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Badische Post: Heidelberger Zeitung (gegr. 1858) u. Handelsblatt — 1923 (Januar bis Juni)

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Nr. 149 - 178 (1. Juni 1923 - 30. Juni 1923)
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Zrankreichs Mstnngen z«r See.

8- Paris, MitLe Juni 1923.

^ Seit mehr als Jahresfrist hatte das frauzösische Mar!nemim-
. einen ganz großzügigen Ausbau-Plan für die Mrrine-
^ust,ch'.f,Lhrt,ausgearoeitet, der nunmehr, nachdem er die Billigung

Finanzm-nisteriums gefündsn, soeben der Kammer zuae-
Snngen ist.

. Dieses Profekt zum Ausbau der Marine-Luftschifsahrt Lildet
maen Teil des diesjährigen M a r i n e - E t a t s. der sich gcnau auf
ElNg Milliarde Frs. Loläust. Hierin flnd jedoch die nach der
neuen Marinevorlage vorgesehenen Neubauten, über die an
meser Stelle bereits vor einigen Wochen Lerichtet wurde. ncch
nicht einbegriffen- Jn Wirklichkeit wird also der Marine-Eiat noch
ganz^bedeutend höher- Darüber soll, wis Senator Vörenger
«ts Eeneralberichterstatter erklärt, demnächst in Ruhe genauer
heraten werden.

Jn der vorliegenden Vorlage stnd die Ausgaben fiir die
Marine-Luftflotte recht erheblich. Nach der Votlage werden fiinfzig
auftgeschwader vorgesehen, deren Stärks-Festsetzuug dsm Marine-
minister überlassen bleibt. ebenfo wie sämtliche Emzelheitsn über
-oerteil-ung mon Aeroplanen, Wasserflugzeusen. Jagd-, Erkundungs-
ünd Bombenflieger ufw. Festgelsgt wird in der Borlaze nur, Latz
bie LnftstreitkräsLe auf 5 Divtsionen verteilt werden: 1 fur die Hoch-
Aeflotte, 4 sür dis einzelnen Küstenkommandos. Die Mittelmeer-
Divifion soll die stärkfte werden.

Die Hälste dieser 50 Ceschwader soll ständig voll ausgeriistet
und bemannt sein, Äie Lbrigen 25 Eefchwader werden in Reseroe ge-
Ailten. Die hierfür erforderl-ichen Mannfchaften gliedern stch in 14
^ataillone (12 für die Geschwader und 2 für die Flnghäfen). Die
Borlage fieht wsiter eine groste Reihe von Stützpunkten, Depots,
säfen für Wasserflugzeuge, Schulen, llebungsplätze ufw. vor. Ein
^Is Zenträle geplauter Hauptstützpunkt wird in der Nähe von
Paris errichtet. 4 weiterc Hauptstützpmrkie sind für jeden Küsten-
"bschnitt vorgesehen.

, Augerdem sieht der n-eue Marine-Etat eine rieflge artille-
t.rstische Verteidigung der gesamten Küste vor. Hierzu ge-
horen Üie neuen gewaltigen Küsteugeschütze a»n Kwnal mit einer
Tragweite von 25 Kilometer. währeud neue Stationen mit den
«4-Zentimeter-Geschützen Len uicht vollendeten Normandie-Klasse be-
stückt werden sollen- Nach Ler „Li-berts" stehen hiervon 25 Kansnen
bereit. Weitere erhebliche Beträge werden angefordert für die Er-
^ichtung halbbeweglicher 16-Zentim-eter-Batterien, die urfprünglich
«Lenfalls für Kriegsschiffe bestimmt,' nunmehr für den Kustenschutz
Mngebaut werdeu >ollen.

