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Deutsche Maler der Zopfzeit.
Hältnisse und begleitende Seelenkräfte in der Anwendung geben, bringt
vielleicht ihren Productionen bald den Namen eines schönen Kunstwerks zu
Wege, bald den Namen einer schönen That. Um in den stillen Scenen
des Mittelstandes, um im engen Zirkel häuslicher Verbindungen, als Weiser,
Freude und Heiterkeit um sich her zu verbreiten, bedarf es nur eines
sanften Charakters, gemäßigter Affekte, und einer ruhigen Achtsamkeit auf
das, was andere um uns liebenswerth macht. Aber um als Held in den
verwickeltsten Lagen eines Staats, dessen Stütze mit Aufopferung der theuersten
Verhältnisse zu werden, müssen wir die Tugend mit Leidenschaft lieben, wir
müssen sie verkörpert sehen, ihr Glanz muß in uns das Ideal einer Voll-
kommenheit wecken, das nur unsern Verhältnissen, unsern Kräften, mit
einem ^Vorte: uns gehört. So wie der Ton eines musikalischen Instru-
ments den Geist eines Compositeurs in eine Schwingung setzt, in der er
ungehörte Töne aus sich selbst hervorruft, so können große Beispiele im
Einzelnen zwar die Stimmung zur Größe, nicht aber ihre völlige Harmonie
hervorbringen. Der Geist des Alexander belebte einen Cäsar, durch Nach-
ahmung seiner Thaten entstand nur ein Karl der Zwölfte.
Mengs sah das Schöne in den Werken der Alten ein, er begriff es,
und lieferte hier und dort glückliche Nachbildungen schöner Gestalten; Raphael
ward durch ihren Anblick begeistert, er zündete, dem Prometheus gleich, seine
Fackel an dem himmlischen Feuer an, und ihr Abglanz warf nicht Schatten
von Göttern hin, ihre Wärme belebte Menschen, seine eigenen Geschöpfe.
Wahrnehmung des Guten nnd Schönen heißt im Allgemeinen Geschmack.
Aber in der Art der Anwendung ist dessen Wesen sehr verschieden. Der
eine Mensch hat ihn durchs Gefühl, der andere hat ihn durch Nachdenken;
der eine weiß die Gründe seines Urtheils trefflich aus einander zu setzen,
* der andere schafft statt aller Antwort. Es scheint daß bei dem ersten die
Vernunft im genaueren Verbände mit dem Scharfsinn steht, bei dem andern
der Scharfsinn mit dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bildenden
Künstler ist die letzte Art zu wünschen, dem Beschauer des Gebildeten kann
die erste genügen. Mengs hat viel über den Geschmack geschrieben; wir
vermissen ihn oft in seinen Gemälden.
Diese Betrachtungen können dem Urtheil über das Verdienst unsers
Mengs, als Maler, zur Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit
dem Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht und ausgesührt.
Dies erstreckt sich jedoch bei weiblichen und männlichen selten weiter als
auf das Alter, dem jene Eigenschaften vorzüglich eigen sind: des Kindes,
Deutsche Maler der Zopfzeit.
Hältnisse und begleitende Seelenkräfte in der Anwendung geben, bringt
vielleicht ihren Productionen bald den Namen eines schönen Kunstwerks zu
Wege, bald den Namen einer schönen That. Um in den stillen Scenen
des Mittelstandes, um im engen Zirkel häuslicher Verbindungen, als Weiser,
Freude und Heiterkeit um sich her zu verbreiten, bedarf es nur eines
sanften Charakters, gemäßigter Affekte, und einer ruhigen Achtsamkeit auf
das, was andere um uns liebenswerth macht. Aber um als Held in den
verwickeltsten Lagen eines Staats, dessen Stütze mit Aufopferung der theuersten
Verhältnisse zu werden, müssen wir die Tugend mit Leidenschaft lieben, wir
müssen sie verkörpert sehen, ihr Glanz muß in uns das Ideal einer Voll-
kommenheit wecken, das nur unsern Verhältnissen, unsern Kräften, mit
einem ^Vorte: uns gehört. So wie der Ton eines musikalischen Instru-
ments den Geist eines Compositeurs in eine Schwingung setzt, in der er
ungehörte Töne aus sich selbst hervorruft, so können große Beispiele im
Einzelnen zwar die Stimmung zur Größe, nicht aber ihre völlige Harmonie
hervorbringen. Der Geist des Alexander belebte einen Cäsar, durch Nach-
ahmung seiner Thaten entstand nur ein Karl der Zwölfte.
Mengs sah das Schöne in den Werken der Alten ein, er begriff es,
und lieferte hier und dort glückliche Nachbildungen schöner Gestalten; Raphael
ward durch ihren Anblick begeistert, er zündete, dem Prometheus gleich, seine
Fackel an dem himmlischen Feuer an, und ihr Abglanz warf nicht Schatten
von Göttern hin, ihre Wärme belebte Menschen, seine eigenen Geschöpfe.
Wahrnehmung des Guten nnd Schönen heißt im Allgemeinen Geschmack.
Aber in der Art der Anwendung ist dessen Wesen sehr verschieden. Der
eine Mensch hat ihn durchs Gefühl, der andere hat ihn durch Nachdenken;
der eine weiß die Gründe seines Urtheils trefflich aus einander zu setzen,
* der andere schafft statt aller Antwort. Es scheint daß bei dem ersten die
Vernunft im genaueren Verbände mit dem Scharfsinn steht, bei dem andern
der Scharfsinn mit dem Herzen und der Einbildungskraft. Dem bildenden
Künstler ist die letzte Art zu wünschen, dem Beschauer des Gebildeten kann
die erste genügen. Mengs hat viel über den Geschmack geschrieben; wir
vermissen ihn oft in seinen Gemälden.
Diese Betrachtungen können dem Urtheil über das Verdienst unsers
Mengs, als Maler, zur Grundlage dienen. Er hat einzelne Figuren mit
dem Charakter einer lieblichen Heiterkeit vortrefflich gedacht und ausgesührt.
Dies erstreckt sich jedoch bei weiblichen und männlichen selten weiter als
auf das Alter, dem jene Eigenschaften vorzüglich eigen sind: des Kindes,