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Rudolf Bangel <Frankfurt, Main> [Hrsg.]; Rudolf Bangel [Hrsg.]
Katalog / Rudolf Bangel: Versteigerung in Frankfurt a.M. (Nr. 710): Verzeichnis der bedeutenden China- und Japan-Sammlung: bestehend aus Porzellan, prachtvollen Abdrücken von Japanischen Original-Farbenholzschnitten ... eines Privatsammlers; Versteigerung in Frankfurt a. M. den 16.und 17. Juni 1908 — Frankfurt a. M., 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.32843#0009
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V orwort

In der vorliegenden Sammlung ist Freunden und Sammlern alter japanischer
und chinesischer Kunst wieder einmal Gelegenheit geboten, sich an guten, teil-
weise erstklassigen Stücken zu erfreuen.

Zwei grössere Abteilungen sind besonders gut vertreten: eine erlesene Auswahl
seltener alter japanischer Originalfarbholzschnitte sowie eine reiche Kollektion
chinesischer Porzellane, einschliesslich japanischer Keramik.

Wir kennen nun seit bald 20 Jahren den steigenden Einfluss, den das
vollendete ostasiatische Kunsthandwerk auf die Entwicklung unseres Geschmackes
ausgeübt hat, wie es eine vorzügliche Schule für unsere modernen praktischen
Künstler sowie für unser junges nach neuen Formen ringendes Kunstgewerbe
geworden ist. Der Sinn für die grosse dekorative Linie, der die alten ostasiatischen
Künstler unbewusst leitete, ist auch bei uns wieder zur Geltung gekommen.

Der grösste Vorzug aber, den der japanische Kunsthandwerker vor dern
unsern voraus hat, ist seine hohe Achtung vor der Natur und sein unablässiges
Anschauen derselben. So arbeitet z. B. der Tierbildgiesser nur nach lebenden
Modellen. Zunächst beobachtet er das Tier, z. B. den Jagdfalken, in allen charak-
teristischen Bewegungen tage-, wochen-, oft monatelang, dabei ununterbrochen
Bleistiftskizzen entwerfend. ITat er sich dann so in die Eigenart des Tieres
hineingelebt, dass er imstande ist, ohne es anzusehen, jede beliebige Skizze aus
dem Gedächtnis zu entwerfen, so schreitet er zur Anfertigung des Gussmodelles;
auch hier beginnen wieder zahlreiche Versuche, bis die Form gefunden, welche
den Vogel in seiner charakteristischen Eigenart verkörpert. Der Guss geschieht
auch heutzutage noch, bei wertvollen Werken, als Guss „in verlorener Form",
der die höchsten Anforderungen an den Künstler stellt. Eine trefflich modellierte
Gruppe dreier Jagdfalken ist in dieser Weise entstanden und in der Sammlung
zu sehen. Auch in den kostbaren Metallegierungen, z. B. Shibuitchi, Shakudo usw.,
aus Gold, Kupfer und Silber bestehend, sind uns die japanischen Metall-
künstler noch weit voraus. In der Sammlung sehen wir eine sehr schön ausgeführte
Platte mit zwei Fischen aus diesen Metallmischungen; die Platte aus Shibuitchi,
einer der Fische aus Shakudo (einer dunkelblauschwarzen Legierung aus Kupfer
und Gold).

Ein weiterer Vorzug des japanischen Kunsthandwerks liegt in der strengen
Heilighaltung der Tradition sowie in dem durch Generationen hindurchgehenden
Bestehen der Künstlerfamilien begründet. Ich will hier nicht bei den berühmten
Familien der Lack- oder Metallkünstler verweilen, sondern nur auf die Meister-
schulen und Familien unter den Malern, speziell auf die für den Farbenholzschnitt
arbeitenden Künstler näher eingehen, da eine besonders schöne Kollektion dieser
seltenen Blätter in vorliegender Sammlung dazu willkommene Gelegenheit bietet.

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