Für die von DeutschlandabgelieferteuZeppeline
lollen weitere Stlltzpunlte g-cfchafsen werden, Lavmrter ein bsfonoers
Lloger Lei Algier für die nordafrikanifche Küste. Für diese Luft-
Wffhallen sind z. B. allein 10 Millionen Frs. angefordert, wovon
4 Millionen auf den Marineetat entfallem

An Einzelziffern find in der französifchen Presfe bisher nur noch
Wlgende bekannt geworden: 7 Millionen für die Beschaffung von
Mi-nen, 36 Millionen für Küstenfchutz, darunter 21 sür g Spezial-
^üstenfchutz-llnterfeeboote, 28 800 000 Frs. für Marine-Luftfchiffahrt
idaoou 19 680 000 Fr. für Flugapparat« usw. und 9 200 000 Frs. für
«tiitzpunkte).

Der sich auf eine Milliarde Frs. belaufende Marineetat 1923
sMdfagt. wie gesagt, noch nicht die Neubauten, für dis eine eigene
-Narinevorlage mit recht stattlichen Ztffern in Kürze zu er-
bsarten ist. Allein hierdurch ist es müglich gswesen, vorläufig
me Erhöhung des Marineetats >m ordentlichen Haushaltsplan inner-
Mü Ler Jahre 1914—1922 auf etwa 43 Prozent zu befchrauken.
Diese Ziffer wird sich dann a-ber ebenfo steigern wie bei anderen
Titeln des Etats, wo sie schwanrt zwischen 115 und 565 Prozent bei
^iüer 214prozentigen Erhöhung der Gefamtsumme des ordentl-ich-sn
vaushaltsplans inwerhalb Les erwähnten Zeitramns.

MMches Sestemich.

Vou unferem Wiener di-MitarLeiter.

Wie«, Mrtt« Zrmi.

, Nur mehr drei Monate sehlen iroch, dann «ird «s «in Jahr feiir,
pttz Oesterreich unmiltelbar vor Lem Zufammenbruch
seiner Staatswirtfchaft und damtt auch feiner Volkswirt-
jchaft stand, die gegen die verhesrenden Wirkuiigen der fortfchr-nten-
Mr Geldentwertung feLbstoerstLndlich nicht aufrechtbleiben konnte.

stand auch der soziale Bürgerkrieg vor der Türe. Die
^ozialdemokraten, getrieben von der zügellosen Agitation der Kom-
^uniften drohten beinahe täglich mit üem, was stch ereignen müsfe,
d«nn Äie österreichifche Krone ihre Kaufkrast im Auslande voLständig
^ugebützt haben werde, wenn u-m die Krone weder Lebensm-ittel,
»och Rohstoffe im Auslande einge-kauft weriüen könnten. Diefe
^lohungen blieben selbstverständlich auch Lei den Auslandsvertretern
'U Wien nicht unbeachtet. Alles spitzte sich auf Lie Katastrophe
die gegen Ende August 1922 unvermeidlich erfchien. I« näher d-ie
Katastrophe heranrllckte, desto bestimmter lauteten auch di« Eerüchte,
besagten, datz einige Nach-Larstaateu im Falle des Emtrittes
Ktastrophaler Ereignifle in Oesterreich an den Emmarfch und an die
!?U?teilung Oesterreichs denken. Aus diefer Lage heraus erklärt sich,
Vtz die ostcrreichifche Regierung ihren Leiter Bunideskanz-ler Dr.
^ejpel nach Prag, Berlin, Verona fandte, um üie Re-
Aerungen aufmerksam zu mach-en, was sich entwickeln müfle, weun
^ail Oesterreich seinem Schickfale überlafle. Der Anstotz zu dem,
^ls man die Politik des Genfer llebcreinkommens
^Unt, war damit gegeben. Nicht die Regierunzen der Entente-
Maten, die sich in der Mantelnote zum Friedensvertrage von St.
7« rmain feierlich verpflichtet hatten, dem von ihnen geschajfenen,
M di« Dauer leüensunfähigen Staat d-urch Kred-ite aus seiner ver-
^eifelten Lage zu -befreien, fondern der VLlkerbund äbernahm
fiir diefe Kredite zu sorgen, deren Voraussetzung die Uebernahme
Garantie fllr die Kredi-te durch eine Reihe von Staaten bildete,
?bsesehen natllrlich von den Sicherheiten, di« Oesterrsich selbft zu
^eten hatte.

