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als Lacrymatorien bezeichnet; weil alle unter diesem Namen bekannten Fläschchen,
die man in den heidnisch - römischen Gräbern und dort häufig in den Aschenkrügen
selbst findet, eine andere Bestimmung hatten, als die ihr moderner Name andeutet;1)
so wollen wir hier in möglichster Kürze nachzuweisen suchen, dass die Meisten
aller dieser gläsernen Gefässe mit der höchsten Wahrscheinlichkeit als solche an-
gesehen werden müssen, die mit der Abendmahlsfeier, welche an den Gräbern der
Märtyrer und anderer Todten gehalten wurden, in Verbindung standen.
Diejenigen, welche in diesen Glasgeschirren Blutbehälter sehen, wollen ihre
Meinung durch drei Argumente beweisen, erstens durch die Tradition, dass bei den
Hinrichtungen der Märtyrer fromme Christen das Blut der Sterbenden in Gefässen
oder mit Schwämmen und Tüchern aufgefangen, und es aus letzteren wiederum in
Flaschen oder Schaalen ausgedrückt hätten; zweitens durch die Entdeckung eines
rothen Bodensatzes in allen diesen aufgefundenen Gefässen, der von dem darin be-
findlich gewesenen Blute zurückgeblieben sei; drittens durch die Inschriften, welche
man neben drei Gefässen gefunden, nämlich die Buchstaben SA., SANG, und SA.
SATYRN^.
In Bezug auf das erste dieser drei Argumente, so ist allerdings anzunehmen,
dass bei dem Tode eines Märtyrers die Christen gern irgend ein Andenken von
') Diese sogenannten Lacrymatorien waren Balsamfläschchen, deren Zweck in den Aschenkrügen be-
greissich ist. Die Behauptung, dass diese Gefässe dazu gedient hätten, in ihnen vergossene Thränen aufzu-
fangen, um sie alsdann den Todten mit ins Grab zu geben, beruht nur auf ein paar missverstandenen In-
schriften, in welchen von am Grabe vergossenen Thränen die Rede ist. Ulpiai Scitai Pilumenai conjugi
b. m. P. Aelius Macer antesignanor. trib. lacrimas posuit. — Diis Manib. et Genio C. Flav. Hermetis Aug.
lib. ab epistolis graecis Julia Antistia mater infelicissima silio de se b. m. cum lacr. p. vix. ann. XVIII. m.
V. d. XIII. — C. Laelio C. fil. magna omnium expectatione genito et decimo octavo anno ab immani Atropo
e vita reciso fusca mater ad luctum et gemitum relicta eum lacrimis et opobalsamo udum hoc sepulchro
condidit. — und einige ähnliche, s. Grüter inscript. pag. 517. 587, 692. 700. 992. Graevii Thesaur. antiquit.
Rom. T. XII. p. 963. Wer wird es jetzt missverstehen, wenn Jemand sagt, ich habe meinem geliebten Tod-
ten viele Thränen mit in's Grab gegeben, ich habe ihn mit vielen Thränen begraben; wer wird dies so
missverstehen, als wenn Jemand seine Thränen gesammelt, und dem Todten mit ins Grab gegeben habe.
Man möchte glauben, dass der Erste, der dies so verstand, niemals eine Thräne vergossen habe. Montfaucon
denkt sich bei der zuletzt angeführten Inschrift, die er unvollständig giebt, sogar eine wirkliche Mischung
aus Thränen und Balsam. Antiq. expl. Tom. V. Part. I. p. 116. Gemiethete Klageweiber waren bei den
Römern im Leichenzuge, aber auch von ihren aufgefangenen Thränen ist nirgends die Rede. — Eben so schei-
nen mir auch die auf den Grabdeckeln bisweilen vorkommenden Vertiefungen und Oeffnungen, durch welche
der darunter befindliche Aschenkrug erreicht werden konnte, nicht dazu bestimmt gewesen zu sein, Thrä-
nen hindurch zu leiten, sondern Libationen, welche die Hinterbliebenen oft noch darbrachten. Man sehe
die Abbildungen bei Gruter, Fabretti und Montfaucon.
