luife eine echte Frau, vatz sie ihr Ledens-
Är ""d?n-!'"'!tt'ch°" Beruf auf die mütterlichen Jnstinkte des
^NH^'ite der Liebe und dienenden Hingabe ausbaute.

-- — ""kl'ngend an ein Wört ihres grotzen

Mutter und erste Dienrrin des Staates

Ä°"d°^ !?!" bedeutete für diese Frau wahrlich nicht ein

"v- !°n^- Senietzerischos Ausnützen der in ihror Stellung

»lli"ea°i?en " "" f" wenia wie em volksfremdes Schreiten

V ik> ?t°r dnscoheitshöhen. Furstin sein war für sie vielmehr
^ E" Zc'i? K,A"h"ster Dienst. Einsatz Ihrer Person, Hin-
^ ° 'iiehung" ^' A^'ttel an die Aufgaben der Volkswohlfahrt

sE^'Igrbe"us einer schier unübersehbaren Fülle von
>v°,,."rde . D>e unentbshrliche Technik modernen Arbeits-

^uhe ,,'.^ vollkommen beherrscht. Jhr Taa batte nur
!>>>t, >v^!- ""ö Erholungsstunden, er fing sehr früh an und

5ed, ^kis.r-kb runbr

E'chen qr" sen ihres Wesens traten in den iniindlichen
> "> deutps,'» Ä-""S°n der seltenen Frau hervor: das stolze
^°'t H r.-^,.6"rst:n zu sein. Das Vaterland stand ihr —
"e Redensart — über den Varteien und auck

über der eitzenen Stellung und dem eigenen Schicksal. Kein Wort
j der Bitterke>t habe ich bei eingehender Aussprache übsr die fchweren
Ereignisie aus ihrcm Mund vernommen. Keine Vorwllrse, keinx
Anklagen! Wir müssen hofsen, sagte sie damals fNovembertage 1918)
aber mehr als das, wir müfsen ausharren!

Dieses Ausharren vermochte sie, weil ihr Wesen ganz und
gar im Religiösen wurzelte. Religion, Eläubigkeit, Christentum
gehörten zu dem Erbe ihres Vaterhaufes. Sie war eine wahre
Jüngcrin Jesu, die ihren christlichen Elauben durch all lis
tragischen Schicksale, die der 80 jährigen Ereisin noch auferlegt
wurden, unerschütterlich bewahrt hat. Sie fand die Kraft, auch das
Schwerste und Unfatzliche als Willen und Verfüguna höherer Mächte
hinzuneümen, ohne sich innerlich verbittern zu lasirn.

So schauen wir die Grotzherzogin Luise im höchsten Alter wunder
voll gereift, von eincr Wärme verbreitenden Eute, wie ein Wahr
zeichen in einer Zeit, die in sich selbst uneins, zerrisien und ßärend
nach neuen Formen des gesellschaftlichen, staatlichen und religiöfen
Aufbaus sucht. Ihr Vordild weist ein jedes vpn uns an die ihm
' hicksalhast gewiesene Stelle und ruft uns mit dem Larlyleschen
rotto: Arveitenund nicht verzagen!

Jn Trauer und Dankbarkeit gedenken wir desien, was
sie uns war und wisien uns getröstet durch das Wort der heiligen
Schrift: Selig sind die Toten, die im Herrn sterben. Der Eeist
fpricht, datz sie ruyen von ihrer Arbeit und ihre Werke folgen
ihnen nach.

Vie Alietsätze im AprN-

Ueber die Mietzinsberechnung ab 1. April wird uns
vom Städtifchen Nachrichtenamt gefchrieben:

Nachdem dcr Wasierzins, dic Müllabfuhrgebühr und die Wohn-
abgabe vom 1. April d- Js. auch in Heidelberg direkt bei den
Nutzungsbercchtigten der Mieträume erhoben werden, scheiden diese
bei der Berechnung des Mietzinses durch den Hauseigentümei aus.
Die Zuschläge zur Erundmiete für die Steigerung dcr Hypotheken-
zinsen, die Hausverwaltungskosten und die Jnstandsetzungskosten
sind vom Stadtrat festgesetzt und auch Lekannt gegeben worden. Da-
gsgen ist die Höhe der Staatssteuer sowie der Gemeinde- und Kreis-
umlage für das neue Rechnungsjahr 1923/24 noch nicht bekanni
Staat und Gemeinde fordern Teilzahlungen in der bisherigen Höhe
vorbehaltlich der endgültigen Festsetzung. Diese Steuern stnd des-
halb auch in der vorläufigen Höhe im Formblatt einzusetzen. An
einem Beispiel sei die Berechnung der gesetzlichen Miete ab 1. Apri
dargelegt:

