286 Die Nürnbergische Schule.'
Und doch ist der Meister in seiner Gefühlsweise dabei ganz deutsch; man
empfindet bei seinen erzählenden Werken das gemächliche und liebevolle
Behagen, mit welchem er jede einzelne Fignr ansgedacht und zum Ganzen
gestellt Hat. Da ist nirgends ein Zwang, nirgends eine Absichtlichkeit
bemerkbar, sondern Alles im schlichten Volkston, aber in der lautersten und
würdigsten Weise vorgetragen.
Leider sehlt uns für die Anfänge seiner bildnerischen Thätigkeit jeder
knnstgeschichtliche Anhalt. Das erste nachweisbare Werk seiner Hand fällt
schon in die Zeit seines reifsten Mannesalters. Es ist das im Jahre 1495
vollendete Grabmal des Erzbischofs Ernst von Magdeburg, im
Dome daselbst, ein mit Aposteln nnd anderem Bildwerk geschmückter Sar-
kophag, ans welchem die Gestalt des Verstorbenen ruht. Hier geht der
Meister mehr als in irgend einer andern Arbeit aus die derbe Art der
Charakteristik, die scharfe, eckige Behandlungsweise der gleichzeitigen Nürn-
berger Kunst ein, steht unter dem Einfluß der Richtung Adam Krafts und
verwandter Künstler.^) Aehnlich verhält es sich mit einer Grabplatte im
Dom zu Breslau, welche die Ruhestätte des Bischofs Johannes bezeichnet.
Bald genng scheint jedoch unser Meister von dieser Abweichung der
ihm von Natnr vorgeschriebenen Bahn zurückgekommen zu seiu uud seinen
eignen Weg gefunden zn haben. Dies bezeugt das Monumeut des Fürst-
bischofs Georgs II. vou Bamberg au einem Pfeiler des östlichen Chores
im Dome dieser Stadt, welches, nach 1505 entstanden, keine Spnr von
der herben Formgebung der nürnberger Schule aufweift.
Um dieselbe Zeit begann er mit seinen Söhnen das größte Meister-
werk, welches aus sciuer Werkstatt Hervorgegaugen, das Grab des h.
Sebald in der Sebaldnskirche zu Nürnberg. Der ursprüngliche Entwurf
war im rein gothischen Geschmack erfanden, ein schlanker, mit drei Spitzen
aufsteigender thurmartiger Aufbau. Einflüsse der italienischen Renaissance
Haben vermnthlich die spätere Abänderung herbeigeführt. Die Einzelformen
zeigen ganz die zierliche Eleganz dieser Kunstrichtnng, nnd es ist höchst
wahrscheinlich, daß Hermann Vischer d. j., der Italien durchwandert Hatte,
an der Conception des neuen Entwurfs den größten Antheil gehabt Hat.
Die strenge Kritik mag diese Stylvermischnng tadeln und stich namentlich
nicht mit den drei pyramidalen Erhebungen einverstanden erklären, welche
an Stelle der Spitzthürme getreten sind; aber sie wird nicht ableugnen
*) Lübke, Grundriß der Kunstgesch. S. 615.
Und doch ist der Meister in seiner Gefühlsweise dabei ganz deutsch; man
empfindet bei seinen erzählenden Werken das gemächliche und liebevolle
Behagen, mit welchem er jede einzelne Fignr ansgedacht und zum Ganzen
gestellt Hat. Da ist nirgends ein Zwang, nirgends eine Absichtlichkeit
bemerkbar, sondern Alles im schlichten Volkston, aber in der lautersten und
würdigsten Weise vorgetragen.
Leider sehlt uns für die Anfänge seiner bildnerischen Thätigkeit jeder
knnstgeschichtliche Anhalt. Das erste nachweisbare Werk seiner Hand fällt
schon in die Zeit seines reifsten Mannesalters. Es ist das im Jahre 1495
vollendete Grabmal des Erzbischofs Ernst von Magdeburg, im
Dome daselbst, ein mit Aposteln nnd anderem Bildwerk geschmückter Sar-
kophag, ans welchem die Gestalt des Verstorbenen ruht. Hier geht der
Meister mehr als in irgend einer andern Arbeit aus die derbe Art der
Charakteristik, die scharfe, eckige Behandlungsweise der gleichzeitigen Nürn-
berger Kunst ein, steht unter dem Einfluß der Richtung Adam Krafts und
verwandter Künstler.^) Aehnlich verhält es sich mit einer Grabplatte im
Dom zu Breslau, welche die Ruhestätte des Bischofs Johannes bezeichnet.
Bald genng scheint jedoch unser Meister von dieser Abweichung der
ihm von Natnr vorgeschriebenen Bahn zurückgekommen zu seiu uud seinen
eignen Weg gefunden zn haben. Dies bezeugt das Monumeut des Fürst-
bischofs Georgs II. vou Bamberg au einem Pfeiler des östlichen Chores
im Dome dieser Stadt, welches, nach 1505 entstanden, keine Spnr von
der herben Formgebung der nürnberger Schule aufweift.
Um dieselbe Zeit begann er mit seinen Söhnen das größte Meister-
werk, welches aus sciuer Werkstatt Hervorgegaugen, das Grab des h.
Sebald in der Sebaldnskirche zu Nürnberg. Der ursprüngliche Entwurf
war im rein gothischen Geschmack erfanden, ein schlanker, mit drei Spitzen
aufsteigender thurmartiger Aufbau. Einflüsse der italienischen Renaissance
Haben vermnthlich die spätere Abänderung herbeigeführt. Die Einzelformen
zeigen ganz die zierliche Eleganz dieser Kunstrichtnng, nnd es ist höchst
wahrscheinlich, daß Hermann Vischer d. j., der Italien durchwandert Hatte,
an der Conception des neuen Entwurfs den größten Antheil gehabt Hat.
Die strenge Kritik mag diese Stylvermischnng tadeln und stich namentlich
nicht mit den drei pyramidalen Erhebungen einverstanden erklären, welche
an Stelle der Spitzthürme getreten sind; aber sie wird nicht ableugnen
*) Lübke, Grundriß der Kunstgesch. S. 615.