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Baumeister: das Architektur-Magazin — 3.1905

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Heft 2 (1904, November)
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Langenberger, S.: Emanuel Seidl
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https://doi.org/10.11588/diglit.49991#0021

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DIB BAUMEISTER

ARCHITEKTONISCHE LEITUNG: °oo
HERMANN JANSEN UND
WILLIAM MÜLLER.
SCHRIFTLEITUNG: ooooooooooooo
F. v. BIEDERMANN.
ALLE ZUSENDUNGEN AN DIE SCHRIFTLEITUNG
BERLIN W., KÖNIGGRÄTZERSTR. 123 B.
HI. Jahrgang

MONATSHEFTE
FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS.
1904, November

VERLAG UND EXPEDITION: oooooo
GEORG D. W. CALLWEY
MÜNCHEN, FINKENSTR. 2.
BERLIN W., KOENIGIN AUGUSTA-
STRASSE 36.
Heft 2

INHALT: Hauptblatt: Emanuel Seidl, von S. Langenberger (24 Abb.).—
Fassadendetail vom Hause Briennerstr. 46 in München, Wohnhäuser
an der Hasenstr. in München. — Gebäudeblock am Maximiliansplatz
in München. — Landhaus Brey in Murnau. — Landhaus Maffei in
Feldaffing. Arch. Emanuel Seidl.
Beilage: Praktische Winke für Mörteltechniker (Schluss). — Die
Bewertung der Baustoffe, von Dombaumeister Arntz. — Vom Bücher-
markt : Alt-Paris, — Ansiedelungsbauten in Posen und Westpreussen,—
Billeter, Lehrbuch der Perspektive,— Speltz, Ornamentenstil.— Chronik.

Emanuel Seidl.
Wer mit der Baugeschichte Münchens hinlänglich vertraut
ist zurück bis in die Zeit, wo Jörg Ganghofer die Frauen-

In Dingen der Kunst und des guten Geschmackes gibt es
eben kein Einheitsmass, hier kann nicht mit der Elle oder
dem Zirkel gemessen, sondern muss nach Verständnis und
Empfinden gewertet werden.
Die Anschauungen, welche aus letzteren resultieren, gehen
begreiflicherweise mitunter sehr weit auseinander, ändern sich
zumeist leicht unter den verschiedensten Einflüssen und sind
deshalb vielfach ebenso unbeständig wie mannigfaltig.
Wer wollte sich wohl auch deshalb darüber wundern, dass
in jüngster Zeit wiederholt Gelegenheit geboten war, zu be-
obachten, wie selbst moderne Kunstschriftsteller — allerdings

kirche — das heutige Wahrzeichen
der bayerischen Metropole — erbaute
und den alten Rathaussaal mit der,
heute noch das Auge des Beschauers
erfreuenden, prächtigen Tonnendecke
aus Holz überspannte, wo Gabriel
Angler jenen herrlichen Hochaltar für
die Frauenkirche schuf, von dessen
kunstvoller Ausführung die gelungene
Abbildung Virgil Solis noch Zeugnis
gibt, wo endlich Erasmus Grasser die
reizenden, ihrem Zwecke noch immer
dienenden Chorstühle für diesesGottes-
haus und andere rühmlichst bekannte
Kunstschnitzereien fertigte, wird sich
der Überzeugung kaum verschliessen
können, dass auf altbayerischem und
nicht zuletzt Münchener Boden zu
jener Zeit schon gar manches be-

Emanuel Seidl.


mitunter auch aus anderen Gründen-
sieh bemühen, nicht nur den Ruhm
der Kunstpaladine König Ludwig I.
zu schmälern, sondern auch das künst-
lerische Wirken und Schaffen der zeit-
genössischen Meister, die auf Mün-
chens Boden erwuchsen oder fest da-
mit verbunden sind, geflissentlich zu
verdunkeln. Eine unerfreuliche Wahr-
nehmung, deren ungünstiger Eindruck
wenig verwischt wird durch das da-
bei mehrfach wachgerufene Empfinden,
als ob es sich hier auch um solche
Schriftsteller handeln könnte, die ge-
neigt sind, im Drange der Geschäfte
zu vergessen, dass unbedingte Wahr-
heitsliebe nicht etwa nur als eine
Pflicht des Historikers auf dem poli-
tischen Gebiete, sondern in nicht min-

achtenswertes Künstlertalent sich entwickelte, dessen anders-
wo vielleicht in überschwänglichem Masse gedacht worden
wäre; das hier aber über die Grenzen der Lokalberühmtheit
nicht weit hinaus-

derem Masse ebenso als eine solche des Kunsthistorikers zu
erachten ist. Will dieser ernst genommen sein, so darf
er sich nicht damit begnügen, ein flunkerndes und schil-
lerndes Feuilleton

kam.
In dieser Rich-
tung änderten auch
die späteren Zeiten
nichts! Meister
ihres Faches, wie
HansMielich, Chri-
stoph Schwarz, Se-
bastian Troger, Jos.
Effner u. a. m. wur-
den von den Trä-
gern welscher Na-
men, die nach
Zeit- und Modege-
schmack zur füh-
renden Stellung ge-
langten, einfach er-
drückt; sie blieben
ihrer Zeit unver-
standen !
Erst die Neuzeit
hat dieses Unrecht
teilweise wieder gut
gemacht, indem sie dem Können und Verdienste dieser Meister
gebührende Anerkennung widerfahren liess, obwohl angesichts
des heutigen Widerstreites in den Anschauungen bei Vertre-
tung künstlerischer Gesichtspunkte keinerlei Gewähr dafür
vorhanden ist, dass diese verdienstliche Würdigung auch eine
nachhaltige sein wird.

zu schreiben, um
nach irgend einer
bestimmten Rich-
tung hin gefällig zu
sein und demzu-
folge von jener Seite
selbst in erwünsch-
tem Masse einge-
schätzt zu werden!
Weder das Mün-
chen der Vergan-
genheit noch das
der Gegenwart ha-
ben den Nachweis
bedeutender Künst-
ler und hervorra-
gend begabter Mei-
ster ihres Faches
zu scheuen.
In den Annalen
seiner Bau- und
Kunstgeschichte
finden sich ihrer
viele verzeichnet, deren Leistungen Bewunderung und unum-
schränkte Anerkennung verdienen und dem Können und
Wirken derer mit Genugtuung zu gedenken das heutige
München alle Ursache hat und zwar im gleichen Verhältnis
wie es allen Grund hat, stolz zu sein auf jene Grossen im
Reiche der Künste, die in dem zu Ende gegangenen Jahr-


Wohnhaus Seidl, Eingang zum Vorgarten.
 
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