Bei einem Haus, das im Jahre 1S14 einen Steuerwert von
50 000 -4t hatte, Leträat die Erundmiete 5N — 2500 -4t. Zu bieser
Erundmiete kommen folgende Zuschläge:

Für Steigerung der Hypothekenzinsen 4^ des Steuer-

werts .— 2 000-4t

Staatssteuer: 17,64 -4t aus fe 100 -4t Steuerwert . . 8 820-4t

Kreisumlage: 3 ,4t aus je 100 -4t Steucrwert . . . — 1 500-4t
Eemeindeumlage: 52 -4t aus je 100 ^t Steuerwert — 26 000-4t
Feuerversicherung: 50 >4t aus je 100 -4t Dersicherungs-

Summe (angenommen aus 40 000 -,4t) 20 000^1

öausverwaltung: 10^ aus dem Stcuerwert 1914 . . -- 5 006-41

znstandsetzungskostcn:

1. laufende 180^ des Steuerwerts von

1914 .-- 90000.4t

2. grötzere 70N des Steuerwerts von

1914 .-- 35000-41 -- 125000-41

- 188 320 -4t

2500 -4t Grunbiniete miissen also 188 320 -4t Zuschläge aufbringen
100 -4t Erundmiete mithin 7532.80 -4t. Grundmiete und 7
verteilen sich nach dem Verhältnis d«r Grundmiet«. Beispielsweise
ergibt stch folgende Verteilung:

iuschläge —
juschläge --
Zuschläg« --
luschläg« ---

4S507-4t
57 246-4t
51 S0S-4t
S8164-41

Miet«r 570 °4t Grundmiete ^ 42 S37 -4t
Mieier 8 750-41 Grundmiete Z- 56 496 -4t
Mietet 6 680 -4t Grundmiete -I- 51 223 -4t
Mieter v 500 -4t Grundmiete -st 37 664-41
zus- 2 500 -4t Erundmiete -1- 188 320 -4t Zuschläge — 190 820 -4t
fahresmiete. Aus dieser Jahresmiete ist dann die vierteljährliche
ezw. monatliche Miete zu berechnen. Dies ist allerdings noch nicht
der gesamte Betrag, den der Mieter zahlen mutz. Zu den Zuschlä-
gen kommen noch die Kirchensteuer, die Haftpflichtversicherung hinzu
in der Höhe der tatsächlichen Aufwcndungen. Die Kosten für Gruben
entleerung und die Kaminreinigung sind ebenfalls in der Höhe der
tatsächlichen Aufwendungen, die durch Belege nachzuweisen sind, um-
zulegen.

Jnteressant ist in diesem Zusammenhang, einmal den Satz der
Steigerung der Mieten in Heidelberg zu errechnen. Jm Monat
April beträgt die Miete für das dem Beispiel zugrunde gelegte Haus

190 820 geteilt durch 12 .--- 15 902-41

Angenommen, es seien in dem Hause 15 Räume
und 4 Wasierklojetts. Der Wasssrzins hierfür ist
19X230

Die Müllabfuhrgebühr ist 19X100 -4t.

Die WohnabgaLe ist vom Landtag für April aus 20N
für Staat und 20^ Pflichtzuschlag für Eemeinde

festgesetzt, zus. 40^ aus dem Steuerwert von 1914_

zus. 42172-41

Wenn man als Friedensiniete einen Durchschnittssatz von 6^ an-
nimmt, dann ergibt stch eine monatliche Friedensmiete von
3000 : 12 — 25 -4t. Wir haben also im April eine Steigerung der
Friedensmiete um rund das 168,5 fache- Der Steigerungssatz er-
höht sich noch etwas, weil die Kosten für Grubenentleerung usw.
nicht in die Berechnung einbezogen sind und auch die Staatssteuer-
Umlagcn aus den neuen Steuerwerten für 1922 berechnet werden,
di« vielfach höher sind als 1914.

4 370 -4t
1 900 -4t

--- 20 000-41

* Personalnachrichten. Alois Joerger von Heidelberg und
Emil Kern von Heidelberg-Handschuhsheim haben die Prüfuna für
das böhere Lehrfach bestanden.