z. Es ist immerhin eine geraume Zeit verstrichen, bis es der
s"«rreichischen Regierung möglich war, der Oesfentlichkeit mitzu-
Nlen datz die feit Wochen geführten Berhandlungen i.ber die
L«gebung der Teilausgaben der Völkerbundsanleihe abge-
Vlossen smd. Aber nun ist der Abfchluh dieser Verh.mdlungeil
Tätjache. 32.623.500 Millionen Pfund Sterlmg sind durch die Teil-
»^gaoen der Völkerbundsanleihe gesichert, nicht eingerechnet die
der fpanifchen Regierung in Ausflcht gestellten 26 Millionen
Md die von der schweizer Regierung zugestcherten 20 Atillionen
Mdkronen, die mit der ersten Summe 35,093.500 Pfund trgeben.
d'eser Eesamtbetrag ist allerdings für Oesterreich nicht zur Günze
^kfügbar weil es noch die Vorschutzkredite zurückzahlen mug, die es

Zmmerhin^ dl2 ^stLrrei^

k ei-iem halben Jahre erhalten hat.

?>sche Fjnanzverwaltimg tann nunmehr
^Nf Billionen rechnen. der ihr zum Zwecke des Wicderrul-
.ur Verfügung stehen wird, wobei unter Wiederausbau die
)krstellung des budgetären Gleichgewichts ohne
ss^rlfenabme der Notenprefle durch die Staatsverwaltung zu ver-
ist. Die volkswirtjchaftliche Wirkung diejer staatssinanzisllen
^glichkeit dir Oesterreich dem Eenfer Uebereinkommen, verüunden
seiner' eigenen Erfparnispolitik verdankt. ist die Stabili-
^rung der österre ichrfchen Krone. ...

x.. Wenn man bedenkt, datz die Frage grotzer Auslandskredite sur
^terreich seit dem Jahre 1919 fozusagen die staatsiinanzielle
^Nptfrage war. dann wird man sich wundern müflen. mit welch-r
^aflenheit die breite Oeffentlichkeit die Tatsache hinnahm, datz
U der Frage der Völkerbundsanleihe die -ratsache der Be-
aewsrden ist. Veson^ers öemeinenswert ist üabei >as Ver-
Uten der Sozialdemokratie. Zhr fuhrendes Wiener Blatt sand
IZ init der Tatsache durch einige sZeilen ab, was umso verstünd-
^r jst als gerade die Sozialdemokraten m..ihr-m Kampfe gegen
Genfer Uebereinkommen immer wieder hämisch betont hatten,
^ Oesterreich aus der ganzen „Eenferei nicht mehr hera.isschlagen
»t. kde als die Aussicht auf die grotzen Kredite. All-rdings ist
sich auch hier in den leitenden Kreisen durchaus oaruber klar,
^ die Hauptaufgabe des Sanierungswerkes Oesterreich

felLst werde erfullen mrffen. Zn diefem Sinne gilt das Wort
otzS Vizekanzlers Dr. Frank: die K r e d. i t e sind nur das Sskundäre,
das Primäre aber ist die Ersparnispolrtik.

Der AusbruH drs Artna.

Von Rudolf Lron, Frankfurt a. M.

