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Die venetianische Schule.
Laufbahn herangezogen, wie Francesco Torhido (genannt 11 Noro) und
Giovanni' da Udine, waren es, .welche diese Bedeutung erkennen lassen, als
vielmehr seine Zeitgenossen und Mitschüler, Palma-Vecchis und Tizian, ja
selbst sein Lehrer Bellini, obschon im hohen Alter, Konnte sich dem Einbusse
seines früher:: Schülers nicht entziehen. Giorgione hat der venetianischen
Schule .das ihr eigenthümliche Gepräge gegeben. Er fand die Farbenpoesie,
nach der man suchte, und diese war es, welche in der Hand eines glück-
lichen: Nebenbuhlers zu so hoher Vollendung gedieh, daß die reifsten Früchte
der venetianischen Kunst den Vergleich mit den Werken des Meisters von
Urbino nicht zu scheuen brauchen.
Wer sich einen Begriff machen will von der gemalten Poesie des
Giorgione, der wird sie finden in dem reizenden Gemälde Jakob und
Rahel in der Dresdner Galerie, das wie eine liebliche Idylle zu uns.
spricht, so- naiv-freudig find die Gestalten der mit herzlichem Kusse im
Uebermaß des Glücks sich begrüßenden Liebenden; und dazu lächelt die Welt,
die sie umgibt, ringsum so freudig still darein mit ihren sanften, von Heerden
belebten Matten und Bergabhängen, daß man sich ganz Hineinträumen möchte
in dies Glück, in diese ideale Wirklichkeit, deren Zauber nur ein wahrhaft
dichterischer Geist zu entwickeln vermochte. Was Giorgione zum Farben-
dichter macht, das ist die Kunst, mit welcher er die Natur über ihre eigene
Erscheinung erhebt, die Härten des wirklichen Daseins, tilgt, das Milde,
Wohlgefällige aber betont und Hervyrtreien läßt. Und dennoch erscheint bei
ihm die Natur darum nicht minder wahr, nicht minder natürlich, weil eben
der segne Sinn des Künstlers, die Grenze empfand, wo diese poetische Er-
höhung der Wirklichkeit zur Lüge wird. Man. Hat behauptet, Giorgione
habe nur, wie die Künstler des Alterthums, mit vier Farben gemalt. Dies
ist jedenfalls ' eine poetische Uebertreibung seiner Meisterschaft, mit wenigen
Mitteln große Wirkungen Hervorzubringen. Die ' Eigenthümlichkeit seiner
Malwerfe liegt darin,.daß er nicht durch tiefe Schatten Effecte zu erreichen
sucht, sondern durch die leisen Hebergänge der Töne, oder durch das Gegen-
einanderstellen dunkler und Heller Farben einen, man könnte sagen, musika-
lischen Eindruck hervorbringt. Und dabei ist der Pinsel mit einer Leich-
tigkeit, Breite und Sicherheit geführt, wie ihn nur ein Herrscher im Reiche
der Farben zu führen wagen darf. Von Giorgione lernten die Venetianer
Maler zuerst die Modellirung „mit Licht im Lichte," welche später
von Tizian und Paolo Veronese ihrer höchster: Vollendung zugeführt
wurde; denn auf dieser, beruht hauptsächlich die Pracht und der Glanz
Die venetianische Schule.
Laufbahn herangezogen, wie Francesco Torhido (genannt 11 Noro) und
Giovanni' da Udine, waren es, .welche diese Bedeutung erkennen lassen, als
vielmehr seine Zeitgenossen und Mitschüler, Palma-Vecchis und Tizian, ja
selbst sein Lehrer Bellini, obschon im hohen Alter, Konnte sich dem Einbusse
seines früher:: Schülers nicht entziehen. Giorgione hat der venetianischen
Schule .das ihr eigenthümliche Gepräge gegeben. Er fand die Farbenpoesie,
nach der man suchte, und diese war es, welche in der Hand eines glück-
lichen: Nebenbuhlers zu so hoher Vollendung gedieh, daß die reifsten Früchte
der venetianischen Kunst den Vergleich mit den Werken des Meisters von
Urbino nicht zu scheuen brauchen.
Wer sich einen Begriff machen will von der gemalten Poesie des
Giorgione, der wird sie finden in dem reizenden Gemälde Jakob und
Rahel in der Dresdner Galerie, das wie eine liebliche Idylle zu uns.
spricht, so- naiv-freudig find die Gestalten der mit herzlichem Kusse im
Uebermaß des Glücks sich begrüßenden Liebenden; und dazu lächelt die Welt,
die sie umgibt, ringsum so freudig still darein mit ihren sanften, von Heerden
belebten Matten und Bergabhängen, daß man sich ganz Hineinträumen möchte
in dies Glück, in diese ideale Wirklichkeit, deren Zauber nur ein wahrhaft
dichterischer Geist zu entwickeln vermochte. Was Giorgione zum Farben-
dichter macht, das ist die Kunst, mit welcher er die Natur über ihre eigene
Erscheinung erhebt, die Härten des wirklichen Daseins, tilgt, das Milde,
Wohlgefällige aber betont und Hervyrtreien läßt. Und dennoch erscheint bei
ihm die Natur darum nicht minder wahr, nicht minder natürlich, weil eben
der segne Sinn des Künstlers, die Grenze empfand, wo diese poetische Er-
höhung der Wirklichkeit zur Lüge wird. Man. Hat behauptet, Giorgione
habe nur, wie die Künstler des Alterthums, mit vier Farben gemalt. Dies
ist jedenfalls ' eine poetische Uebertreibung seiner Meisterschaft, mit wenigen
Mitteln große Wirkungen Hervorzubringen. Die ' Eigenthümlichkeit seiner
Malwerfe liegt darin,.daß er nicht durch tiefe Schatten Effecte zu erreichen
sucht, sondern durch die leisen Hebergänge der Töne, oder durch das Gegen-
einanderstellen dunkler und Heller Farben einen, man könnte sagen, musika-
lischen Eindruck hervorbringt. Und dabei ist der Pinsel mit einer Leich-
tigkeit, Breite und Sicherheit geführt, wie ihn nur ein Herrscher im Reiche
der Farben zu führen wagen darf. Von Giorgione lernten die Venetianer
Maler zuerst die Modellirung „mit Licht im Lichte," welche später
von Tizian und Paolo Veronese ihrer höchster: Vollendung zugeführt
wurde; denn auf dieser, beruht hauptsächlich die Pracht und der Glanz