* Spende für die badischen Studierenden. Dem Staatsprästbenten
sind von deutscher Seite im Ausland, die nicht genannt sein will,
wiederum 10 Millionen Mark sür die Zwecke der Studenten-
speisungenan den badischen Hochschulen übermittslt worden. Die
Verteilung auf die einzelnen Hochschulen des Landes erfolgt untcr
Anwendung eines hierfür bestehenden Schlüsiels.

* Wegweiser durch Vaden. Ueber die zahlreichen Bade-, Kur-
vrte, Sommerfrischen und Fremdenplätz« im Schwarzwald, Oden-
wald, am Bodensee, Rhein und Neckar hat der Badische Berkehrs-
verband Karlsruhe einen praktischen Wegweiser herausgeaeben, der
die wichtigsten Angaben über die einzelnen Orte enthalt. Dem
ErholungS- und Genefungssuchenden wird die Wahl eines seinen
Wünschen entsprecheiiüen Aufenthalisortes durch Nachweis von et:oa
900 Hotels. Easthäuser, Pensionen und Sanatorien wesentlich er-
leichtert. Die praktifche Schrift wivd gegen Ueberweifung von 300
Mark durch den Vadischen Verkehrsllerband, Karlsruhe, Rathaus
(Postscheckkonto 4422 Karlsruhe), franko übersawdt, sie kann auch durch
alle Vcitret-ungen des Vadischen Reisebüros bczogen werden. Bei
gmannten Stellen ist auch das Anfang Mai erfcheinende neue Der-
zeichnis der Badischen Iugendherbergen, herausgegebcn nom
Zweigausschutz Baden, zum Preise von 100 M.. noch auswärts zu
150 M. erhältlich.

* Fcrnfahrtcn Baden—Bcrlkn mit Kraftwagen der Reichspost.

Anfang Mai wird eine Extrapostfahrt mit Aussichtswagen der
Reichspost von Berlin nach Baden veranstaltet werden. Bei
nügender Beteiligung kommen auch in umgekehrter Richtung ähn-
liche Fahrten von Freiburg, Baden-Baden, Karlsruhe, Heidel-
berg durch Thüringen nach Berlin znr Äusfllhrung. Die erstcn
Absahrten sind auf 7. und 14. Mai vorgesehen. Anmeldungen
nehmen sämtliche Pertretungen des Badischen Reifebüros entgegen.

* Vom Bachverei». In der Reihe der Solisten-Konzerte des Bach-
vereins erscheint am Mittwoch, den 2. Mai, ein Orgelabend in
der Peterskirche. Nachdem nnsere schäne Peterskirche und ihre Orgel
durch die Not der Zeit schon länger aus dcm Kvnzertlcben ausge-
schaltet sein mutzte, wird es zweisellos mit Freude Legrützt werdei^,

wenn sie bei dieser Eelegenheit aus ihrem Dornröschenschlaf «rwcckt
wird. Der Erwecker, Herr N. O. Raasted, gilt als einer der be-
deutendften Schüler aus dem Kreis der Orgelschule von Eotzmeister-
Straube. Das Programm hat er sich aus Meistcrn seiner nordischen
Heimat gewählt, die unserem Eesichtskreis einzufügen als eine dan-
kenswerte Aufgabe begrützt werden muß.

* Stadttheater. Am Mittwoch ist in Miete v die erste Wieder-

holung des Shawschen Märchendramas „Ändroklus und der Löwe"
in der Jnszenierung von Paul Helwig. Die Rolle des Androklus
spielt Paul Joach. Schneider. "

^ Warnung vor einem Schwindler. Ein angeblicher Rolf Graf,
lediger Presseberichterstatter aus Berlin-Schöneberg, hat am 28. April
einen Kraftwagensührer untcr der Borspiegelung, er habe nur eng-
lisches Eeld, das er umwechseln lassen müsie, um bezahlen W köirncn,
zunächst um das Fahrgeld von 90 000 M. und alSLann mn einen
geliehenen Betrag von 170 000 M. dadurch gebracht, datz er vom Geld-
umwechseln nicht wieder zurückkehrte.

* Sachschaden. Jn der Nacht zum 29. April wurden im Earten
der Schloßwirtsckaft ein Tisch und mehrer« Stühle beschädigt, wo-
durch ein Sachschaden von etwa 50 000 M. verursacht wurde. llm
zweckdienliche Mitteilung ersucht die Polizei.