als Lacrymatorien bezeichnet; weil alle unter diesem Namen bekannten Fläschchen,
die man in den heidnisch - römischen Gräbern und dort häufig in den Aschenkrügen
selbst findet, eine andere Bestimmung hatten, als die ihr moderner Name andeutet;1)
so wollen wir hier in möglichster Kürze nachzuweisen suchen, dass die Meisten
aller dieser gläsernen Gefässe mit der höchsten Wahrscheinlichkeit als solche an-
gesehen werden müssen, die mit der Abendmahlsfeier, welche an den Gräbern der
Märtyrer und anderer Todten gehalten wurden, in Verbindung standen.
Diejenigen, welche in diesen Glasgeschirren Blutbehälter sehen, wollen ihre
Meinung durch drei Argumente beweisen, erstens durch die Tradition, dass bei den
Hinrichtungen der Märtyrer fromme Christen das Blut der Sterbenden in Gefässen
oder mit Schwämmen und Tüchern aufgefangen, und es aus letzteren wiederum in
Flaschen oder Schaalen ausgedrückt hätten; zweitens durch die Entdeckung eines
rothen Bodensatzes in allen diesen aufgefundenen Gefässen, der von dem darin be-
findlich gewesenen Blute zurückgeblieben sei; drittens durch die Inschriften, welche
man neben drei Gefässen gefunden, nämlich die Buchstaben SA., SANG, und SA.
SATYRN^.
In Bezug auf das erste dieser drei Argumente, so ist allerdings anzunehmen,
dass bei dem Tode eines Märtyrers die Christen gern irgend ein Andenken von
') Diese sogenannten Lacrymatorien waren Balsamfläschchen, deren Zweck in den Aschenkrügen be-
greissich ist. Die Behauptung, dass diese Gefässe dazu gedient hätten, in ihnen vergossene Thränen aufzu-
fangen, um sie alsdann den Todten mit ins Grab zu geben, beruht nur auf ein paar missverstandenen In-
schriften, in welchen von am Grabe vergossenen Thränen die Rede ist. Ulpiai Scitai Pilumenai conjugi
b. m. P. Aelius Macer antesignanor. trib. lacrimas posuit. — Diis Manib. et Genio C. Flav. Hermetis Aug.
lib. ab epistolis graecis Julia Antistia mater infelicissima silio de se b. m. cum lacr. p. vix. ann. XVIII. m.
V. d. XIII. — C. Laelio C. fil. magna omnium expectatione genito et decimo octavo anno ab immani Atropo
e vita reciso fusca mater ad luctum et gemitum relicta eum lacrimis et opobalsamo udum hoc sepulchro
condidit. — und einige ähnliche, s. Grüter inscript. pag. 517. 587, 692. 700. 992. Graevii Thesaur. antiquit.
Rom. T. XII. p. 963. Wer wird es jetzt missverstehen, wenn Jemand sagt, ich habe meinem geliebten Tod-
ten viele Thränen mit in's Grab gegeben, ich habe ihn mit vielen Thränen begraben; wer wird dies so
missverstehen, als wenn Jemand seine Thränen gesammelt, und dem Todten mit ins Grab gegeben habe.
Man möchte glauben, dass der Erste, der dies so verstand, niemals eine Thräne vergossen habe. Montfaucon
denkt sich bei der zuletzt angeführten Inschrift, die er unvollständig giebt, sogar eine wirkliche Mischung
aus Thränen und Balsam. Antiq. expl. Tom. V. Part. I. p. 116. Gemiethete Klageweiber waren bei den
Römern im Leichenzuge, aber auch von ihren aufgefangenen Thränen ist nirgends die Rede. — Eben so schei-
nen mir auch die auf den Grabdeckeln bisweilen vorkommenden Vertiefungen und Oeffnungen, durch welche
der darunter befindliche Aschenkrug erreicht werden konnte, nicht dazu bestimmt gewesen zu sein, Thrä-
nen hindurch zu leiten, sondern Libationen, welche die Hinterbliebenen oft noch darbrachten. Man sehe
die Abbildungen bei Gruter, Fabretti und Montfaucon.