Federigo Barvccio.
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Ernüchterung der allgemeinen Stimmung im Gefolge Hatte. Das Pabst-
thum, dem die Künste einen nicht geringen Theil ihres Aufschwungs zu ver-
danken Hatten, mußte seine ganze Kraft zusammennehmen, einestheils, damit
dem Protestantismus Halt geboten und womöglich ein rasches Ende bereitet
werde, anderntheils, um durch 'zeitgemäße Reformen die schreiendsten Miß-
stände zu beseitigen, welche das Priesterthum um seine Achtung, die Kirche
in drohenden Verfall gebracht Hatten. Die politischen Niederlagen, welche
Leo X. und Clemens VH. erlitten hatten, konnten im Grunde genommen
das Pabstthum nicht erschüttern. Das alte Behagen kehrte zurück, sobald
die Calamität vorüber war. Man ging nach wie vor der gewohnten Nei-
gung, den gewohnten Genüssen nach, ja man fand in diesen gewissermaßen
eine Entschädigung für das ausgestandene Leid oder die, wie eine lästige
Pflicht abgethanen Regierungssorgen und hatte die Genugthuung, sich sagen
zu können, daß keine weltliche Macht über eine solche Summe von Geistes-
kräften zu gebieten habe, wie Rom in seinen Mauern vereinigte. Anders
wurde die Sachlage, als das Papstthum nach zwei Seiten hin seine Kräfte
auf's Höchste anspannen mußte, nach außen gegen die von der Kirche ab-
trünnigen Protestanten und nach Innen gegen murrende Mönche und Prä-
laten, denen der sittliche Reinigungsproeeß, dem die Kirche unterworfen
werden mußte, unbequem und mehr als unerwünscht war. So mit sich
selbst und ihrer eigentlichen Aufgabe, als Hüter des Glaubens und der
Sittlichkeit, beschäftigt, fanden die Nachfolger Clemens' VII. keine Mnße, für
den äußeren Glanz ihrer Herrschaft 'zu sorgen. Auch war die unbefangene
Freude am Schönen, die nicht durch Glaubensrücksichten bestimmt wird, für
die Kirchenfürsten verloren, die ihren christlich-kirchlichen Eifer gegen den
Cultus des heidnischen Alterthums wenden mußten und ihre Sittenstrenge
durch Entfernung und Bekleidung gemalter oder gemeißelter Nuditäten an
den Tag zu legen für gut fanden. Wir werden später sehen, wie die Kunst
durch die veränderte Zeitrichtung mehr und mehr auf kirchlichen Boden ge-
drängt wurde und auf diesem zu einer neuen Blüthe gelangte, nachdem die
sittliche Grundlage wieder gewonnen war, auf der jedes ächte Kunstwerk
wurzelt; denn die Sittlichkeit ist die Nährmutter der Künste, ohne welche die
Kinder der Phantasie nur ein wesenloses Scheinleben führen. Die Wahr-
heit dieses Satzes leuchtet klar hervor aus den Schöpfungen der Epoche
des Manierismus, einer Zeit voll Frivolität, wo Hohn und Spott, Sathre
und Ironie den von der Poesie verlassenen Sitz einnahmen und das Hei-
lige wie das Unheilige, das Gute wie das Schlechte ohne Wahl sich zum
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Ernüchterung der allgemeinen Stimmung im Gefolge Hatte. Das Pabst-
thum, dem die Künste einen nicht geringen Theil ihres Aufschwungs zu ver-
danken Hatten, mußte seine ganze Kraft zusammennehmen, einestheils, damit
dem Protestantismus Halt geboten und womöglich ein rasches Ende bereitet
werde, anderntheils, um durch 'zeitgemäße Reformen die schreiendsten Miß-
stände zu beseitigen, welche das Priesterthum um seine Achtung, die Kirche
in drohenden Verfall gebracht Hatten. Die politischen Niederlagen, welche
Leo X. und Clemens VH. erlitten hatten, konnten im Grunde genommen
das Pabstthum nicht erschüttern. Das alte Behagen kehrte zurück, sobald
die Calamität vorüber war. Man ging nach wie vor der gewohnten Nei-
gung, den gewohnten Genüssen nach, ja man fand in diesen gewissermaßen
eine Entschädigung für das ausgestandene Leid oder die, wie eine lästige
Pflicht abgethanen Regierungssorgen und hatte die Genugthuung, sich sagen
zu können, daß keine weltliche Macht über eine solche Summe von Geistes-
kräften zu gebieten habe, wie Rom in seinen Mauern vereinigte. Anders
wurde die Sachlage, als das Papstthum nach zwei Seiten hin seine Kräfte
auf's Höchste anspannen mußte, nach außen gegen die von der Kirche ab-
trünnigen Protestanten und nach Innen gegen murrende Mönche und Prä-
laten, denen der sittliche Reinigungsproeeß, dem die Kirche unterworfen
werden mußte, unbequem und mehr als unerwünscht war. So mit sich
selbst und ihrer eigentlichen Aufgabe, als Hüter des Glaubens und der
Sittlichkeit, beschäftigt, fanden die Nachfolger Clemens' VII. keine Mnße, für
den äußeren Glanz ihrer Herrschaft 'zu sorgen. Auch war die unbefangene
Freude am Schönen, die nicht durch Glaubensrücksichten bestimmt wird, für
die Kirchenfürsten verloren, die ihren christlich-kirchlichen Eifer gegen den
Cultus des heidnischen Alterthums wenden mußten und ihre Sittenstrenge
durch Entfernung und Bekleidung gemalter oder gemeißelter Nuditäten an
den Tag zu legen für gut fanden. Wir werden später sehen, wie die Kunst
durch die veränderte Zeitrichtung mehr und mehr auf kirchlichen Boden ge-
drängt wurde und auf diesem zu einer neuen Blüthe gelangte, nachdem die
sittliche Grundlage wieder gewonnen war, auf der jedes ächte Kunstwerk
wurzelt; denn die Sittlichkeit ist die Nährmutter der Künste, ohne welche die
Kinder der Phantasie nur ein wesenloses Scheinleben führen. Die Wahr-
heit dieses Satzes leuchtet klar hervor aus den Schöpfungen der Epoche
des Manierismus, einer Zeit voll Frivolität, wo Hohn und Spott, Sathre
und Ironie den von der Poesie verlassenen Sitz einnahmen und das Hei-
lige wie das Unheilige, das Gute wie das Schlechte ohne Wahl sich zum