* Polizeibericht vom 28. und 2S. April. Festgenommen
wurden: Ein Ausländer wegen Unterschlagung und ein Händler
wegen Schleichhandels mit Fleisch und Butter. — Aufgegriffen
wurde ein aus seiner Lehrstelle davongelaufener Lehrling. — Zur
Anzeige gelangten: ein Dienstknecht megen Derdachts des Dieb-
stahls, vier Personen wegen Holzdiebstahls, drei Perfonen wegen
Unterschlagung, ein Händler von Mannheim wegen unerlaubten
An- und Berkaufs von Milch und Vutter, ein Wirt wegen Ueber-
wirtschaftcns, ein Vereinsvorstand wegen Abhaltung einer uner-
laubten öffcntlichen Tanzbelustigung, -sechs Personen wegen groben
Unfugs fünf Ruhestörer, acht Personen weaen Zuwiderhandlung
gegen di« Matz- und Eewichtsordnung, zwei Personen wegen Nicht-
beachtung des Rauchverbots, acht Kraftfahrzeuzfahrer wegen zu
schnellen Fahrens, zwei Ausländei wegen unterlassener polizeilicher
Anmeldung und weitere 20 Perfonen wegen anderer strafbarer
Handlungen. — Eestohlen wurden: Jn den letzten Tagen i«
einem Hause der Keplerstratze ein Fünfzigtauscnd-Märkschein, im
Monat März und Mitt« April in einem Hause dcr Neuenheimer
Landstratze ein einflammiger Easkocher, eine Bundfyrm und zwei
Paar Herrensocken im Eesamtwert« von 50 000 M-

Kunst und Wiffenschast.
Heidelberger Stadttheater.

Androklor und der Löwe. Märchenspiel von Bernard Shaw.

Es ist wie in der Fabel: Der Löwe tut ihm nichts im Zirkus.
weil Androklus ihm in de'' Wüste einen Dorn aus der Pranke ge-
zogen hat. Jn der Wüste ist es überhaupt gemütlicher als in der
grausen Weltstadt, wo sie einen freien Christen zwingcn, den Eöttern
zu opfern, andernfalls aber vor das Schwert des Gladiators odckr
den Rachen der hungrigen Bestien stellen. In der Weltstadt leben
die komplizierten Seelen, da ist ein srisches gesundes Weltkind, das
eine rechte Lebenskünstlerin wäre, wenn es nicht im Keiste und der
Wahrheit eine ganz echte Christin sein möchte, und das nun über
diese zwei Seelen in seiner Brust Analysen redet.

Zwei Seelen hat auch der athletische Christ vor der Arenatiir;
er leidet unter schweren Eewisiensbisien, weil er immer noch ein;
Wut auf seine Feinde hat und vor einem Eegner in Hitze gerät.
Ein nicht minder schöner Typus ist der ausgegliihts Lebenskünstler,
mit dem vom Alkohol vergifteten Organismus, er hofft möglichst
bald den Tod des Märtyrers zu erleiden, da er dann ein für allemal
vor d-n Unbilden der Existenz geschützt ist.

Komisch ist auch der Kaiser. Der scheint eigentlich keine anderen
Soraen zu haben, als datz Lücken in di« Reihen seiner bewährten
Gladi.atoren komme«, und zerbricht fich den Kopf Lber die 'euren
Einkaufspreise seines Kämpfermaterials. —l Allr diese Fsgüren sind
von dem spöttischen Shaw zu einem lustigen Spiel zusammengefügt,
in dem auch über das Thristentum hin- und hergeredet wird, in dem
aber die Thristen die besiere Rolle spielen. Und das ist schlietzlich
die Hauptsache. Vor allem ist dies Schneiderlein Androklus eine
wahrhaft innig«, christliche Seele: Vegetarier, Freund aller Kreatur,
ein echter Dichter im Mitgesllhl irdischer Leiden, tapser vor Mensch
und Tier, und nur in einem Lebensverhültnis verlassen ihn die
Kräfte, nämlich wenn Megära, sein Weib, naht. Dann hat er keine
Liebe mehr, aber Angst.