Alarmierende Nachrichten über einen grotzen Ausbruch des
Aetnas durchschwirren die Presse. Die ersten Nachrichten meldeten
die Zerstörung von Ortschafien, sogar die unmittelbare Bedrtchung
der stzilischen Handelsstadt Catania. um Glück waren diefe Be-
richie infolge der ersten Erregung über das Naturereignis -über-
trieben. Es fcheint sich vielmehr um citien jener Lavaausbrüche
zu handeln, den sich der Aetna nahezu alle fünf Jahre einmal leistet,
an den die Sizilianer beinahe gewöhnt stnd und wobei man nur nicht
weitz, welcher Teil der reichbesiedelten Abhänge des Vulkankegels
diesmal drankommt. Aber sel-bst di« Wahrscheinlichkeit. datz bei
dem jetzigen schon lang« fälligen Ausüruch wieder wie 1911 die
Esgend Üinguaglofla—Randazzo leidtrazend wird, war vorauszü-
ahnen. Seit Beginn dieses Jahres hatte sich in nordöstlicher Rich-
tung unterhalb des Hauptkraters ein Nebenkrater geöffnet, aus dem
mit steigender Kraft Flammen, Dampf und Asche ausgestotzen
wurden. An klaren Frühlingsnächten vou Taormina aus ein herr-
licher Anblick, wsnn von der Spitze der Schneepyramide eine mäch-
tige Flamme aufschotz, die allmählich wieder in sich zusammenbrach.
Jm Verhältnis ihrer Erscheinung zur Entfernung geschätzt, mutz die
Flamme jedcsmal die Höhe von hundert Metern überschritten haben.
Mit dem Zeitzglase konnte man deutlich deu Auswurf von Afche
und Steinen in der Flamme beobachten. Es war alfo vorauszu-
fehsn, datz die Aktivität diesmal wieder auf der Nordostecke des
Äetna in Erscheinung trat. Die Süd-seite nach Latania ist schon
seit Jahren ruihig. Das Dörfchen Linguaglofla, das jetzt geränmt
wurde, hat schon wiederholt die Gefahr kenneu gelernt, die es mit
sich bringt, auf einem Vulkan sich anzusiedeln. Dort liegen die ver-
witterten Reste des grotzen Lavaausbruches von 1566 und auch in
den letzten hundert Jahren ist wiederholt die dortige Gemarkung der
Schauplatz von Zerstörungcn durch niedergehende Lavaströme ge-
worden. Durchschneidet doch die grotze Landstratze, die von dem
altertümlichen Städtchen Randazzo (dem Etnea des Hohenstaufen-
kaisers Friedrich II.) nach Linguaglossa führt, an dret Stellen die
mächtigen Lavaströme der Ausbrüche von 1879 und 1911. Sie bie-
ten dem Auge ein trauriges Bild der Selbstzerstörung in der Natür.
Mitten in die Weinberge und Obstplanjagen der Abhänae haben sich,
ries-igen Kohlenhalden zleichend, diese Lavaströme herabgewälzt.
Alles was m ihrem Wege lag, Väume, Mlanzmrgen und HLuser
unter ihrem Tlutstrome bezrabend. Welche Wärmecnergie ein solcher
Lavastrom in sich birgt, ist daraus zu entnehmen, datz nach Abheben
der oberen Decksteine das Znnsre des Stroms von 1911 noch heu-ts,
nach 11 Jahren heitz ist. An -der erwähnten Landflratze liegt auch das
Dörfchen Majo, von d-em ein grotzer Tei! 1879 durch üie Lava
verschuttet wurde. Die stattl'iche Kirche -blieb wie durch ein Wunder er-
halten, indem sich der Glutstrom dicht vor ihrer Mauer in zwei
Ströme teilte, oie Kirche dazwischen unberührt laffend. Die Sizi-
lianer führ-en dies auf die Wund-erwirku'Ng der DeschwöWng, durch
Las VoHalten des Schleiers der heiligen Agathe zurück. Auch in
Nicolosi oberhalb Eatania soll beim grotzen Ausbruch 1886 das
gleiche Wunder gewirkt haben.

D-ie SiZilianer glauben fest an diese Kraft ihrer Reliquien
gegenüber den Naturgewalten. Man soll ihnen diesen Glauben nicht
nehmen. Denn woher sollten sie sonst den Mut nehmen, auf so ge-
fährlichsm Boden zu leben und das Land zu bebauen? Zählt doch
der untere Mantel des Aetnakegels infolge der autzerordentlichen
Fruchtbar-keit des vultanischen Bodens zu den dichtest Levölkerten
Erdgezenden mit bis zu 1180 Bewohnern pro Quadratkilometer.

