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Baensch-Drugulin, Egbert Johannes [Hrsg.]; Sütterlin, Ludwig [Hrsg.]; Gutenberg, Johannes [Gefeierte Pers.]
Marksteine aus der Weltlitteratur in Originalschriften: zur Erinnerung an das fünfhundertjährige Geburtsfest des Altmeisters Johannes Gutenberg — Leipzig: Offizin W. Drugulin, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.37369#0156
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ERLÄUTERUNG.
Der syrische Kirchenvater Ephraim lebte früher in der mesopotamischen Stadt Nisibis,
wanderte aber, als diese im Frieden des Jahres 363 vom Kaiser Jovianus an die Perser
abgetreten wurde, nach Edessa, der geistigen Hauptstadt der christlichen Syrer, aus und
blieb daselbst bis zu seinem Tode (Juni 373). Von seinen sehr zahlreichen Schriften ist
uns vieles erhalten. Als theologischer Autor hat er schon bei Lebzeiten grossen Einfluss
auf sein Volk gewonnen, und diese Wirkung steigerte sich später noch. Er gilt allen
Syrern als ihr angesehenster Schriftsteller. Da sein Leben vor die Zeit fällt, in der sich
die Syrer in die drei grossen Konfessionen (Melkiten, Nestorianer, Monophysiten) spalteten,
so wird er von allen als rechtgläubig anerkannt; ja sein Eifer für tadellose Rechtgläubigkeit
ist ein Hauptgrund seines Ansehens.
Ephraim hat vieles in metrischer Form geschrieben, und die Syrer betrachten ihn
geradezu als ihren grössten Dichter. Uns freilich machen diese Gedichte durchweg den
Eindruck versihcierter Prosa; die poetischen Blumen und Blümchen darin sind meistens
dem Alten Testament entlehnt. Wenngleich also unsre deutsche Übersetzung nur als
eine sehr unvollkommene Wiedergabe des Originals gelten will, so kommt dabei doch
der Ersatz der Verse durch Prosa kaum sehr in Anschlag. Auf alle Fälle dürfte der
Leser auch durch eine solche Übertragung wenigstens eine gewisse Vorstellung von der
Art dieser breiten „Poesie" bekommen. Ein charakteristischerer Vertreter der bei den
Syrern zur Herrschaft gelangten Kirchlichkeit als den heiligen Ephraim wäre nicht wohl
Diese Probe ist aus den ChTW/Am genommen, s. BlCKELL's Ausgabe Nr. 74
(S. 138 des Textes, 224 der lateinischen Übersetzung). Das Gedicht besteht aus Strophen
zu fünf Verszeilen von je fünf Silben. Auf jede Strophe folgt der Refrain, der hier aber nur
bei der ersten gegeben wird. Die erste Verszeile hängt dem Sinne nach fast immer eng
mit der zweiten, die dritte mit der vierten zusammen; daher sind die Paare in der Über-
setzung jedesmal zusammengezogen, so dass diese nur dreizeilige Strophen darbietet.
Das Lied ist alphabetisch, d. h. jede Strophe lautet akrostichisch mit dem entsprechenden
Buchstaben des syrischen Alphabets an, also Strophe 1 mit A, Strophe 2 mit B u. s. w.
Jedoch sind einige Buchstaben durch zwei Strophen vertreten, so dass die Zahl dieser
nicht 22 ist nach der Zahl der syrischen Buchstaben, sondern 23.
Das Gedicht ist im ganzen leicht verständlich. Adam, der in der ersten Zeile genannt
wird, vertritt natürlich den Menschen schlechthin. Dem Sinne nach berührt sich unser
Gedicht zum teil mit dem Chorlied in der Antigone 332 ff; wie tief es für die ästhetische
Beurteilung unter ihm steht, bedarf keiner Ausführung.
Strassburg i. E., im August 1901. TH. NöLDEKE.
 
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