Herr Paul I. Schneider gab mit di-ser seiner Darstellung
em ganz echtes Bild eines sehr menschlichen Menschen. Ein nahezu
vollendetes Bild von etwas sehr Feinem und Ungewöhnlichem! Herr
Weise erschien nicht minder taktvoll als Löwe, wie soldatisch korrekt
als Centurio. Elaubwllrdig war Herr Moser als riesenstarler
Ehrist. Einzelne Darsteller versuchten es mit Anlehnungen an den
Jacques Offenbach'schen Olymp. Doch ist dieser Shaw eine ganz
andere Welt und hat mit Travestie nichtg zu tun. Stilecht, prunk-
voll und unangenehm war, ganz wie es sein sollte, Herr Matön
als Kaiser. Der Lhrist Spintho, der auf einen Platz im Himmel
abonniert zu haben meint, wurde von Herrn Iauer als Simpli-
zisiimus-Karikatur sehr wirksam gefatzt und oerblüffte durch Echtheit
der Tongebung. Jch erwähne noch lobend Frau Mattner und
Herrn Krumschmidt, der als Hauptmann sehr glückliche Mo-
mente hatte. Die übrigen Darlteller genllgten. Den Durchgang im
Kolpsieum hätte man sich vielleicht um ein vaar Strichc anders ge-
dacht. Aber di« Hanptsache war doch das: Güt gsbrüllt, Löwe! X.1V.

9. städttsches Stzmphoniekonzert.

Das letzte Symphoniekonzert der Konzertreihe der Stadt Heidek»
berg und des Bachvereins brgchte einen für Heidelberg neuen East-
dirigenten. Erich Kleiber wirkt seit einem Zahr etwa als Nach-
'olger Franz v. HLslins in Mannheim und ist in den letzten Tagen
dort zum Operndirektor ernannt worden. Wer Eelegenheit hatte.
den Kllnstler während des letzten Winters in Mannheim zu hören,
der wird diesem Konzert mit freudiger Erwartung cntgegengesehen
haben und auch nicht enttäuscht worden sein. Man muh aber bei
allen solchen Eastdirigentenkonzerten seine Anforderungen an den
Dirigenten um ein Kleines zurückschrauben, denn es ist ein Ding der
Unmöglichkeit, datz ein Dirigent mit zwei oder drei Prcchen cinem
ckemden Orchester gleich den Stempel seiner künstlerischen Persönlich-
keit aufdrücken kann. Kleiber hat auch hiex, rein äutzerlich betrachtet,
anders dirigiert wi« in Mannheim,' sast hatte es den Anschein, als
ob ein klein wenig „Schaudirigieren" dabei würc. Dem wird abcr
— bewutzt — nicht so gewesen seln. Der Dirigent, der ständig mit
einem Orchester arbeitet, der weitz ihm im Verlauf der Probcn und
der künstlerischen Zusammenarbeit seinen Willen nach und nach ein-
iuimpfen, so datz er beim Konzert selbst sich auf ein Mindestmatz oon
Sesten bescheiden kann. Anders, wenn der Dirigcnt mehr auf die
pontane Suggcstion des Ausübenden angewiesen ist. Aber gerade
,arin liegt die Hauptbedeutung des Dirigenten, datz er ebensoviel
uggestive Kraft besitzt, um auch spontan seinen Willen und seins Auf-
assung den Spielenden aufoktroyieren kann. Eine solche künst-
lerische Persönlichkeit ist Kleiber. Wgs ich an ihm schon beim crsten
: iören bewundert habe, ist sein riesig stark ausgeprägtes rhythmilches
>>efühl. Kleiber ist der personifiziert« Rhythmus, in freier Gebun-
denheit flietzen ihm die musikalischen Linien. Das kam vor allem
der ewig schönen 7. Symphonie pon Beethoven und oer rassig
gebrachten Leonoren-Ouvertüre zugute. Kleiber geht in der Ausdeu-
tung des musikalischen Eehalts bis aufs äutzerste.'manchem Geschmack
bei Beethoven vielleicht zu weit, aber er weitz zu iiberzeugon durch
die tiefe Innerlichkeit und die fühlbare Ehrlichkert ssines musikalljchen
Zühlens. Das Orchester, das sich bei Gastdirigenten imm -r besonders
ins Zeug legt, leistete ihm willig Gefolgschaft: das zahlreiche Publi-
kum dankte ihm sehr herzlich. F. X.

DcrarttwlirtliK für den textlichen Jnbalt: Jul. Araemer in Hcidcl-
bere: für den Anzeiaen- nnd Rcklameteil: C. Clauer. Frankfiirt a. :
Druck ü. Bcrl.: I. G. H o l b iv a r t S N a ch f. G. m. v. H.. Kraukfurt a- M
 
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