Diesmal mntz sich der Lavastrom noch bedeutend über jene Land-
stratze talabwärts gewälzt haben, La gemeldet w'.rd, üatz er reHts
und links an dem Städtchen Lastiglione vorbeiflotz. Es ist dies ein
reizendes altss siziliani.sches Bergstädtchen mit 12 000 Ein-wohnern,
das engäneinandergLbaut Ünd-diMh Sta-dtmaüern gefchutzt auf einer
Bergvuppe liegt. Es ist berühmt dadurch, datz aus seiner Gemarkung
die bssten fizilianischen Has-elnüffe kommen. Man wird es daher
verstechen, Latz der durch Len Äetnaausbruch angerichtete Sachfcha-den,
in so fruchtbarer OLst- imd Weinlage (avgefehen von den vernich-
teten EinzeMusern und Wäldern) «norm ist. Auf viele Eenera-
tionsn hi-naus ist die verschüttete Eegend steril und erst nach Jahr-
hundsrten entsteht wi-eder durch Verwitterung der Laven und Basalte,
die Frucht-barkeit, Lie vManische Gegenden so sehr auszeichnet. Jst
doch a-uch uuserem Vogelsberg, der als Vulkan etwa den dreifachen
llmfang des Aetna hatte, die grotze Fruchtbarkeit Oberheflens, ins-
-bssondere der Wstterau, zu oerdanken.

Bei dem jetzigen Aetnaausbruch stnd, wie Lerichtet wird, Men-
schenleben zum Elück bisher nicht vernichtet worden, was -bei dem in
der bewohnten Zone verlaugsamten Herabflietzen dcr Lava erKärlich
scheint. Gefährlicher wie die Wirlung dieser Glutströme find Lie mit
den Ausbrllchen vevbundenen ErdboL-on und oft der dichte Stein-
und Aschenregen. Pompeji ist bekaNntlich nur durch letzteren zu-
grunde gezangen. Oü diesmal am Aetna nicht noch größeres Unheil
entsteht, kann kein Mensch voraussagen. Solche Ausbrüch« können
monatelang anhalten und sich in ihrer Krast steigern. Bei ähnlichen
Naturereignissen üer Vorkriegsjahie hat man in Deutschland in
Gestalt reichlicher Spenden das Hilfswerk für die Betroffenen unter-
stützt. Bei d-em grotzen Erdbsbsu von Messina 1908 entfiel auf
Leut'sche Spsndsn Ler Lritte Teil Ler internationalen Hilfsaktion mit'
10 Millionen Franken. Die deutsche Not verbietet heute solche Hilfe-
leistung. Man erinnere sich aber bei solchen Naturereigniffen drautzen
in der Welt Ler offenen Haud, die die jetzt fo entrechteten und ge-
plünderten Deutscheir den fremden Nationen jeweils im Unglück
dävboten.

»

Blättermeldunqen aus Rsm zufolge haben die Lavamaflen des
Aetna die Stadt Castiglione vollkommen verschüttet-
Auch Tatenarst vernichtet worden.

Dre AusfuhrabgaSe.

Bttli«. 20. Zuni. (Eig. Drahtm.) Jn der Sitzung des Wirt -
fchaftlichen Ausschusses des Reichstags gab der Vertreter
des Reichswirtschaftsministeriums Staatssekretär Trendelen-
burg eine Erklärung zur Ausfuhrabgabe ab- Darnach ist beabsich-
tigt, sofort Notzuschläge zu der bsstehendcn Ausfuhrabgabe zu
erheben und die Freiliste cinzufchränken, um auch für andere
Eegenstände die Ausfuhrabgabe erheben zu können. Der Staats-
sekretär ersuchte um beschleunigie Stellungnahme. Der Ausschutz wird
fich am 7. Juli mit der Vorlage der Reichsregierung befaflen.

(Wirdcrholt, da «ur iu einem Teil der gestrige« Auflage euthalteu.)

Gegrn drs wllden Sevifenhandel.

Die Beratnngen zwischeu Regierung uud Wirtschaftsvertreter».

Eigene Drahtmeldung.

Berlin» 20. Junr.

