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LUDWtG
HtLBERSEtMER
BERUM
Die Wohnung ais Gebrauchsgegenstand
Die Intensivierung der Arbeit in der Großstadt verlangt entsprechende
Entspannungen. Eines der wichtigsten Entspannungsmittel ist die
Möglichkeit, sich räumlich isolieren zu können, was nur in einer ent-
sprechend durchgebildeten Wohnung denkbar ist.
Betrachtet man die Großstadtbewohner unter dem Gesichtspunkt ihrer
Wohnansprüche, so unterteilen sie sich in zwei Gruppen: Solche, die
in der Stadt wohnen wollen und solche, die es vorziehen, außerhalb
der Stadt zu wohnen. Beider Wünsche sind durchaus berechtigt und
sollten aufs vollkommenste erfüllt werden.
Auch das Verhältnis des Kindes zur Großstadt wird ein völlig anderes
werden. Schon heute ist die Frage, wie der Gefährdung der leiblichen
und seelischen Entwicklung des Kindes durch die Großstadt zu be-
gegnen ist, zum unlösbaren Problem geworden. Es wird daher in
Zukunft eine Selbstverständlichkeit sein, die Kinder, sowie überhaupt
sämtliche Unterrichts- und Erziehungsanstalten außerhalb der Stadt
unterzubringen.
Ein weiteres wichtiges Moment, das verändernd auf die Wohnsitten ein-
wirken wird, ist die kommende Industrialisierung der Landwirtschaft.
Es ist schon heute keine Utopie mehr, dieselben Arbeitskräfte in
Wirtschaft und Industrie zu verwenden. Dadurch wird der Groß-
städter zeitweise auf dem Lande leben können, seine Familie am
besten überhaupt.
Diese Tatsachen und Möglichkeiten werden wesentlich umgestaltend
auf die Wohnung, das Haus, ja den ganzen Stadtorganismus ein-
wirken. Die Stadtwohnung vor allem wird eine völlige Veränderung
erfahren.
Während man früher den Wert einer Wohnung danach beurteilte, wie-
viel Personen im Eßzimmer placiert werden können, bei der heuti-
gen Wohnungsnot dagegen darauf sieht, wieviel Personen überhaupt
in einer Wohnung unterzubringen sind, wird man in Zukunft eine
Wohnung nach ihrem Komfort beurteilen. Die beste Wohnung wird
die sein, die zu einem vollkommenen Gebrauchsgegenstand geworden
ist und damit die Widerstände des alltäglichen Lebens auf ein
Minimum reduziert.
Das wird dann erreicht sein, wenn die Wohnung, die früher repräsen-
tativ war und heute ziemlich beschränkt ist, so organisiert wird, daß
die einzelnen Räume und ihre Einrichtung ihren Zwecken und ihrer
Funktion entsprechend durchgebildet sind. Jedem wird als selbst-

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