Mittrvochnachmittag fanden die angekündigten Beratungen
zwischen der Regierung und den Bertretern der Wirt-
schaftund Banken im Reichstag statt. Die Reich rrezierung
war dabei durch Reichswirtschastsminifter Becker nnd Len Wieder-
aufbauminister Albert, sowie eine Anzahl Staatssekretäre ver-
treten. Für die Vanken waren erschienen autzer Vertretcrn des
Reichsbankdirektoriums die Bankdirektoren Melchior, Gold-
schmidt, Wassermann, Loeb, Merzbach und Wirtelst.
Dis Jndustrie war u. a. vertreten durch Vögler, Duisberg und
Kremer. Als thcoretische Wirtschastssachverständige waren anwesend
Dr. Hilferding und der fruhers Wirtschaftsminister im Kabineti,
Wirth. Robert Schmidt. Die Verhandlungsn, die zestcrn noch nicht
zu Ende geführt werden konnten, ergaben folgendes Bild:

Die Reichsregierung ist entschlossen, mit aller Energie gegcn die
Auswüchse des Devisenhandels vorzugehen. Die Verhandlungen, die
sie jetzt mit Veriretern der Wirtjchaft, der Banken und der Jndustrie

I geführt hat, follen Lazu dienen, die hauptsächlichen Aeutzerungen zu
l sammeln, auf densn die A.egierung ihre Entscheidung, Lie sie sich
I allein vorbehält, aufbauen kann. Zu den in Aussicht gestellten Matz-
regeln der Regierung gehört in erster Linie dieZentralisierung
desDevisenhandels. Wenn auch dieje in den Einzelheiten
noch nicht feststeht, so kann man aber jetzt schon damit rechnrn, datz
der Kreis der handelsüsrechtigren Banken eng
begrenzt werden wird, und datz nicht 'ämtlichc 'Mitgliedcr der
Berliner Stempelvereinrgung Handelsbesugnis crhalten n-erdem
Eanz bestimmte Geschäfte, über die noch nichts Näheies gesagt werden
soll, söllen unter schärflte Strafen gestellt wsrden. Gegen die
Schieberbanken soll mit allergrötzterScharfe vor-
gegangen werden. Der Gedanle der Deuuenbejchlignahme dürfte
aufgegeben sein. Autzer dem Devisenhandel wird auch derHandel
mit Effekten von einschneidenden Matznahmcn ge-
troffen worden. Gsschäfte, die unlauteren Charakters sind oder
mit unlauteren Persönlichleiten oder n.-chi .,c-u-c.iLsrLchiigten Zn-
stituten eingegangen ivsrden, können von der KlagLarkeit aus-
geschloflen werden. lleber die Frage einer neuen Goldan l e i h e
ist noch nichts Endgültiges bestimmt, doch jchsint die Reichsregierung
in der Tat dem Eedanken nicht abgeneigt zn sein.

Die Beratungen werden am Donnerstag, nachmittag 3, llhr.
fortgejetzt.

Sie SteuerpvM -es Reiches.

Die Mittwoch-AbenL-Sitzuug des Reichstags.

Die iieue Sitzung wird erst um E lltzr vom Prästdenten Löbe
cröisnet. Auf Ler Tagesordnung steht dic zweite Lesung des Gesetz-
cntwnrss zur

Sicherung der Brotverforgung

im Wirtschastsjahr 1S23/S4. Dadurch wird die Reichsregieruug ermäch»
tigt, bis zu eiucr Millionen Tonncn Brotgetrcide zu eiheben. Die ReichS-
gcti-cidestelle hat die Gctreiücmenge zu bcschafsen nnd zu verwaltcn. Rhrc
BcrwalrungsabLeitung ist spätcstens für den 31. Dezcmber auszulöscn.

Sicichsernährungsminister Dr. Luther geüenkt dcr jchweren
Kämvfc an Rhei» unö Ruhr, aber auch das übrigc Bolk habe schwere
Lastcn zu tragcn. Dcr Sturz, den öis Mark dnrch dic BörsenvorgängL
in öen lebtcn Wochen erlitten hat, ist in den iatsächlichen Vcrhältutssen
nicht hiureichend begründet. Jnsbesondere gibt die aubenpolitische Lage
noch der Aufnahnre. üie nnscr Memorandum gefnnüen hat. keinerlei
Anlatz zu einer solchen Abwärtsbewegung. Gegen öeu WährungSvcrfall
hat die Relchsrcgicrung nene Matznahmen eingeleiist. Der Miüisier ver-
weiit auf die Besvrechünge» des Reichskarizlers und dcs Sreichs.vleiscbaftS«
ministers mit Sachverständigen aller Art. Die Etnsühruüg einer
wertbeftändige» Anlage sür be» kleinen Mann ser ciu wich-
tiges Zicl. Danebeu üleiüe üas Problern. wie im Lohn- und Ge»
haltswcsen eiu Ausgleich geschasfe» werdeu kau». Dre Arbekts»
eintommeu sollen schneller und besser ctner jvrnirgoasten Prersciitwictluiig
angcvatzl werdcn. Eirre Verbcsserung dcr Lcbenshaltuug ist iu die Wege
geleitet. Ju der nächfte» Woche soll die Methoüe einer Lohufe.t-
sesuug sestgestellt rverden. Der Lttnister weudet sich üann üem
Brotversorgurigsgeseb zu und ftellt ftch auf üeu Boüen der Ausschutz-
bcschlüsse. Die Bedürstigen solleu unterstübt werdeu. Unter Beüürf-
tigcn sind zu verstehen üie bedürftigen Kriegsbeschädigteu, div Krieger-
hiMerbiieüenen, Soztatrsntner. Kleinrentner, Armciigeldcmvjäiiger und
Arbcitslvscn. oazu lomuien dic Kindcrrelchen. AlS Ausmatz üer Untcr-
slützung sollen im Durchschnitt etwa zwei Sünstel als Berbilligung durch-
gesührt werden. Die lwtwendigen Mittel iollcn durch üen s c ch L s a ch e n
Betrag der Z w a n,g s a n i e t h e ausgebracht werden. Es soll eine
Valvrlsativu Lcs Bctrags ersolgen und zwar in üem Sim: . botz nicht
einc üestimmte Summe für die Ertzebung üer Zwa«gKauler.-e -eürunde
gelegt wirö. dereu Wertbeftändig-eit niemand kenut, sond-, . di.tz üic
Zablung iii zwei Beträgen ausgebracht wirü. Mit diescn .!. ..!n wird
cs bofsentlich gelingen, die sozialen Aufgaben ües Gesetzes e ersülle».
Steigt die Zahl der zu Unterftützenden, so soll eine weitere Bclas-uug öes
Bcsitzes crsolgcn. Die ReichLregisrung wird die richtige Ar: dcr Besttz-
belaftung siuden müstcn. Der Minister schließt mit anerkeiineudc»
Wortcn sür die bisherige Tätigkeit öer RctLsgetreidestelle.

Jnzwischen ist ei» Komvromitzantrag aller Parteieu
mit Auönabme öer Kowmuniften zu dem cntfcheidendeu 8 8. ber öic
Bcftimmungcn über Lie Zwauasanleihe cnchält, ciugegangen. Er bc-
ftimmt. datz für die BerbiÄigunssaktft,« das Sechssache dcr Zwangs-
anleihe erhobc» weröe» soll. Die Aügabe ift zUr Hälste am 1. Auguft
1S28- u»d zur anöeren HLIste a« S. Januar 1824 iälltg. Wcicht der durch-
schnittliche amtltche Preis sür märkischen Roggc» an der Bcriiner Börsc
iu der Zest vo« 1. bis 18. Jnli 1V23 und vom 1. bis 15. Dczcmbc.: 1828
vou üe« Satze vo» 120 800 Mark fur öen Zentner Roggeu um meSr als
fünf Prozent »ach obe» oder unten ab, so erhöht oüer oerringert uch üie
daraus folgende Teilabgabe in dem Verhältnis dieser Abweichung. Rsichen
infolg-: uuvoihcrgefehenen Anwachsens üer Zahl öer Bedürfligcn die
erziclte.. Mittcl nicht aus, so ist die Ausbringung üer weitersn MUtel
aus einer Belaftunz des Besttzes durch Gesetz zu rcgeln.

Abg. Kevvler lSoz.) erklärt sich mst üem Komvromitz einverstanden.

Abg. Scktele lDnatl.) stimmt schwereu Herzeus dem Komvromitz
zu. Mit Nücksicht auf die Bekämvfung des äußeren Feindes haöe üic
Kraktwn ihre Bedcnken zurückgeftellt.

Abg. Leuthäuber lD. Bvt.) erklärt, datz auch seine Fraktion nur
aus allgcmeiuen Rücksichten ihre Bedenken zurückgestellt habe.

TaS Gesetz wird gegen die Kommunisten angcnommcn.

Das Haus »ertagt stch darauf bis 3. Juli. Schlutz nach 8 Uhr.

Um das ReichsschulgeseH.

Berliu, 20. Zuni. (Eig. Drahtm.) Der Reichstagsausschuß für
Bildungswefen führte die Beratung über das Reichsfchu 1-
gesetz fort und genehmigte einen Antrag der Deutschen Volkspartei,
des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei, wonach in den ört-
lickmu Schulverwaltungen Vertreter der Reltgionsge-
sellfchaften, für welche innerhalb der Gemeinden Bekenntnis-
schulen bestehen. Sitz und Stimme erhalten sollen. Dagegen stimm-
ten die Sozialdemokraten. während stch di« Demokraten dcr Stimme
enthielten.

Die neue Fahrpreiserhößung.

Brrliu, 20. Juni. Zn der Sitzung Les standigen Ausschuffes des
Reichseisenbahnrats fprach sich die Mehrheit des Ausschusses für die
von der Verwaltung vorgesehene Erhöhung der Gütertarife
um 250 Prozent aus. Eine Erhöhung der Personentarife
zum 1. Juli um 300 Prozent für die 1. und 2. Klafle und um
2 00 Prozent für die 3. und 4. Klafle wurde mit Leträchtlicher
Stimmenmehrheit angenommen. Die Entscheidung des Reichsver-
kehrsministers steht noch aus. Wie vom Verkehrsministe-
rium weiter mitgetsilt wird, betragen die Bettkarten-
preife vom 1. Zuli ab in der ersten Klafle 200 000 M., in der
zweiten Klasse 100 000 M. und in der dritten Klasse 40 000 Mark.
Hinzu tritt dann noch die Vormerkgebiihr von 10 Prozent. Von der
ab 1. Julj zu erwartenden Tariferhöhung können auch die
Sonderzüge nicht ausgenommen werden. Die Fahr-
preife zu diefen Zügen werden ebenfalls erhöht, sofern der Borver-
kauf nach dem 22. Juni beginnt. Ferner dürfen Fahvscheinhefte
des Mitteldeutfchen Reifebüros, di« vor dem 1. Zuli zu Mai- oder
Zunitarifen gelost sind, nach dem 3. Zuli nur gegen Lösung eines
entsprechenden Ergänzungsfahrscheines benutzt werden.

DLe neuen Gehätter.

Berliu, 20. Zuni. Die Verhandlungen mit den Spitzenorgani-
fationen übcr die Erhöhung der Bezüge der Beamten unü An-
gestellten haben Dienstag abend zu einer Verständigung ge-
führt. Der Teuerungszuschlag wird auf 6000 Prozent aü
16. Juni erhöht, die Frauenzulage beträgt künftig 64 000 Mark.
Die Besatzungszulage ist für alle Orte gleichmäßig auf 80 000
Mark festgesetzt- Die Auszahlung der Beziige soll mit grötztmöglicher
Beichleunigung erfolgen.

Die «euen Steuereim3ßig?Lngeu.

Berlin, 20. Zuni. (Eig. Drahtm.) Nach der vom Steusraus-
schuß des Reichsiags beschlosfenen Erhöhung der Abzüge von der
Lohnsteuer treten vom 1. Zuli ab folgende Ermäßigunzen
in Krast: 1. Für den Steuerpslichtigen und für seine zum Zaushalt
zählende Ehefrau monatlich je 6000 Mk., wöchentlich je 1440 Mk.,
täglich je 240 Mk., 2. für jedes zum Haushalt des Steuerpflichtigen
zählende minderjähriae Kind je 40 000 Mk.. wöchentlich je 9000 Mk..
Läglich je 1600 Mk., 3. für Werbekosten monatlich 50 000 Mk., wöchent-
Uch 12 000 Mk.. täglich 2000 Mk.
 
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